Energiewende:Nur ein paar Klicks

Sepp Biesenberger gehört zu den Grafinger Energiewende-Missionaren. Für die VHS erklärt er, warum sich selbst erzeugter Strom inzwischen locker rechnet - und wo Interessierte unkompliziert Planungsinformationen erhalten

Von Thorsten Rienth, Grafing

Der Mann will es einfach nicht begreifen. Läuft ein paar Meter vor, wedelt mit den Händen, geht wieder zurück. Alle zwei, drei Schritte zappt Sepp Biesenberger die Präsentation auf der Leinwand weiter. Ein Diagramm nach dem anderen, bunte Linien, die meistens von links unten nach rechts oben gehen. Sie stehen für Temperaturentwicklungen, CO2-Konzentrationen oder den Anteil der nicht mehr von Eis bedeckten Meeresoberfläche. "Es ist ja nicht so, dass die Situation einfach nur schlecht ist", sagt Biesenberger. "Sie ist verdammt übel! Noch übler ist eigentlich nur: Wir wissen das ganz genau, aber bekommen den Hintern nicht hoch, uns von den fossilen Brennstoffen zu verabschieden."

Es sind auch solche Zuspitzungen, warum die Volkshochschule den Grafinger Grünen-Stadtrat am Montagabend in den Rathaus-Sitzungssaal eingeladen hatte. Damit jemand den globalen Klimawandel herunterbreche auf die lokale Ebene - und ein paar Optionen aufzeige, mit welchen kleinen Schritten die bunten Linien weniger steil nach oben steigen würden.

In Grafing machte sich Biesenberger als Mitbegründer der dortigen Autoteiler einen Namen. Auf Landkreisebene initiierte er das Pendler- und Fahrgemeinschaftsportal www.pendler-ebe.de. 25 Zuhörer bekommt er ins Rathaus. Genauso viele, wie der Grafinger Stadtrat groß ist.

Ausgangspunkt Biesenbergers lokaler Klimaschutzüberlegungen ist der Eigenbedarf. "Wenn wir zum Beispiel unseren Stromverbrauch selbst erzeugen, dann haben wir auch den Finger drauf, wie wir ihn erzeugen." Fotovoltaikanlagen auf dem eigenen Dach seien das Naheliegende. Nur müsste halt endlich das ständige Schlechtreden der Anlagen aufhören. "Die sind mittlerweile so effizient, dass sie sich auch ohne Zuschuss rechnen."

Leute, die im Landkreis Ebersberg wohnen, seien bei der Planung ohnehin im Vorteil. Als einer von noch sehr wenigen bayrischen Landkreisen hat Ebersberg ein nahezu komplettes Solarpotenzialkataster. Verpackt in ein Online-Tool (www.solare-stadt.de/kreis-ebersberg) lässt sich mit ein paar Klicks das Potenzial des eigenen Daches herausfinden. Grundlage der Berechnung sind Dachneigung und statistische Sonneneinstrahlung.

Wer kein eigenes Dach hat, der kann sich Biesenberger zufolge problemlos an Bürgerenergiegenossenschaften beteiligen. Die Internetseite www.buergerenergie-ebersberg.de liefere einen Überblick über aktuelle Beteiligungsmöglichkeiten im Landkreis. Ob klimaneutraler Strom nun auf Grafinger Dächern oder woanders erzeugt werde, sei schließlich unterm Strich egal. "Am Ende zählt doch der Anteil von nicht aus fossilen Energieträgern gewonnenem Strom am Strommix."

Nächster Schritt wäre dann die intelligente Verbrauchssteuerung. Das Problem bei der Solarnutzung - ganz gleich ob auf dem eigenen Dach oder im Bürgersolarkraftwerk - sei schließlich die schwankende Verfügbarkeit. "Bisher haben wir die Waschmaschine halt dann eingeschaltet, wenn genügend Dreckwäsche da war", beschrieb er das Prinzip. "Wir müssen dorthin kommen, dass wir sie dann einschalten, wenn der Strom da ist - also wenn die Sonne scheint oder sich das Windrad dreht." An dieser Stelle kommen Smart Grids ins Spiel. Das sind intelligente Stromnetze, die Stromerzeuger, -Speicher und -Verbraucher geschickt und gerne auch auf niedriger lokaler Ebene vernetzen. "Wind- und Sonnenprognosen sind inzwischen so präzise", behaupte Biesenberger. "Das ist doch inzwischen alles kein Problem mehr."

Wenn dem so wäre, warum sind seine Smart Grids nicht schon längst im breiten Praxiseinsatz? Zumindest hierzulande seien die Menschen auf staatlich subventionierten Atomstrom konditioniert, ist Biesenbergers Haltung. "Das treiben Sie ihm leider so einfach nicht wieder aus."

Optimistisch ist er trotzdem. "Wenn die breite Masse merkt, dass sie sich mit einem Umdenken Geld sparen kann, wird alles ganz schnell gehen." Wo sich durch Bewusstseinsbildung Nachfrage bilde, entstünden bald auch Produkte. Echten Mehrwert vorausgesetzt, würden sie auch gekauft. Das wiederum senke den Preis und würde dadurch für einen immer größeren Nutzerkreis rentabel.

Mit Zwang will Biesenberger jedenfalls nicht kommen. "Was mir vorschwebt, ist eine Art Belohnungssystem." Günstiger Strom bei Wind und Sonne, teurer Strom bei Nacht und Nebel. Im lokalen Grafinger Fall könne eine solche Umstellung freilich nicht gegen, sondern nur mit dem lokalen Energieversorger funktionieren. "Meine Idee wäre, das der Herr Rothmoser gutes Geld verdient - aber bei den Leuten, die sich nicht an der Energiewende beteiligen wollen."

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