Süddeutsche Zeitung

Fehler der Polizei Vaterstetten:Zu Unrecht verdächtigt

Die Vaterstettener Polizei veröffentlicht offenbar nicht zum ersten Mal ein falsches Fahndungsfoto

Karin Kampwerth

Das möchte sich wohl niemand weiter ausmalen: Morgens zum Frühstück die Zeitung aufzuschlagen, um sich selbst mit Schrecken auf einem Foto zu erkennen - nicht nett beim Eisessen im Sonnenschein, sondern grob gepixelt in einem Raum mit Geldautomat und Kontoauszugsdrucker. So werden in der Regel nur Bankräuber abgebildet - oder aber Ganoven, die versuchen, mit einer geklauten EC-Karte an das Geld des rechtmäßigen Besitzers zu kommen. Genau das ist einer unbescholtenen Vaterstettenerin jetzt passiert.

In der vergangenen Woche fahndete die Polizei mit einem Foto öffentlich nach ihr, weil sie angeblich im vergangenen März einer 88-Jährigen im Supermarkt die Kreditkarte entwendet haben soll. Damit sei sie dann zur Bank gegangen, um Geld vom Automaten abzuheben. Ein schlimmer Verdacht, der sich wohl nicht weniger schlimm als böses Versehen herausstellte, nachdem sich die betroffene Frau umgehend bei der Polizei gemeldet hatte. Denn eigentlich, so die neuerliche Auswertung des Überwachungsvideos, soll ein junger Mann versucht haben, die alte Dame mit deren Karte zu bestehlen.

Ein Panne, wie sie für die Polizei nicht peinlicher sein könnte. "Wir haben schlicht und einfach nicht sorgfältig gearbeitet", bekennt der Leiter der Vaterstettener Polizeistation, Peter Wagner. Das Video sei nicht ordentlich ausgewertet worden. So war übersehen worden, dass sich nicht nur die zu Unrecht beschuldigte Frau in dem Automatenraum aufgehalten habe, sondern gleichzeitig auch ein Mann, nach dem inzwischen gesucht wird. Dieser habe die Karte der bestohlenen 88-Jährigen benutzt, was die Daten des Automaten im Vergleich mit dem Video belegten. Hinweise aus der Bevölkerung, dass das erste Fahndungsfoto die Frau ohnehin nur am Kontoauszugsdrucker zeige, und nicht am Geldautomaten, bestätigt Wagner zwar. Aber darauf sei sie - zum Ungemach der Betroffenen - besser zu erkennen gewesen, als am Automaten.

Wir haben uns natürlich umgehend entschuldigt", sagt Wagner. Wobei er die Vaterstettenerin nicht persönlich habe erreichen können, sondern lediglich deren Anwalt. "Ich weiß nicht, ob sie die Entschuldigung angenommen hat", räumt er ein. Genauso wenig sei klar, ob sich die Frau rechtliche Schritte vorbehalte. Allerdings gibt Wagner die Abwägung der Mittel zu bedenken: "Wir versuchen immerhin, ein Verbrechen aufzuklären." Nicht zuletzt habe die Staatsanwaltschaft der Veröffentlichung des Fotos aus der Überwachungskamera der Bank zugestimmt.

Wenngleich Wagner zu dem Vorfall beteuert: "Das darf nicht passieren", scheint es nicht das erste Mal gewesen zu sein, dass sich die Polizei mit dem Fahndungsfoto vertut. So schreibt ein Baldhamer Leser an die SZ: "Vor einigen Jahren wurde meine Frau in einer ganz ähnlichen Situation aufgrund eines Fotos der Überwachungskamera beschuldigt, unberechtigt Geld aus einem Automaten entnommen zu haben, das eine andere Frau vergessen hatte." Der Verdacht war auf sie gefallen, weil sie kurze Zeit später mit ihrer eigenen EC-Karte Geld am Automaten abgehoben hatte.

Das Foto, das ihr zum Beweis dann vorgelegt worden sei, habe jedoch eine wesentlich jüngere Frau mit einer anderen Haarfarbe und einer anderen Frisur gezeigt. Noch heute schüttelt der Baldhamer den Kopf über die darauffolgende Reaktion der Polizisten. "Dann war es eben Ihre Tochter, die sich Ihrer EC-Karte bemächtigt hat", habe es geheißen. Dabei habe sich die Tochter zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt nicht in Baldham aufgehalten. "Ein unglaublicher Vorfall", wie sich der Mann noch heute entrüstet. Peter Wagner kann sich an den Vorfall allerdings nicht erinnern: "In den zwei Jahren, seitdem ich hier bin, ist so etwas noch nicht passiert."

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Quelle:
SZ vom 04.08.2012
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