Emotionale Revue in Markt Schwaben:Abschied von einer mutigen Gestalterin

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Der Theaterverein ehrt seine langjährige Regisseurin Marga Kappl. Die Mitglieder bringen noch einmal Höhepunkte aus ihrer Schaffenszeit auf die Bühne

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

Auch Anschmachten will geprobt sein. Wie Wendy und Peter da auf der Bühne das letzte an Gefühl aus sich herausholen, wie sie die Szene im Kinderzimmer mit einer Schicht Herz ausmalen und mit einer Überdosis Zauber bestreuen, das hat man als Schauspieler nicht einfach auf Abruf. Das will geschickt und nachhaltig gelockt, erkannt und geprobt, geprobt, geprobt werden. Danach - "Hey-ah, hey-ah, hey-ah-ho, Piraten sind halt so" - sitzt das aber auch ein Leben lang. Wie es das Duo von einst mit seinem Ausschnitt aus "Nimmerland - Peter Pan" am Samstagabend beim Rückblick auf die 16 Jahre Regie-Arbeit von Marga Kappl im Theaterverein Markt Schwaben eindrücklich vor Augen führte.

"Dass es Euch gelungen ist, alle Rollen wieder mit den Schauspielern von damals zu besetzen, finde ich großartig", sagte die Geehrte in ihrem Schlusswort zur dreistündigen Revue. Wer zuvor aufmerksam hingeschaut und hingehört hatte, den wunderte das kaum. Denn alle, die auf der Bühne standen, ließen freiweg und glaubwürdig erkennen, wie tief sie das Theaterspielen bewegt, geprägt, verändert - und zu dem gemacht hat, wer sie heute sind. "Was ich heute kann, habe ich alles hier gelernt", sagt zum Beispiel Sebastian Schlagenhaufer, früher Mitglied der von Kappl gegründeten "Jungen Bühne" und heute künstlerischer Leiter der Stadthalle Grafing. Er bekräftig auch die Nachhaltigkeit der akribischen und intensiven Probenarbeit, für die Marga Kappl an diesem Abend mehrfach gerühmt wurde: Nur zweimal sei für diese Veranstaltung geprobt worden, "aber das war alles gleich wieder da". Eine Einschätzung, die auch Ferdinand Maurer teilt, inzwischen selbst Theaterprofi und Mit-Vorstand im Verein, der nach so vielen Jahren noch immer beeindruckt ist von der professionellen Herangehensweise seiner Regisseurin. "Das war kein Schultheater mehr. So, wie sie auf Details geachtet und uns an die Auftritte herangeführt hat - das war schon eine Liga höher." Als zum Beispiel die drei Moderatoren auf die Proben- und Sprecharbeit zurückblicken und die zwei Worte "Drei Mal..." in den Zuschauerraum rufen, ertönt aus dem Publikum, in dem sich zahlreiche "Ehemalige" befanden, prompt, beherzt und mit heiterem Unterton das Echo "... so laut".

Während sich an diesem Abend Erinnerungen, Fotos, Videos und Einzelszenen aus rund 60 Stücken aneinanderreihen, bei denen Kappl Regie führte, wird nicht nur ihr sicheres Gespür für Stoffe, Rollen und Menschen spürbar, sondern auch ihre Liebe zum Publikum. Das Theater, das sie gestaltete, entstand aus der Mitte der Gemeinde heraus für die Menschen am Ort. Die sollten ihre Freude haben an den Intrigen im "Zerbrochenen Krug" auf Bairisch, an den gespiegelten Alltagen im "Eingebildeten Kranken" und "Verkauften Großvater", an den bubenhaften Albernheiten der "Feuerzangenbowle" und an der irrwitzigen Fantasie des "Kleinen Horrorladens". Wo nötig, griff die Regisseurin auch in die Texte der Stücke ein, entfernte Überflüssiges, fügte Nötiges hinzu, getragen vom Mut einer Gestalterin, weit entfernt von der reinen Reproduktion eines vorliegenden Stoffes. Der Autor von "Faust - die Rockoper" war so beeindruckt von ihrer Interpretation, dass er das Ensemble für die Premiere des nächsten Opus gewinnen wollte.

Erst kürzlich ist Marga Kappl vonBürgermeister Georg Hohmann zur Ehrenbürgerin ernannt worden. (Foto: Christian Endt)

Eine mustergültige Vorstellung vom Theater und seinem Gewicht als "Social Medium" darf man diesen Querschnitt nennen - und lieber mal ein Fragezeichen hinter die Überlegung stellen, ob derlei heute und ohne eine Überzeugte wie Kappl so noch möglich wäre. Zumal sie eben mit der beachtlichen Bandbreite zwischen Klassiker und Komödie, zwischen Mundart und Musical, zwischen Kinderstück und Varieté bewusst keine stilistische Eingrenzung zuließ, sondern Ideenreichtum sowie eine bemerkenswerte Kombination aus Können und Spiellust zum Qualitätsmerkmal der Nachwuchs-Schauspieler machte. Inklusive des Muts, sich nicht zu scheuen, auch solche Stücke ins Repertoire zu nehmen, bei denen mancher vorher meinen könnte, dass nach dem Original mit seinen großen Stars das Hinschauen überflüssig wäre: "Charley's Tante" zum Beispiel oder "Der kleine Prinz".

Umgerechnet etwa fünf Arbeitsjahre, so rechneten die Moderatoren vor, habe die Pensionistin Kappl in der Zeit seit 2003 fürs Theater geleistet. Einen sehr erhellenden Beitrag zu ihrer Begeisterung fürs Theater liefert eine Anekdote, erzählt von Karin Nahrhaft, einer weiteren, die als Jugendliche Bühnenluft schnupperte und bis heute im Markt Schwabener Theater aktiv ist. "Wir haben am Bühnenbild gearbeitet und wollten einen Vorhang befestigen. Als der Handwerker mit dem Tacker kam, bat Frau Kappl um behutsamen Umgang mit dem guten Stück. Das hinge ansonsten bei ihr im Schlafzimmer. Ihrem Mann sagte sie, es sei in der Reinigung." Eine Geschichte, die noch viel mehr über das Theaterleben mit dieser Regisseurin aussagt, als dass es ihre Hingabe belegt: Das Selbermachen, nicht nur bei den Rollen, sondern auch bei der Musik, bei den Kostümen oder beim Bühnenbild, hat in den Beteiligten ein Verständnis von Gemeinschaft genauso wie ein Verständnis fürs Dramaturgische und für die Rolle des Theaters im Leben reifen lassen, das bis heute nachwirkt.

"Der Theaterverein Markt Schwaben wäre nicht das, was er ist, ohne Marga Kappl", zitiert Vereinsvorstand Franz Stetter in diesem Zusammenhang noch einmal einen Satz, der im Vorfeld des Abends die Runde gemacht hat. "Wir haben heute Abend erleben dürfen, warum dies so ist. Das kulturelle Erbe von Josef Schmid und den anderen Gründungsmitgliedern ist gesichert." Der minutenlange Applaus in der Theaterhalle am Burgerfeld war der zweifelsfreie Beleg für die Wahrheit dieser Aussage.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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