Bandporträt:Wenn aus Cover Kunst wird

Bandporträt: Unmengen an Instrumenten beherbergt die "Freie Musikwerkstatt" von Pauline Weindorf und Daniel Fritz. Manchmal bringt das Grafinger Duo sie aber auch in den Garten.

Unmengen an Instrumenten beherbergt die "Freie Musikwerkstatt" von Pauline Weindorf und Daniel Fritz. Manchmal bringt das Grafinger Duo sie aber auch in den Garten.

(Foto: Feinrot/oh)

Das Duo "Feinrot" schafft spielend den Spagat zwischen musikalischer Dienstleistung und Kreativität. Die jüngste CD "Homeoffice" ist komplett in ihrer Grafinger Musikwerkstatt entstanden.

Von Oliver Fraenzke, Grafing

"Freie Musik Werkstatt" prangt es außen an dem auffällig hellblauen Häuschen. In jedem Zimmer stehen, hängen und liegen Instrumente und verströmen eine ganz eigene, grundsympathische Energie. Hier wohnen Pauline Weindorf und Daniel Fritz, möglicherweise besser bekannt unter ihrem Bandnamen Feinrot. Im Duo nämlich wirken die beiden Grafinger als Party- und vor allem Hochzeitsband, schreiben zwar auch eigene Songs, haben sich jedoch in erster Linie aufs kreative Covern spezialisiert. Wer nun aber denkt, Feinrot fetze einfach populäre Titel möglichst tanzgerecht herunter, fehlt weit, denn das Pärchen macht eine regelrechte Kunst daraus, bekannten Songs eine eigene Tonsprache und Persönlichkeit anzueignen. Doch wie schafft es solch ein Duo in dieser krisengebeutelten Zeit, über die Runden zu kommen? Weckt die erzwungene Bühnenabstinenz womöglich sogar neue Schaffenskraft?

Was beim Treffen mit Feinrot unmittelbar auffällt, ist eine bewundernswerte Zufriedenheit, die beide ausstrahlen. Es steht außer Frage, dass Pauline Weindorf und Daniel Fritz mit tiefster Leidenschaft bei der Sache sind. In ihrer Musikwerkstatt haben sich die beiden einen Mikrokosmos an Möglichkeiten geschaffen, aus dessen Facetten sich ihr Leben zusammensetzt. Hier werden Schüler unterrichtet, es gibt mehrere Proberäume und sogar ein kleines Tonstudio. Mindestens drei Klaviere, eine Hand voll E-Bässe und Gitarren inklusive Ukulele, mehrere Schlaginstrumente und Drumsets kann man bei einem Rundgang durch das Häuschen erspähen, das so nicht nur durch Extravaganzen wie eine verspiegelte Decke im Bad oder ein futuristisches Treppengeländer zum Unikat avanciert, sondern vor allem durch die darin geschehende Bündelung musikalischer Einflüsse.

Daniel Fritz spielte sich durch Hunderte Jazz-Songs - ihr zuliebe

Pauline Weindorf, Jahrgang 1988, kommt aus einer Münchner Musikerfamilie, studierte in Würzburg Jazzgesang und wirkte schon seit früher Jugend als Entertainerin bei Familienfeiern und sonstigen Events mit. Sie liebt die Bühne. Daniel Fritz hingegen ist studierter Tonmeister. Geboren 1978 lernte er als Kind eher mühsam Klavier; seine Passion für die Musik loderte erst am Schlagzeug auf, das er als Jugendlicher für sich entdeckte. Später sprang der Funke dann auch aufs Klavier über, mittlerweile spielt er noch E-Bass, Gitarre und gelegentlich Akkordeon. Während Weindorfs Werdegang klar vorgezeichnet schien, bahnte Fritz sich einen Weg über Jugendsinfonieorchester und Rock- wie Metalcombos, eine davon zusammen mit dem heute als Comedian bekannten Bülent Ceylan, bis eben hin zu Feinrot. Diese Begegnung bewirkte bei ihm eine Neuorientierung: "Ich wusste gleich, dass ich nun besser am Piano werden musste, um halbwegs mit den ganzen fitten Jazz-Jungs mithalten zu können, sonst würde Pauline nicht mehr mit mir musizieren wollen", gibt Fritz halb scherzend zu. So spielte er sich - übrigens weit von Würzburg entfernt, in Berlin - durch Hunderte Jazz-Songs, tauchte tief in deren Harmonik ein. Der gemeinsame Umzug nach München vereinte das Paar endgültig, das Musizieren im Duo wurde sukzessiv professioneller.

Bandporträt: Zwei Talente haben sich gefunden: Pauline Weindorf und Daniel Fritz sind zusammen "Feinrot".

Zwei Talente haben sich gefunden: Pauline Weindorf und Daniel Fritz sind zusammen "Feinrot".

(Foto: Feinrot/oh)

Mittlerweile teilen Pauline Weindorf und Daniel Fritz alles, wohnen und arbeiten zusammen, sind gar nicht ohneeinander denkbar. Als Band blieben sie ein Duo. Ursprünglich, weil ihnen die mühsamen Absprachen mit Kollegen die musikalische Arbeit oftmals verleideten - mittlerweile aber auch, weil sie so fugenlos aufeinander abgestimmt sind, dass sie niemanden sonst brauchen, um ihre Ideen zu realisieren. Seinen Anfang nahm Feinrot als Kombi aus Gesang und Klavier. Irgendwann jedoch gab Fritz seiner Partnerin einen Shaker in die Hand, es folgte ein Becken und schließlich ein halbes Drumset. Die andere Hälfte übernahm Fritz selbst: nämlich jene Teile, die er mit den Füßen bedienen kann, da seine Hände ja mit Klavier und Tastenbass beschäftigt sind.

So erzielt dieses Duo ein klanglich derart reiches Resultat wie sonst höchstens eine vier- oder fünfköpfige Band. Stilistisch entwickelten sich Feinrot aus dem Swing heraus; sie verjazzten Pop- und Rocksongs, arbeiteten deren rhythmische Komponente aus und verliehen ihnen eine harmonisch ausgeklügeltere Gestalt. Darin fanden sich schon früh auch Elemente der klassischen Musik wieder. Mittlerweile blüht ein ganz eigener Klang auf, der Feinrots Cover auszeichnet, noch im Jazz verwurzelt, sich aber Elemente ganz unterschiedlicher Genres aneignend.

Hier treffen die Eurythmics auf Grieg und Bizet

Deutlich wird dies, wenn man die beiden jüngsten Alben anhört: Die 2018 produzierte CD "wUnder Cover" swingt und lebt von groovenden Coverversionen, oftmals mit einer guten Portion Latin-Beats gewürzt, sich gerne an computergenerierten Effekten bedienend und klassische Referenzen aufweisend. Wie kreativ die beiden dabei mit dem Material umgehen, beweist beispielsweise ihre Version von "Sweet Dreams" von Eurhythmics: Nicht nur, dass sich Griegs "Bergkönig" und Bizets "Carmen" wie selbstverständlich in den Eurodance-Hit hineinschleichen, dieser wandelt sich hier überdies von einer eher düster-melancholischen Nummer zur Groove-Bombe mit sich mehrfach überlagerndem Gesang, der sich virtuos durch alle Lagen schraubt, problemlos zwischen Koloriten wechselt. Diese Stimmbeherrschung durch sämtliche Lagen, Stilistiken und Tonfärbungen beweist profunde Ausbildung und langjähriges Eigenstudium ohne Grenzen, geht weit über das hinaus, was man von einer Partyband erwarten würde. Selbst unter studierten Sängerinnen sticht Pauline Weindorf durch ihren Facettenreichtum heraus.

Das jüngste Album ist komplett im Home-Office entstanden

Feinrots neuestes, während des Lockdowns entstandenes Album "Home Office" hingegen weist einen wesentlich ruhigeren Grundimpuls auf. Hier geht es nicht um Songs, die Menschen auf die Tanzfläche treiben, sondern um innigere, persönlichere Themen, die gediegen-weich umgesetzt werden. Die Covers stammen aus ganz verschiedenen Genres, von Miles Davis über Cutting Crew zu Bruno Mars oder Metallica. Dabei kann es aber passieren, dass man Billie Eilishs "My Future" eher Amy Winehouse zuschreibt, oder Metallicas "Nothing Else Matters" erst am Text oder Gitarrenriff wiedererkennt. Zur CD dazu gibt es ein schwarzhumoriges Musikvideo: Den eigenen Song "Bis in den Tod", eine keck-derbe Nummer mit treibendem, eingängigem Refrain, hat Feinrot verfilmt, komplett in Eigenregie. Wie der Titel des Albums verrät, entstand "Home Office" ausschließlich in der Grafinger Musikwerkstatt und in Zweisamkeit. Fast alles wurde akustisch aufgenommen und von Fritz abgemischt, selbst der vielstimmige Chor in "Died in your Arms tonight" besteht nur aus Weindorfs Stimme. Zum gesanglichen Experimentierfeld geriet übrigens auch "Nothing Else Matters", dessen Vocals dreistimmig durchlaufen und zwischen Haupt- und Nebenstimme wechseln, sodass eine vollendete Polyphonie à la Bach entsteht.

Die mittlerweile vier CDs vertreibt Feinrot ausschließlich selbst, sie wurden noch keinem Radiosender geschickt und sind bei keinem Label erhältlich. Will dieses Duo denn gar nicht überregional bekannt werden? Wie aus einem Mund die Antwort: "Nein, das wäre nichts für uns." Ständig auf Tour zu sein, das kann sich Feinrot nicht vorstellen. Und, noch viel wichtiger: "Es ist ein großes Geschenk, Musik so gestalten zu können, wie uns das gefällt, und keine kommerziellen Kriterien erfüllen zu müssen. Diese Freiheit nehmen wir uns sogar als Dienstleiter auf Festen - und es funktioniert: Wer Feinrot bucht, weiß, dass er kein Cover nah am Original bekommt, aber er weiß auch, dass wir liebevoll arrangieren und die Verantwortung für die musikalische Gestaltung eines Events sehr ernst nehmen." Feinrot live zu sehen, muss allen Berichten nach ein Erlebnis sein. Einzigartig schon allein, wie das Schlagwerk unter den zweien aufgeteilt ist und doch als Einheit groovt.

Neben Festen spielt das Duo auch Konzerte, wenngleich pandemiebedingt derzeit eher seltener. 2021 waren die beiden Grafinger zum Beispiel vor dem Café Mala im Ebersberger Klosterbauhof zu hören. Eine Setliste haben Feinrot zwar stets dabei, aber der Auftritt bleibt - ganz im Geiste des Jazz - spontan: Die Kunst sei eben, das Publikum zu lesen, sagt Weindorf. Immer das passende Stück parat zu haben, das erfordert aber natürlich Gespür, Erfahrung und ein umfangreiches Repertoire. Grinsend erzählt die Sängerin, dass sie auf Hochzeiten bereits mehr als einmal für Gäste gehalten worden seien, weil sie nach den ausführlichen Absprachen zum musikalischen Ablauf so vertraut mit dem Hochzeitspaar schienen.

Bandporträt: "Feinrot" live muss ein Erlebnis sein, schon allein wegen des aufgeteilten, aber zusammen groovenden Drumsets.

"Feinrot" live muss ein Erlebnis sein, schon allein wegen des aufgeteilten, aber zusammen groovenden Drumsets.

(Foto: Feinrot/oh)

Fritz will jenen Unterricht anbieten, den er selbst früher gerne gehabt hätte

Trotz der gerade für freiberufliche Künstler schwierigen Zeit sind Pauline Weindorf und Daniel Fritz zufrieden mit ihrer Situation. Sie haben einen festen Stamm an Schülern und konnten sich so selbst während der Lockdowns über Wasser halten. Sie bezeichnet sich als Pädagogin mit Herzblut, wollte schon immer ihre Begeisterung für Gesang weitergeben. Er rutschte eher ins Lehren hinein, schätzt aber mittlerweile das Eingehen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse seiner jungen wie erwachsenen Schüler sehr. "Wir nennen uns freie Musikwerkstatt, weil uns genau das wichtig ist: eine kreative, musikalische Ausbildung ohne Normen und Vorschriften bei Form oder Inhalt. Ich will den individuellen Musikunterricht anbieten, den ich selbst früher gerne gehabt hätte", so Fritz. Er vermittelt seinen Schülern auch die klassischen Werke, zeigt ihnen aber, was man alles damit anfangen kann - so wird aus einem Bach-Präludium eine Studie, die ebenso für Pop oder Jazz verwendet werden könnte. Außerdem leitet Weindorf einen Laienchor, Fritz wird nach wie vor als Tonmeister angefragt.

Der Spagat zwischen Musikunterricht, Livegeschäft und kreativem, audiovisuellen Schaffen ist für die beiden Grafinger erfüllend - aber freilich aufwendig, so dass für so manches einfach keine Zeit mehr bleibt. Bei der musikalischen Qualität allerdings wollen Pauline Weindorf und Daniel Fritz auf keinen Fall Abstriche machen. Wie schreibt das Duo so schön? "Wir sind jung und brauchen das Niveau."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: