Emotionale Debatte:Unter der Oberfläche

160 Anzinger besuchen eine Informationsveranstaltung der Gemeinde zur Unterbringung von Asylbewerbern. Die einen wollen helfen, andere haben Angst vor den Flüchtlingen

Von Sophie Rohrmeier

Emotionale Debatte: Viele Anzinger wollten sich im Forsthof über die geplante Unterbringung von Asylbewerbern informieren.

Viele Anzinger wollten sich im Forsthof über die geplante Unterbringung von Asylbewerbern informieren.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

"Zu Asylbewerbern ja - Verteilung wäre wunderbar". Ein blaues Stoffbanner ist an einem Auto in der Einfahrt zum Anzinger Forsthof aufgehängt. Dem Satz stimmten eigentlich alle zu. Alle zumindest, die am Mittwochabend in die Gastwirtschaft zur gemeinsamen Informationsveranstaltung der Gemeinde und des Landratsamts gekommen waren. Aber zugleich zeigte sich an diesem Abend, dass sich hinter dem Konsens unterschiedliche Einstellungen zur Unterbringung von Asylbewerbern verbergen - und sich emotionale Debatten entzünden können.

Nach Anzing sollen 27 Asylbewerber kommen, denn so viele passen nach Ansicht der Behörden in das alte Forsthaus in der Wendelsteinstraße. Das steht leer, gehört dem Land Bayern, und Anzings Bürgermeister Franz Finauer (UBA) hat es im November dem Landratsamt als mögliche Unterkunft vorgeschlagen. Einige Anwohner allerdings protestierten damals wie auch am Mittwoch dieser Woche. Bei der Veranstaltung traten die Ängste der Einwohner - es waren mehr als 160 Bürger gekommen - deutlich zutage. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) musste als Moderator des Abends mehrfach um "Würde und Anstand" in der Diskussion bitten.

Zwar wurde als Tenor der Wunsch deutlich, dass die Asylbewerber menschenwürdig untergebracht werden sollen, zu ihrem Wohl sowie zum Wohl der Anwohner. Vielfach wurde allerdings die Befürchtung laut, das Haus könnte mit 27 Menschen überbelegt sein - und Konflikte erwartbar. Einige Bürger baten das Landratsamt um bessere Aufteilung der Asylbewerber auf verschiedene Gemeinden oder zumindest mehrere Unterkünfte in Anzing. Eben diese Debatte hatte schon vor Wochen dazu geführt, dass der Bürgermeister ein Grundstück neben der Feuerwehr im Norden als Standort für Container vorschlug. So soll die Lage in der Wendelsteinstraße entzerrt werden. "Am liebsten wäre mir, 15 im Forsthaus, 15 in den Containern", sagte Finauer.

"Sobald wir die Container haben, ist es ein Fass ohne Boden", sagte eine Bürgerin dazu. Tatsächlich können die Behörden keine maximale Zahl an Flüchtlingen garantieren, sagten die Landratsamtsmitarbeiterinnen Marion Wolinski und Stefanie Geisler, die die Bürger im Forsthof über die Sachlage aufklärten. Derzeit leben 216 Asylbewerber im Landkreis. Davon seien 32 anerkannt und hätten Bleiberecht, 184 Menschen befänden sich noch im Asylverfahren, erklärte Wolinski. Robert Niedergesäß sagte, der Landkreis müsse maximal mit etwa 630 Asylbewerbern rechnen.

Der Landrat hatte einige Male gegen empörte Einwürfe anzugehen. Etwa als eine Bürgerin sagte: "Wir möchten keine Container auf dieser Wiese", die Gemeinde müsse auch das "Landschaftsbild" berücksichtigen. Im Saal wurde laut gelacht, worauf Niedergesäß dazu aufrief, solche "Unmutsbezeugungen" zu unterdrücken. An verschiedenen Stellen waren auch hitzige persönliche Bemerkungen zu hören, ein Bürger sprach von seiner Angst vor dem Wertverlust von Immobilien, wenn "zu wenige Deutsche" in einem Ort leben. Ein anderer sagte, er wolle "kein Durchgangslager für Wirtschaftsflüchtlinge" in Anzing. Niedergesäß begegnete solchen Wortbeiträgen mit sachlichen Informationen - ebenso wie jenen, die sich gegen eine Belegung der Anzinger Unterkunft allein mit Männern wandten. "In der Straße leben junge Familien, 17 Kinder, davon zwei Drittel Mädchen, und die Asylbewerber werden vor allem Männer sein", sagte ein Anwohner. Niedergesäß indes verwies darauf, dass es noch keinerlei Probleme dieser Art gegeben habe.

Und auch die Anzingerin Elisabeth Stanglmeier, die seit Jahrzehnten beim Ebersberger Frauennotruf tätig ist, reagierte auf die implizit geäußerte Angst vor sexueller Belästigung. "Ich verwahre mich dagegen, dass diese Menschen kriminalisiert werden, bevor sie angekommen sind", sagte sie. "Wir haben sexuellen Missbrauch, häusliche Gewalt. Aber noch nie hatten wir einen Fall, in dem Asylbewerber beteiligt waren." Stanglmeier hatte in den neunziger Jahren bereits Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien betreut. "Es hat keine Probleme gegeben." Die frühere Grundschullehrerin ist auch eine der Organisatorinnen der Initiative "Offenes Anzing". Rund 60 Ehrenamtliche hätten sich bereits gemeldet und ihre Hilfe für die Asylbewerber angeboten, sagte Sabine Schwarz, ein weiteres Mitglied der Initiative. "Wenn wir zusammenhalten, schaffen wir das." Landrat Niedergesäß redete seinen Zuhörern ins Gewissen. "Wir sehen, dass sie in Lampedusa angekommen und wie sie ankommen - oder auf tragische Weise auch nicht." Der Landkreis sei nicht nur rechtlich verpflichtet, die Flüchtlinge aufzunehmen. "Wir, die wir auf der Sonnenseite der Welt leben, haben auch eine soziale Verantwortung."

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