Erding:Zu wenig Platz und Personal

Frauenhaus Grafitto

In der Stadt Dachau entstand bereits im April dieses auf den 25. November hinweisende Graffito.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das vom Landkreis Ebersberg mitfinanzierte Frauenhaus in Erding muss jedes Jahr viele Absagen erteilen. Dabei steigt die Nachfrage stetig

Von Regina Bluhme, Erding

An diesem Freitag ist Angela Rupp wieder mit Infomaterial unterwegs. Die mit Prospekten und einer stärkenden Breze gefüllten Tüten verteilt sie in Erding und Dorfen - wie immer am 25. November. Die Leiterin des Frauenhauses im Landkreis Erding trifft dabei fast jedes Jahr auf eine Passantin, die ihr ihre Notsituation offenbart, wie sie sagt. Derzeit wohnen in der Unterkunft vier Frauen und sechs Kinder. Seit Jahren fehlt es an Platz und an Personal.

In Bayern gibt es zu wenige Frauenhäuser, zu wenig Personal und zu wenig Unterstützung für die Kinder, die ihre Mütter in die Unterkünfte begleiten. So lautet das Fazit einer Studie der Universität Erlangen, die im Auftrag des bayerischen Sozialministeriums erstellt und heuer veröffentlicht worden ist. "Das alles trifft auch auf uns zu", sagt Angela Rupp. Sie hofft nun, dass sich im Ministerium "etwas in Bewegung setzt." Ein gesamtbayerisches Konzept sei dringend nötig, betont die Sozialpädagogin.

Träger des Frauenhauses Erding ist der Sozialdienst Katholischer Frauen München. Die Finanzierung der Einrichtung übernimmt hauptsächlich der Landkreis Erding. Zwischen den Landkreisen Freising, Erding und Ebersberg gab es bislang die Vereinbarung, die Defizite der beiden Frauenhäuser in den Landkreisen Erding und Freising gemeinsam zu tragen. 2016 belief sich das Defizit für das Erdinger Frauenhaus auf etwa 155 575 Euro, teilt Claudia Fiebrandt-Kirmeyer, Pressesprecherin des Landratsamts Erding, mit. Ende 2017 beendet nun der Landkreis Freising die Erstattungen für das Erdinger Haus. Im Landratsamt habe man "die Entscheidung zur Kenntnis genommen", schreibt Fiebrandt-Kirmeyer. Zu Beginn des nächsten Jahres würden "entsprechende Gespräche" geführt. Aktuell wohnen in der Unterkunft vier Frauen und sechs Kinder. Wie schon seit Jahren musste Rupp auch heuer viele Absagen erteilen. Die Zahlen für dieses Jahr liegen noch nicht vor.

2015 zum Beispiel hat das Haus 200 Anfragen erhalten, 130 davon mussten abgewiesen werden. Ein Grund sei die Überbelegung, des Hauses, erklärt Rupp. Es gebe aber auch noch eine Reihe anderer Gründe für eine Absage, fügt sie hinzu. Aufgenommen würden grundsätzlich nur Frauen, die häusliche Gewalt erlitten haben. Zugenommen hätten Anfragen von Frauen, denen Wohnungslosigkeit drohe. Dazu kämen Frauen, die ein Suchtproblem oder ein psychisches Problem hätten. Außerdem hätten Beratungsstellen auch EU-Bürgerinnen, die keine Wohnung finden, an uns verwiesen. Diese Frauen seien alle in einer Notlage, "aber sie haben keinen Anspruch auf einen Platz im Frauenhaus."

Die hohen Mieten im Landkreis sorgten dafür, dass die Frauen im Durchschnitt bis zu 100 Tage in der Unterkunft wohnen, berichtet Angela Rupp. Eine kostengünstige Wohnung zu finden, sei extrem schwer. Rupp kann sich noch gut an die Bemühungen einer Schwarzafrikanerin mit Kind erinnern. Obwohl die Frau eine Arbeitsstelle gehabt habe, hätte es Absagen gehagelt. "Es hat ein Jahr gedauert, bis sie eine bezahlbare Wohnung gefunden hatte." Manchmal bleibe dann nichts anderes übrig, als sich nach einer Obdachlosenunterkunft umzuschauen, "aber das bietet ja auch nicht jede Gemeinde an." Es könne auch passieren, "dass Frauen auf einmal verschwinden und jeden Kontakt abbrechen." Wo diese dann landeten, könne sie nicht sagen. Es gebe auch immer wieder Frauen, die zu den Männern zurückkehrten, andere rutschten tatsächlich in die Obdachlosigkeit ab.

Der mangelnde Platz und die hohe Verweildauer sind das eine, die Betreuung der Kinder im Haus das andere. Sozialpädagogin Angela Rupp teilt sich eineinhalb Stellen mit einer Kollegin, eine halbe Stelle bleibt für die Erzieherin. Dazu kommen noch ehrenamtliche Helfer. Eine zusätzliche halbe Erzieherstelle, das würde helfe, betont Rupp. Denn die Kinder seien wie die Mütter gezeichnet von dem, was sie im Elternhaus erleben mussten und bräuchten intensive Betreuung.

"Im Moment ist es so, dass wir null Reserven haben. Krank werden darf niemand", sagt Rupp. Neben der Hausleitung ist sie unter anderem auch noch für Verhandlungen mit Ämtern zuständig. Oder sie verteilt am 25. November Infomaterial an Frauen, klärt sie über ihre Rechte und über diverse Hilfsangebote auf. Manche Passantin reagiere ablehnend, berichtet Angela Rupp. Viele sagten jedoch, sie würden eine Betroffene im Bekanntenkreis haben. "Und regelmäßig outen sich Frauen und fragen, ob sie ins Frauenhaus kommen können."

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