Süddeutsche Zeitung

Energieversorgung in Ebersberg:Ein Windrad für jede Gemeinde

Seit Sommer erstellt eine Arbeitsgruppe aus Laien einen Plan für die Energiewende im Landkreis. Nun wurden konkrete Ergebnisse vorgestellt, wie Ebersberg den Bedarf ohne fossile Energieträger decken könnte

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Ein blaues Band lässt bekanntlich der Frühling flattern, aber auch zur Energiewende im Landkreis könnte ein solches beitragen. Konkret ein 13 Kilometer langes und etwa 100 Meter breites Band aus Photovoltaikmodulen entlang der Autobahn A 94. Dieses flattert zwar nicht, könnte aber gut ein Drittel des im Landkreis verbrauchten Stroms liefern, so das Ergebnis einer nun vorgestellten Studie. Erarbeitet wurde diese im Rahmen eines Forschungsprojekts, das untersucht, wie die Energiewende mittels Bürgerbeteiligung vorangebracht werden kann.

Das Projekt läuft seit gut einem Jahr, initiiert wurde es von der Deutschen Umwelthilfe und der Mercator Stiftung. Des weiteren sind das Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung, die TU München, Fakultät Architektur, und die Fachrichtung Psychologie der MSH Medical School Hamburg beteiligt. Schwerpunktmäßig handelt es sich um eine soziologische Versuchsanordnung, konkret soll die Frage beantwortet werden, wie sich die Einstellung zur Energiewende positiv beeinflussen lässt. Um diese zu ermitteln, gab es bereits Anfang vergangenen Jahres eine Umfrage unter 600 Personen aus den Gemeinden Zorneding, Oberpframmern und Egmating. Eine zweite Umfrage ist für dieses Frühjahr geplant.

In der Zwischenzeit hat die sogenannte "Kerngruppe" ihre Arbeit aufgenommen, neun hauptsächlich jüngere Personen aus dem Landkreis, die ausdrücklich keine Experten in Energiefragen sind. So gibt es in der Gruppe zwei Geographiestudentinnen, einen Medieninformatiker, zwei Maschinenbaustudenten, eine Meteorologin, einen Mathematikstudenten, einen Berater und eine Psychologin. Ihre Aufgabe war es, sich Wissen um die Energiewende anzueignen und damit ein Konzept zu erstellen, wie der Landkreis Ebersberg das vom Kreistag 2006 formulierte Ziel erreichen kann, bis 2030 von fossilen Energieträgern unabhängig zu sein. Fünf von ihnen - aus Datenschutzgründen nur unter ihren Vornamen Antonia, Florian, Lea, Niels und Tina - haben nun in einer Videokonferenz vorgestellt, zu welchen Ergebnissen sie gekommen sind.

Ausgehend von einem vor fünf Jahren im Meilensteinplan des Landkreises ermittelten Energieverbrauch von 702 Gigawattstunden pro Jahr, den landschaftlichen Gegebenheiten und der verfügbaren Technologie wurde ein 3D-Modell erstellt, das die mögliche Energiegewinnung darstellt. Der größte Teil, etwa 60 Prozent des Bedarfs, soll Solarenergie sein, aufgeteilt in 24 Prozent Dach- und 36 Prozent Freiflächenanlagen. Zwölf Prozent der Energie könnten Biogasanlagen liefern - dass es nicht mehr sind, liegt an der großen Fläche, die zum Anbau der benötigten Pflanzen gebraucht wird. Denn es gehe darum, die Energie im Landkreis zu gewinnen, weshalb die Pflanzen auch im Landkreis wachsen müssen. Aus dem gleichen Grund plane man auch keine Investitionen in Anlagen außerhalb des Landkreises, so die Kerngruppen-Mitglieder auf eine Zuschauerfrage.

Auch die von vielen Leuten kritisch betrachtete Windkraft hat ihren Anteil am Gesamtkonzept, 28 Prozent der Energie im Landkreis sollen so gewonnen werden. Im Vergleich zum Meilensteinplan aus dem Jahr 2017 gehen die Planer der Studie nun aber nicht mehr von 30 Windrädern aus, durch verbesserte Technik würden etwa 18 Anlagen reichen. Aus Gründen der Fairness habe man aber 21 Standorte gefunden, einen für jede Landkreiskommune. Bei der umstrittenen Frage der Abstände kommen die Mitglieder der Kerngruppe zu einem sehr ähnlichen Ergebnis wie der 2012 erstellte interkommunale Flächennutzungsplan der Landkreisgemeinden. Die Standorte liegen dort, wo es wenig bis keine Wohnbebauung in der Nähe gibt, idealerweise sollen die Windräder mindestens das Drei- bis Vierfache ihrer Höhe vom nächsten Wohnhaus entfernt sein. Da das deutlich näher ist, als die in Bayern 2014 von der CSU-Staatsregierung eingeführte 10-H-Regel, müssten die Kommunen entsprechende Bauleitplanung betreiben. Dass es dagegen Widerstand geben dürfte, sehen auch die Laien-Planer, aber: "Energiegewinnung wird immer Einfluss auf das Landschaftsbild haben", so Teilnehmerin Lea. Und beim Flächenverbrauch sei die Windkraft konkurrenzlos, besonders im Vergleich zu Biogasanlagen. Die aber trotzdem nötig seien, für die Grundlastversorgung.

Die bis zu 135 Zuhörer waren von dem Konzept durchaus angetan,wie man den Kommentaren im Chat entnehmen konnte, hatten aber auch einige Nachfragen. Etwa, ob man wirklich davon ausgehe, das 2030-Ziel zu erreichen. Auf jeden Fall sei jede umgesetzte Anlage ein Schritt in die richtige Richtung, so die ehrenamtlichen Planer. Auch, ob man nicht noch an der Bahnstrecke und der B 304 Solarmodule aufstellen könnte, wurde gefragt. Dies sei natürlich möglich, aber nicht ins Konzept eingeflossen, da man sich am Energiebedarf aus dem Meilensteinplan orientiert habe. Auch gefragt wurde, warum neben Wind, Sonne und Biogas keine weiteren Arten der Energiegewinnung ins Konzept aufgenommen wurden. Dies habe den Grund, dass man sich auf die Technik beschränkt habe, die bereits erprobt und im Einsatz sei. Falls in einigen Jahren neue Anlagen verfügbar wären, könnte man Windräder, Solarpanels und Biogasanlagen problemlos rückbauen und durch diese ersetzen.

Auch die Frage nach einer Beteiligung an dem Projekt wurde gestellt. Diese sei auf jeden Fall möglich, sagte Philipp Barthel von der Umwelthilfe. Informationen zum Projekt gibt es auf www.aktivbueke.de, Anregungen können Interessierte noch bis zum 5. Februar per Mail an aktivbueke@duh.de schicken.

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Quelle:
SZ vom 20.01.2021
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