Eigentlich hätte am Ende der großen Konferenz auch ein klares Signal stehen sollen: Der Kreistag sollte sich zur Fortführung der Energiewende bekennen, zur Gründung eines regionalen Energieversorgungsunternehmens - und zur Konzentrationsflächenplanung für die Windkraft, wie sie in Zeiten lange vor der berüchtigten 10H-Regelung in die Wege geleitet worden war. Doch dazu konnte sich die Kreistagsmehrheit beim Energiehearing am Samstag auf der Ebersberger Alm nicht durchringen. Es kam zu überhaupt keinen Beschlüssen, statt dessen soll das Thema zur Kreistagssitzung am 15. Dezember wieder auf die Agenda. Herbe Kritik an der Vertagung kam dabei von der SPD: Es sei eine "historische Chance" vertan worden, sagte Fraktionschef Albert Hingerl.
Schon am Tag vor dem Hearing, bei dem ausgelotet werden sollte, wie der Landkreis auf dem Weg zur Energiewende steht und ob er sie überhaupt noch schaffen kann, hatte sich angedeutet, dass die Einigkeit der Politiker zu bröckeln beginnt. Bei der Kreisversammlung des Gemeindetags äußerte der Kirchseeoner Bürgermeister Udo Ockel (CSU) angesichts der neuen 10-Regelung, die besagt, dass Windräder mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von der nächsten Wohnbebauung entfernt sein müssen, Zweifel am Fortbestand der gemeinsamen Konzentrationsflächenplanung für Windkraftanlagen.
Ähnliche Stimmen kamen nun auch bei dem Hearing. Die Vaterstettener Kreisrätin Bettina Zetzl (CSU) etwa unterstrich, da sich nun die Rechtslage geändert habe, seien auch die Gemeinderäte "möglicherweise gehalten, neu zu denken und neu abzustimmen". Dass sich die Vertreter der Fraktionen darauf verständigt hätten, die Abstimmung zu vertagen, erklärte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) nach einer kurzen Pause: Es ergäben sich immer neue Fragen, Aspekte und Vorschläge, weshalb man nun so vorgehen wolle. Ziel sei, am 15. Dezember einen "guten breiten Beschluss" zu fassen.
Ohnehin ging es bei dem Hearing, das die SPD angeregt hatte und zu dem außer den Kreisräten auch viele Vertreter der Gemeinden gekommen waren, bei weitem nicht nur um das Thema Windkraft. Ziel war es, zu analysieren, wie weit der Kreis auf dem 2006 eingeschlagenen Weg zur Energiewende gekommen ist und was er noch alles leisten muss. Die "Gretchenfrage", wie es Sebastian Osenstetter von der Firma "Energie Concept Bayern" ausdrückte: Kann der Kreis tatsächlich, bis 2030 unabhängig von fossilen und anderen endlichen Energieträgern werden? Die Antwort, die Osenstetter selbst gab: "Schwer zu sagen!" Jedenfalls sei "ganz viel individueller und politischer Entscheidungswille" notwendig, doch auch andere Faktoren spielen eine Rolle, etwa die Entwicklung des Energiepreises.

Und eines ist auch jetzt schon ziemlich klar: Bei der Stromproduktion wird es im Landkreis wohl einfacher sein, das angepeilte Ziel mittels erneuerbarer Energien zu erreichen - allerdings nur, wenn große Fotovoltaikanlagen errichtet werden und auch die Windkraft genutzt wird. Bei der Wärmeerzeugung hingegen wird es nach Einschätzung Osenstetters auch bei Ausnutzung aller Potenziale wohl nicht reichen: Hier werde eine Versorgungslücke bleiben, so die Prognose des Fachmanns. Ausgleichen könnte man diese Lücke entweder bilanziell - indem man beispielsweise Überschüsse beim Strom gegenrechnet - oder auch durch Verfahren, die tatsächlich Strom in Wärme oder auch Gas umwandeln.
Auch wenn alle Referenten beim Hearing bemüht waren, vor allem Chancen und Perspektiven aufzuzeigen, kamen sie nicht umhin, auch auf die Rückschläge einzugehen, die die Bundes- und Landespolitik der Energiewende versetzt hat - beispielsweise eben durch die 10H-Regelung. Beinahe hätte er in seine Präsentation geschrieben, dass dadurch der Schwarze Peter den Gemeinden zugeschoben worden sei, sagte Osenstetter im vollbesetzten Saal lakonisch: "Aber das ist dermaßen polemisch - das kann man ja gar nicht laut sagen."
Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr warb nochmals eindringlich darum, dass die Gemeinden an der gemeinsamen Konzentrationsflächenplanung für die Windkraft festhalten sollten. Einzelne "Ungerechtigkeiten", wie sie beispielsweise im Kirchseeoner Ortsteil Buch entstanden seien, könne man ja dabei noch ausräumen. Auch durch die Änderungen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz sei vieles schwieriger geworden. Unmöglich sei das aber dennoch nicht, das gesteckte Ziel zu erreichen, sagte Gröbmayr - und gab damit eine klare Antwort auf die Frage, die SPD-Fraktionschef Albert Hingerl am Anfang der Konferenz in den Raum gestellt hatte: "Kämpfen oder kapitulieren?"