Autofahren:"90 Prozent der Schüler mögen den Online-Unterricht lieber"

Autofahren: Werner Schmidt, 35, ist seit zehn Jahren Fahrlehrer. Er betreibt Fahrschulen in Ebersberg, Poing und Forsting.

Werner Schmidt, 35, ist seit zehn Jahren Fahrlehrer. Er betreibt Fahrschulen in Ebersberg, Poing und Forsting.

(Foto: Christian Endt)

Seit April müssen Fahrschulen die Theorie-Stunden wieder in Präsenz ausrichten. Das Thema ist in der Szene umstritten. Fahrlehrer Werner Schmidt aus Forstinning findet, dass die neue Corona-Regeländerung seiner Branche schadet.

Interview von Korbinian Eisenberger, Forstinning

Es ist die umstrittene Frage der Branche: Sollen Fahrschulen auch künftig online unterrichten dürfen? Bayern sagt: nein. Seit April müssen Lehrer und Schüler im Freistaat wieder in der Fahrschule zusammenkommen - eine Regeländerung im Zuge der Corona-Lockerungen. Der Forstinninger Fahrlehrer Werner Schmidt meldet sich deswegen telefonisch. Das Ganze sei für ihn "ein ganz schöner Unsinn", sagt er. Im Gespräch erzählt der 35-Jährige, wieso er das so sieht, was einen guten Fahrschullehrer ausmacht - und warum autonomes Fahren ihn nicht schreckt.

SZ: Herr Schmidt, was stört sie an der neu geltenden Präsenzpflicht?

Werner Schmidt: Am wichtigsten ist doch die Gesundheit. Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, 20 Leute ohne Maske in einen Fahrschulraum zu stecken.

Wie groß ist ihr Fahrschulraum?

Zwischen 50 und 60 Quadratmeter. Der Unterricht findet einmal im Monat blockweise an sieben Werktagen in Folge statt. Da werden alle Schüler gesammelt unterrichtet. Zuletzt online. Und jetzt eben wieder in dem kleinen Raum.

Kritiker von Online-Unterricht an Fahrschulen monieren, es seien nicht überall die technischen Voraussetzungen dafür gegeben. Die Kontrolle der Schüler sei schwieriger, die Sozialkompetenz könne nicht so geschult werden wie im Präsenzunterricht.

Wir haben in der Corona-Hochzeit für mehrere tausend Euro Equipment angeschafft. Eine professionelle Kamera, schnelle PCs und hoch auflösende Bildschirme. Wir hatten Schüler, die waren auf einer Skihütte in den Bergen und haben wunderbar mitarbeiten können. Die Kontrolle ist einfach. Vor Beginn prüft der Fahrlehrer in einem separaten Call Ausweis und Personalien des Schülers. Während des Unterrichts sieht der Fahrlehrer alle seine Schüler. Wenn einer längere Zeit nicht aktiv ist, versucht ein zweiter Mitarbeiter, die Person zu erreichen, im privaten Chat oder per Telefon. Wenn dann keine Reaktion kommt, wird die Unterrichtsstunde des Schülers nicht gewertet. Dies kam allerdings noch nicht vor. Die Sozialkompetenz erreichen wir mit Plakaten, Spielen oder Gruppenarbeiten. All dies ist sowohl in Präsenz als auch im digitalen Unterricht möglich.

Wie ist die Stimmungslage bei Ihren Schülern ?

Zehn Prozent mögen Präsenzunterricht lieber, weil sie den Eindruck haben, dass sie so mehr mitbekommen. Meistens sind das Personen, die den Lkw-Schein machen, oder Erweiterungen bei Pkw oder Motorrad. Es sind meist Personen, die es nicht so gewohnt sind, am Computer zu sitzen. 90 Prozent der Schüler mögen den Online-Unterricht lieber weil sie dadurch flexibler sind. Die sehen, dass er qualitativ gleichwertig mit Präsenzunterricht ist. Wir verlieren jetzt Schüler, die sich in anderen Bundesländern anmelden, etwa in Baden-Württemberg, wo Online noch erlaubt ist.

Ein Expertenrat, der nach eigenen Angaben rund 80 Prozent der Fahrschulen in Deutschland repräsentiert, mahnt, die Abschaffung des Präsenzunterrichtes würde "der Qualität der Fahrausbildung sowie der Verkehrssicherheit massiv schaden".

Unser eigener Fahrlehrerverband ist gegen den Onlineunterricht, der hat das der Politik offenbar überzeugend vermittelt. In den Fahrschulen sind aber sehr viele anderer Meinung.

Gibt es Qualitätsnachweise?

Die Bestehens-Quote in der Theorieprüfung. Wir sind aktuell bei 80 bis 85 Prozent, vor der Pandemie waren wir bei 80 Prozent.

Die Verbindung wird unterbrochen. Jemand spricht: "Rechtes Bein auf die Bremse, wir müssen ja wieder nach Markt Schwaben." Man hört den Blinker ticken. Nach einigen Sekunden ist Werner Schmidt wieder dran.

Waren wir da gerade im Fahrschulauto?

Da ist jetzt der Kollege vorbeigefahren und das Bluetooth im Fahrschulauto hat sich wohl mit meinem Handy verbunden.

Klang nicht unnett, der Kollege. Was macht einen guten Fahrschullehrer aus?

Das wichtigste ist Empathie. Ein Gefühl für den Schüler kriegen. Wie ist seine Tagesform, wie aufnahmefähig ist er. Manchmal geht es schneller, wenn man einen Schritt zurück geht.

Zum Beispiel?

Wenn man beim rückwärts um die Ecke fahren merkt, dass der Schüler noch stark mit der Motorik vom Lenken beschäftigt ist, dann hilft es meist nicht, auf Biegen und Brechen die Übung durchzusetzen. Besser ist, an der Motorik zu arbeiten.

Wie gelingt es, dass man bei den wiederkehrenden Abläufen nicht genervt wird?

Erlaubt sind maximal 495 Minuten praktische Ausbildung am Tag, das sind elf mal 45 Minuten. Ein Problem ist, dass sehr viele Fahrlehrer das sechs Tage die Woche durchziehen. Aus meiner Sicht sind acht Fahrstunden am Tag das maximal vertretbare.

Sie haben ja auch schon als Wirt gearbeitet. Gibt es Parallelen zum Fahrlehrergeschäft?

Da gibt's einen Spruch: Wer nichts wird, wird Wirt, und wer nicht Wirt wird, wird Fahrlehrer. Im Ernst: In der Gastro muss man sich auch sehr auf seine Kunden einstellen, ähnlich wie in der Fahrstunde. Unterschied: Zum Wirt kommen so gut wie alle freiwillig. Die Fahrschule ist für manche auch Pflichtprogramm - das ist von der Motivation nicht immer so einfach.

Sehen Sie autonomes Fahren als Bedrohung für Ihre Branche?

Der Fahrlehrer wird weiter gebraucht werden, seine Tätigkeit wird sich verändern. Wir werden immer mehr zum Technik-Erklärer. Navi, Tempomat und Co. Das muss ja auch erstmal vermittelt werden. Ich bezweifle, dass man auf uns Fahrlehrer komplett verzichten können wird.

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