Exil in Oberbayern:Ein König ohne Schloss

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König Jules Kangni Kossigan Samlan, Bé-Kpehenon der Zweite, mit einem seiner Gemälde. (Foto: Jan Linkersdörfer)

Aus seiner Heimat Togo musste Stammeskönig Jules Samlan ins Exil fliehen. Heute wohnt der 50-Jährige im oberbayerischen Herrmannsdorf, arbeitet in einem Wirtshaus - und kämpft noch immer gegen Präsidenten Eyadéma. Seine Waffen? Die Kunst und ein Telefon.

Von Jan Linkersdörfer, Glonn

In längst vergangenen Zeiten gehörte es zur Pflicht eines jeden Untertanen, vor seinem König auf die Knie zu fallen. Wer seinem Herrscher den nötigen Respekt verweigerte, besiegelte so womöglich sein Todesurteil. Heute muss sich eigentlich niemand mehr in dieser Art vor einem Würdenträger erniedrigen. Und doch passiert es Manuela Samlan aus Herrmannsdorf hin und wieder, dass sich Männer und Frauen vor ihr auf die Knie werfen, das Gesicht und die Unterarme auf den Boden legen und auf ihr Zeichen warten, dass sie wieder aufstehen dürfen. "Das ist mir schon peinlich, vor allem wenn es im Supermarkt passiert und ich stehe da mit meinen Plastiktüten", sagt die 59-Jährige. Doch so gehört sich das eben für eine angeheiratete, togolesische Königin.

Manuela ist verheiratet mit Jules Samlan, einem König im Exil. Vor mehr als 17 Jahren wurden die beiden ein Paar. Damals wusste Manuela jedoch nichts von der königlichen Herkunft ihres Mannes. Jules Samlan wuchs als Sohn eines Stammeskönigs in Vogan auf, einem kleinen Dorf in der Nähe der togolesischen Hauptstadt Lomé. Als sein Vater 2009 verstarb, lag es an ihm, die Regentschaft über das Volk mit etwa 40 000 Untertanen zu übernehmen, von denen einige auch in München leben.

Kunst als Waffe gegen Präsident Eyadéma

Jules Samlan war 1996 aus Togo geflohen. Er studierte an der Kunstakademie in Lomé, seine Leidenschaft ist die Acrylmalerei. Die Kunst setzte er als Waffe im Kampf gegen Präsident Eyadéma ein. Eyadéma, ein alter Freund von Franz Joseph Strauß, versuchte damals die Macht der Stammeskönige zu beschneiden, jede Opposition wurde durch seine Anhänger brutal unterdrückt. "Ich habe in meinen Gemälden die Grausamkeiten von Regierungssoldaten verarbeitet", erzählt Samlan heute.

In der Wohnung von Jules Samlan hängen viele seiner Gemälde. Auf dem linken Bild ist sein Vater zu sehen. (Foto: Linkersdörfer)

Bei einer seiner Ausstellungen in Togo vertauschte Samlan im letzten Moment vor der Eröffnung seine Gemälde mit regierungskritischen Kunstwerken. Durch seine politischen Aktionen machte er sich mächtige Feinde und wurde verhaftet. Drei Jahre lang saß er im Gefängnis. Fliehen konnte er nur dank der Hilfe eines Wächters, der mit der Familie seines Vaters befreundet war. "Bekannte haben mir dann falsche Papiere besorgt, ein Flugticket gekauft und mich so nach Deutschland gebracht", sagt Samlan.

Ein König als Küchenhilfe

In einer Flüchtlingsunterkunft in München lernte er seine heutige Frau kennen. Manuela Samlan, eine gebürtige Berlinerin, setzte sich für die Flüchtlinge dort ein. Heute leben die beiden auf dem Gutshof Herrmannsdorf bei Glonn. Hier arbeitet König Jules Samlan im Wirtshaus Schweinsbräu als Küchenhilfe - seit mehr als 15 Jahren. Nebenbei widmet er sich weiterhin der Kunst. "In meinen Werken möchte ich zeigen, dass unsere Kulturen in Togo und Deutschland gar nicht so unterschiedlich sind", sagt der 50-Jährige. "Zum Beispiel beim Federschmuck. Sowohl in Bayern als auch in Togo gilt: Je größer die Federn, umso wichtiger die Person."

Zurück nach Togo könne er nicht, sagt Samlan: "Es kann mir viel passieren. Ich weiß nicht, was mich da erwartet." Dennoch nimmt er seine Pflichten als König wahr. Wenn seine Untertanen in Togo Streit haben, versucht er am Telefon zu schlichten und einen Kompromiss zu finden. Auch zur Opposition pflegt er nach wie vor enge Kontakte. "Wenn auf einer Demonstration ein Mitglied der Opposition verletzt wird und ins Krankenhaus muss, dann kommt er da nicht mehr lebend raus", sagt Jules Samlan. Er rettet dann diesen Menschen das Leben, indem er das nötige Geld schickt, um sie in einem der Nachbarländer behandlen zu lassen.

Auch sonst versuchen König und Königin ihr Volk zu unterstützen, wo sie nur können. Gemeinsam mit seiner Frau gründete Jules Samlan die Hilfsorganisation "Le courage du Togo". "Wir sammeln Nahrungsmittel, medizinische Ausrüstung und Hygieneartikel", erklärt er. Auch die Erlöse aus dem Verkauf seiner Kunstwerke fließen in die Hilfsorganisation ein.

Einmal im Jahr fliegt Manuela Samlan in ihr Königreich Vogan, um nach dem Rechten zu sehen. Seit ihrer Krönung 2009 wird sie dort als Oberhaupt respektiert. "Mein Mann darf ja nicht nach Togo einreisen, deswegen bin ich alleine zu der Zeremonie geflogen", erzählt sie. Ihr Mann war trotzdem dort - zumindest symbolisch in Form einer Strohpuppe. "In Afrika ist es nicht wichtig, dass der Körper dort ist. Was zählt, ist der Geist", erklärt Manuela Samlan. Drei Tage lang durfte sie vor ihren Stammesmitgliedern weder essen, noch trinken oder lachen. Erst dann hatte die Berlinerin sich den königlichen Respekt verdient.

Am Dienstag, 3. März, berichten Jules und Manuela Samlan beim Frauenfrühstück in Glonn über ihre Hilfsprojekte. Beginn ist um 10 Uhr im Katholischen Pfarrheim.

© SZ vom 26.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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