Grünen-Kandidat:30-Jähriger könnte dritter Ebersberger Abgeordneter im Landtag werden

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Wenn es nach Thomas von Sarnowski geht, kommt man irgendwann mit Fahrrad oder E-Bike genauso schnell nach München wie mit dem Auto. (Foto: Christian Endt)

Den Windkraftausbau nennt er ein Trauerspiel, das Integrationsgesetz will er abschaffen: Thomas von Sarnowski kandidiert für die Grünen - so stehen seine Chancen.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Anfang August war es, als Thomas von Sarnowski auf seiner Facebook-Seite Schlagzeilen aus Zeitungen und Magazinen der vergangenen drei Jahre postete, in denen vom Untergang der Grünen die Rede war. Sie seien "aus der Zeit gefallen" hieß es im Juli 2017 in der Welt, warum das "Zeitalter der Grünen vorbei ist", versprach das Magazin Cicero aufzuklären.

Und nun? Im August hatten die bayerischen Grünen in der Prognose für die Landtagswahl die 16-Prozentmarke überschritten, nun nähern sie sich den Spitzenwerten, die sie kurz nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 hatten.

Dass es diesmal vor allem der heiße Sommer und der sich manifestierende Klimawandel sind, welche die Zahlen für die Grünen nach oben treiben, will der Direktkandidat für den Landkreis Ebersberg nicht gelten lassen. Eher treffe man "die richtige Tonalität (...) zur richtigen Zeit."

Und da schaut er ebenso auf traditionelle CSU-Wähler, die für das Grünen-Volksbegehren gegen Flächenfraß unterschrieben haben und sich mit den rechtspopulistischen Tönen der C-Partei nicht mehr identifizieren können, wie auf Teile des FDP-Klientels, das sich in der Ablehnung des neuen Polizeiaufgabengesetzes oder der Kritik am zögerlichen Fortschreiten der Digitalisierung mit den Grünen in einem Boot fänden.

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Als wir den 30-Jährigen Mitte August in einem Baldhamer Café treffen, ist er mit allem ausgerüstet, was ein passionierter Radler so braucht - Regenjacke, Kapuze, Rucksacküberzug. Schimpfend kommt er aus der Bahnunterführung. Wütend ist er aber nicht über den Platzregen, der in diesem Moment niedergeht, wütend ist er auf die Sicherheitsleute der Bahn, die ihm und seinem Fahrrad den Zutritt in den Zug verwehrt haben, weil schon ein anderes Rad im Abteil stand.

Für den jungen Politiker wieder mal ein Beweis dafür, dass man es als Radfahrer im Großraum München nicht leicht hat. Selbstredend, dass der Radverkehr für ihn, der sich nur ein Auto ausleiht, wenn er wirklich eins braucht, oben auf der Agenda steht: Der Ausbau von Wegen, die eine schnelle, sichere und im besten Fall abgasfreie Fahrt mit Rad oder E-Bike ermöglichen.

Weitere Ideen: mehr Förderung von Lastenfahrrädern, wie es sie in der Stadt München schon gibt. "Das könnte man als bayernweites Projekt machen", sagt er. Und mit extra Pendlerspuren für Busse oder Fahrzeuge mit mehreren Personen könnte man die "ineffiziente Nutzung der Straßen" verbessen.

Auch wenn er selbst auf das Auto verzichte, sei ihm bewusst, dass das nicht jeder könne. "Unser Anspruch muss ja sein, auch für abgehängte ländliche Gegenden zu sorgen." Bezogen auf Ebersberg und die Region München heiße das viergleisiger Ausbau nach Markt Schwaben, die Elektrifizierung der Bahnlinie nach Wasserburg, die Schaffung von Tangentialverbindungen. "Alles sinnvoller als der Bau der zweiten Stammstrecke."

Sein Credo: Die Politik muss mehr tun für ein ökologisches Leben

Eine dezidierte Meinung hat er auch zum Widerstand gegen Windräder im Ebersberger Forst. Einen Flächenverbrauch von 0,2 bis 0,4 Hektar könne man dort in Kauf nehmen, wenn man die Klimaziele erreichen wolle. Mit der großen Koalition trete die Klimapolitik aber auf der Stelle. Allein der Windkraftausbau in Bayern sei ein Trauerspiel.

Abgesehen von der "Wahnsinns-Pionierleistung" von Alxing stünden weniger als ein Dutzend Windräder südlich von München. Sarnowskis Credo: Die Politik muss viel mehr tun, um es den Menschen leichter zu machen, ökologisch zu leben, Stichwort Dieselskandal oder Energiebesteuerung. "Wenn der Flug nach Barcelona billiger ist als der Zug nach Wien, fliege ich natürlich nach Barcelona."

Dass Sarnowski in größeren politischen Maßstäben denkt, macht er immer wieder klar, er will an den großen Stellschrauben drehen - auch wenn er im Landkreis nicht nur seine familiären, sondern auch seine politischen Wurzeln hat. Was sich kaum voneinander trennen lässt. Er komme "aus einem grünen Haushalt, erzählt er.

"Meine Mutter fährt das ganze Jahr über mit dem Fahrrad, auch im Winter." Das Engagement für humanitäre Projekte oder zuletzt für einen syrischen Flüchtling gehört ebenso seiner Familiengeschichte. Er selbst habe mit zehn Jahren angefangen Zeitung zu lesen, "als Kohl abgewählt worden ist". Dann aber "hat sich in Bayern nichts getan", die CSU ist am Ruder geblieben, "und diese Arroganz der Macht, das hat mich gestört".

"So viel Natur verschwindet einfach für nichts"

Was ihn auch gestört hat, war die Ebersberger Südumgehung. "Die ging genau über meinen Schulweg und mitten durchs Laufinger Moos." Als sie gebaut war, sei mehr Verkehr dort draußen gewesen, aber am Marienplatz in der Stadtmitte habe sich auch nichts zum Besseren gewandelt. "Ich dachte mir, da verschwindet so viel Natur einfach für nichts." So habe er beschlossen, sich zu engagieren.

Er wurde mit 15 Jahren Mitglied der Grünen, gründete mit Freunden die Grüne Jugend Ebersberg-Grafing, drückte entsetzten Bürgern scheinbaren Atommüll in die Hand. 2008 wurde er Sprecher des Grünen-Kreisverbands. Sarnowski studierte Internationale Politische Ökonomie in England, Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Uni Konstanz. 2016 übernahm er für 15 Monate die Büroleitung der Grünen Landtagsvizepräsidentin Ulrike Grote, wurde diesen Januar wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek und ist seit April 2016 Geschäftsführer des Grünen-Bezirksverbands Oberbayern.

Auf Platz 20 der Grünen-Liste würde er es nach derzeitigen Prognosen wohl in den Landtag schaffen - und denkt natürlich über eine Koalition mit der CSU nach. Wobei er sich an die offizielle Sprachregelung hält, "über eine ökologische und gerechte Politik" könne man mit den Grünen reden. "Ein "Ja" aber wäre zu hoch gegriffen", setzt er hinzu, zumal er nicht lange suchen muss, um Punkte zu finden, die nicht für eine solche Koalition sprechen: Polizeiaufgabengesetz, 10-H-Regel, Flüchtlingspolitik. "Das Gesetz, das sich Integrationsgesetz nennt, trieft nur so von Leitkultur und von Generalverdacht. Es gehört abgeschafft."

Eine schwarz-grüne Zusammenarbeit wäre also sicher kein Spaß, aber eine Option, die angesichts der Prognosen als eine der wenigen möglichen gelten muss: "16 Prozent", sagt Sarnowski mit feinem Lächeln. "Wie die Wege so gehen."

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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