Festakt in der Grafinger Stadthalle:Hefe statt Sahne

Bei der großen Jubiläumsparty in der Grafinger Stadthalle stehen ausnahmsweise nicht die unzeitgemäße Architektur oder schlecht verkaufte Aboreihen im Mittelpunkt.

Rita Baedeker

GrafingManch einer mäkelt und mosert über Architektur und Akustik der Stadthalle; Michael Skasa, der einen Teil seiner Kindheit in Grafing verbracht und zahlreiche Hallen und Bühnen kennengelernt hat, findet den in die Jahre gekommenen Bau eher einladend. Nur anders nennen würde er ihn; schließlich sollte etwas, das man lieb hat, auch einen schönen Namen bekommen, einen, der Wärme und Wertschätzung ausdrückt. So wie damals die Hühner der Familie Skasa-Weiß, von denen der Autor und Moderator bei seinem mit Anekdoten aus den frühen Jahren und feiner Ironie gewürzten Rückblick erzählte: Die Kinder hätten das Federvieh sogar mit ins Bett genommen - gegessen habe man es dann trotzdem. "Stadthaus" zum Beispiel, so Skasa, klinge viel heimeliger. Oder "Öxing", nach einem Ortsteil Grafings. Wobei er das grammatikalische Geschlecht offen ließ. Das Öxing? Oder der Öxing? Auch ein Hauch städtischen Geglitzers in Form von Leuchtbuchstaben außen, die für Veranstaltungen weithin sichtbar werben, könne nicht schaden.

In seiner Festrede, die Skasa zum 25-jährigen Bestehen der Stadthalle Grafing hielt, wünschte er sich obendrein ein Leselämpchen für das Rednerpult, mehr Informationen über das Kulturangebot ringsherum - kurz: mehr Licht und Leben. "Kultur ist nicht das Sahnehäubchen, sondern die Hefe", erklärte er und forderte die Grafinger zu mehr Gemeinsinn auf. Es müsse ein Ruck durch deutsche Fernsehsessel gehen. Bei dieser Gelegenheit verriet Skasa, dass Grafings Bürgermeister Rudolf Heiler Orgel spielen kann. Woran er den letzten seiner Ratschläge knüpfte: "Orgel reinbauen und den Bürgermeister dransetzen, dann ist die Halle voll." Dieser kommentierte Skasas sanfte Philippika mit dem Satz: "Danke für den Nachhilfeunterricht in Sachen Kultur."

Den kräftigen Ruck, der am Sonntag durch die voll besetzten Stuhlreihen der Stadthalle ging, bewirkten vor allem die jungen Artisten der Gruppe Movimento aus dem benachbarten Gymnasium. Mal schwebten Mädchen, kaum zehn Jahre alt, in meerblauen Glitzer-Trikots wie Elfen am Trapez, mal zeigten je zwei Jungen und Mädchen Kraft und Konzentration fordernde Hebefiguren, dass den Zuschauern der Atem stockte. Etwa, wenn die Mädchen, nur auf die Muskelkraft ihrer Partner sich stützend, Handstände in der Luft vollführten oder ihre Extremitäten in ein von der Decke baumelndes Vertikaltuch wickelten, welches ihnen, Gott weiß wie, Halt gab bei ihren arabeskenhaften Figuren. Überhaupt war der Festakt ein Fest der Jugend - nur leider befand die sich fast ausschließlich auf der Bühne, kaum unter den Zuschauern.

Begleitet wurden die jungen Akrobaten vom gut eingespielten Jugendorchester, das Hedwig Gruber dirigierte. Aufgeführt wurde moderne Filmmusik, zum Beispiel das schöne Stück "Buongiorno Principessa" aus "La Vita é Bella", und die "Hymn to the Dance" mit Orchester, Chor und Artisten.

Dank "Brückenbauer" Eckard Heintz, der das Kulturangebot der Stadt entstaubt und um ein niveauvolles Musikprogramm erweitert hat, erhielt der Festakt einen beinahe majestätischen Rahmen: Das von ihm engagierte Arcis-Bläserensemble der Musikhochschule München unter Leitung von Ulrich Nicolai eröffnete das Programm mit Henry Purcells Symphonie aus dem Werk "Die Feenkönigin" - deren zartes Gefolge war später am Trapez zu bestaunen - und ließ den Tag ausklingen mit der "Festmusik für die Stadt Wien" von Richard Strauss. Diese 1943 entstandene, feinsinnige und kunstvoll gebaute Komposition leitete über zu beinahe ebenso kunstvoll belegten Kanapees. "Kultur ist teuer", sagte Rudolf Heiler. Aber: "Keine Kultur, das ist unbezahlbar!" Apropos Bezahlung: Der Eintritt war frei. Musiker, Akrobaten und Stadthallenleitung hätten jedoch noch viel mehr Applaus verdient.

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