Fasching:Wie mir meine heiß geliebte Krawatte zerschnitten wurde

Mohamad Alkhalaf auf dem Fasching in Grafing.

In ungewohnter Gesellschaft zum Fasching 2017 in Grafing unterwegs: Mohamad Alkhalaf inmitten seiner Freunde, der Schlümpfe.

(Foto: privat)

Unser syrischer Autor wundert sich über die Faschingsbräuche in Grafing und Kirchseeon. Eine wichtige Lektion hat er bereits gelernt.

Faschingsreport von Mohamad (Alkh)Alaaf, Kirchseeon/Grafing

Als ich vor einigen Tagen von Kirchseeon in die S-Bahn nach München stieg, kamen mir im Abteil sonderbare Tiere entgegen. Besser gesagt, Menschen, die sich als Tiere verkleideten, und zum Teil auch so verhielten: Tiger, Löwen, Hasen, Kängurus und Katzen. Einige von ihnen jagten mir einen großen Schrecken ein. Sie grölten so laut, dass man denken musste, sie seien aus dem Tierpark Hellabrunn ausgebrochen. Dann schickte mir eine Freundin aus dem Helferkreis ein Foto, auf dem sie eine schreckliche Wunde auf der Wange hatte. Nichts wie weg hier, dachte ich erst mal und fuhr wieder zurück nach Hause. Ich war in großer Sorge und fragte mich: Was ist da passiert?

Als ich abends im Bett lag, kamen mir Zweifel, ob meine Flucht vielleicht etwas überstürzt war. Normalerweise frisst der Tiger den Hasen, hier waren aber alle friedlich - laut, aber friedlich. Am nächsten Morgen war ich in Kirchseeon auf dem Markt, um Einkäufe zu machen. Ich traf dort eine Schülerin und erzählte von der großen Wunde. Da fing die Schülerin an zu lachen.

Mittlerweile weiß ich: Die Wunde und die Tiger am Bahnhof waren Faschingsscherze. Also alles halb so wild, dachte ich. Der Fasching hat aber noch ganz andere Tücken zu bieten.

Am nächsten Tag hatte ich ein Interview mit dem arabischen Fernsehen und kleidete mich deshalb mit Anzug und Krawatte. Vorher schaute ich noch bei einem Kirchseeoner Supermarkt vorbei, ich wollte noch etwas einkaufen. Die Frau im Geschäft kennt mich schon, sie begrüßte mich mit einem Lächeln und fragte mich, ob ich einen Augenblick Zeit hätte. Dann holte sie eine Schere aus ihrer Tasche, nahm meine Krawatte und schnitt sie einfach ab. Ich habe das nicht verstanden und gedacht, ob sie vielleicht betrunken ist. Erst nach der Tat habe ich erfahren, dass es sich beim Krawatten-Kürzen um einen Brauch handelt, den man an Fasching auch nüchtern praktiziert.

Fürs Interview versteckte ich meine zerschnittene Krawatte vor der Kamera

Beim Interview musste ich dann mit verschränkten Armen meine durchgeschnittene Krawatte vor der Kamera verstecken. Der Reporter in Dubai war verwundert über mein seltsames Verhalten. Es ist sehr kalt in Deutschland, war darauf meine Erklärung. Leider war meine Krawatte ein für mich sehr wertvolles Geschenk aus Marokko. Ich rate allen, an Fasching nur mit einer billigen Krawatte auf die Straße zu gehen.

Als Wiedergutmachung wurde ich von ihr nach Grafing zum Unsinnigen Donnerstag eingeladen. Der Marktplatz dort war überfüllt mit bunten Masken. Eine Frau umarmte mich plötzlich ganz herzlich und sprach mich mit meinem Namen an. Erst an ihrer Stimme habe ich sie erkannt. In Rakka habe ich mich auch manchmal verkleidet - mit einer Burka, um unerkannt zu bleiben. So konnte ich mit meiner Freundin dort ein Lokal besuchen, ohne dass es für sie oder mich Probleme gibt. Vor der Heirat, so die Regel, dürfen Männer und Frauen in Syrien nicht zusammen gesehen werden.

Auf dem Faschingsfest in Grafing ging es hingegen freizügig zu, ich war umringt von blauen Zwergen mit weißen Mützen, und selbst die Krapfen trugen eine Maske. Zuerst fragte ich mich, warum die Leute für all das so viel Geld ausgeben. Aber als ich sah, wie glücklich und lustig sie waren, da dachte ich: Basst scho.

Am Faschingssonntag half ich, einen Kinderfasching vorzubereiten. Ein Farbkünstler verwandelte Kinder in Vampire, Clowns und Fliegenpilze. In meiner früheren Heimatstadt Rakka habe ich auf einem Kinderfest auch Gesichter bemalt und Fotos gemacht, als plötzlich Bomben fielen und dem Fest ein schreckliches Ende setzten. Eine Mutter, die ihr Kind unter den vielen Opfern suchte, konnte es nur noch an den Socken erkennen, die aus den Trümmern herausschauten. Ein Glück, es lebte. Hier in Bayern ist die Gesundheit zu solchen Anlässen kaum in Gefahr. Zumindest, solange es man am Getränkestand nicht übertreibt.

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