Süddeutsche Zeitung

Fachgespräch:Bahnstrecke nur mit Bürgerbeteiligung

SPD-Bundestagsabgeordneter Ewald Schurer fordert, dass mit den Planungen für den Brenner-Zulauf begonnen wird.

Von Michael Haas

Seit Jahrzehnten laufen die Planungen für den Brennerbasistunnel. Der Bau gilt als eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte Europas, mehrere hundert Güterzüge sollen nach derzeitigen Planungen von 2027 an täglich durch den rund 60 Kilometer langen Tunnel zwischen Italien und Nordeuropa fahren - mindestens 200 Züge mehr als bisher. Dafür ist auch ein Ausbau der Zulaufstrecken in Deutschland und Österreich nötig. Doch während die Bauarbeiten in Österreich bereits abgeschlossen sind, ist in Deutschland bislang wenig geschehen. "Wir brauchen endlich eine vernünftige Planung", fordert der Ebersberger SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer. Bei einem Fachgespräch in Grafing betonte er, eine sinnvolle Umsetzung des Baus sei nur durch intensive und frühzeitige Einbindung der Bürger möglich. Denn, so Schurer, dem Landkreis Ebersberg stehe die größte eisenbahntechnische Veränderung seit über hundert Jahren bevor.

Ein Ausbau der Zulaufstrecken zum Brenner führt nämlich wohl hauptsächlich über München, Grafing Bahnhof und Rosenheim. Schon heute ist auf der Strecke im Schnitt alle fünf bis sieben Minuten ein Zug unterwegs. In Zukunft werde diese Zahl deutlich ansteigen, sagte Schurer. Wie die Kapazitäten dafür entstehen sollen, ist bislang unklar. An den Gleisen im Landkreis gibt es kaum Erweiterungsmöglichkeiten, zu nah sind die Gemeinden herangewachsen. Immer wieder wird eine Tunnellösung quer durch den Landkreis nach München diskutiert, um das Platzproblem zu lösen und den Anwohner eine zusätzliche Lärmbelastung zu ersparen. Eine solche Lösung hatte in Österreich Zustimmung bei Anwohnern und Bahn gefunden. "Umwelt- und Lärmschutz darf bei den Planungen keine Nebenfunktion haben", forderte Schurer. "Eine Billiglösung wird es deshalb nicht geben." Er drängte die Deutsche Bahn und die Bundesregierung zum Handeln: "Dieses Thema wurde in Deutschland lange Zeit nicht so richtig ernst genommen. Aber es gibt keinen Zweifel: Der Brennerbasistunnel wird gebaut werden."

Rainer Kurzmeier vom Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte das Projekt. "Alpenquerungen werden zurzeit eigentlich überall gebaut, der Brennerbasistunnel kommt zu spät", sagt er. Der Tunnel werde nie die Bedeutung erlangen, die ihm derzeit zugeschrieben werde, da auch in der Schweiz bereits zahlreiche Eisenbahn-Tunnel nach Italien gebohrt würden. Schurer widersprach und lobte den Brennerbasistunnel als "ökologisch einzig sinnvolle Alternative zur Brennerautobahn". Er erwarte, dass europarechtlich künftig mehr getan werde, um den Güterverkehr stärker auf die Schienen zu verlegen und so Waren energieeffizienter zu transportieren.

Ende 2015 wird die Bundesregierung in einem neuen Bundesverkehrswegeplan Ziele für die Weiterentwicklung der Infrastruktur festhalten. Dort werden auch die Zulaufstrecken zum Brennerbasistunnel als Investitionen aufgenommen werden - vorausgesetzt es existiere bis dahin eine "qualifizierte Grundlagenplanung", sagte Schurer. Dass an der auch die Gemeinden und Bürger im Landkreis Interesse haben, zeigte die hohe Beteiligung beim Fachgespräch. Mehr als 60 Besucher waren nach Grafing gekommen, darunter auch die Bürgermeister mehrerer Anlieger-Gemeinden. Er wolle keine Ängste schüren, sondern Gelegenheit bieten, sich frühzeitig zu informieren, sagte Schurer. Für 2014 forderte er die Einrichtung einer Internetseite, auf der alle Bürger den Planungsverlauf für die Zulaufstrecken permanent nachvollziehen könnten. Ein solches Modell hatte in Österreich großen Erfolg. Auch sonst sieht Schurer im Nachbarland ein Vorbild: "Die Österreicher mit ihren hohen Standards bieten sich mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung geradezu an, die Bahn bei der Umsetzung zu beraten." Eines sei als Signal wichtig: "Ihr könnt bauen - aber zu unseren Bedingungen".

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Quelle:
SZ vom 07.12.2013
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