Emmering:Grüner Strom statt billiger Milch

Emmering: Franz Lenz vom Bauernverband (links) und Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr (dritter von links) diskutieren über die Probleme der Landwirte.

Franz Lenz vom Bauernverband (links) und Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr (dritter von links) diskutieren über die Probleme der Landwirte.

(Foto: Christian Endt)

In Emmering diskutieren Franz Lenz vom Bauernverband und Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr die Probleme der Landwirtschaft. Lösungen sehen sie im Dialog mit den Verbrauchern und in der Energiewende

Von Anselm Schindler , Emmering

"Die haben doch keine Ahnung. Die sollen mal an den Hof kommen und mit anpacken dann sehen sie die Realität." Die Worte des Landwirtes klingen verbittert, der Frust ist greifbar bei der Diskussion im Emmeringer Gasthof Bichler. Auf der Tageskarte stehen verschiedene Wurstsalate, ein Dutzend Landwirte aus dem südlichen Landkreis sitzen an den Tischen und trinken Bier. Der Zeiger wandert Richtung 20 Uhr, viele der Bauern haben früher auch gar keine Zeit, der Arbeitsalltag des Landwirtes beginnt früh und endet spät. Und gearbeitet wird jeden Tag. Doch die gesellschaftliche Wertschätzung für diese Mühen bleibe oft aus, moniert Franz Lenz, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes. Gemeinsam mit dem Klimaschutzmanager des Landkreises, Hans Gröbmayr, will er an diesem Montagabend mit den Landwirten ins Gespräch kommen.

Es geht um nicht weniger als die Zukunft der Landwirtschaft, so wurde die Veranstaltung auch angekündigt. Franz Lenz blickt deshalb etwas irritiert in die Runde, schade fände er es, dass nur so wenige Landwirte gekommen seien, die Hälfte der Tische im Raum ist leer. "Es bringt doch angesichts der aktuellen Probleme nichts sich am Hof zu verkriechen und den Kopf in den Sand zu stecken!", sagt Lenz. Gerade, weil die Lage vieler Landwirte so prekär sei. Wie viele Milchbauern denn anwesend seien, fragt Lenz in die Runde. Nicht einmal eine Handvoll Bauern melden sich.

Knapp 400 Betriebe leben im Landkreis von der Milchwirtschaft, allein in den letzten vier Jahren ist ihre Anzahl um 12 Prozent gesunken. Denn für viele Landwirte ist der Verkauf der Milch nicht mehrrentabel, deshalb sind sie gezwungen, ihr Vieh zu verkaufen. Um die 30 Cent bekommen die Bauern in der Region für den Liter Milch, das reicht für viele kaum zum Überleben. Die Bauern sind deshalb darauf angewiesen, die Produktion auszuweiten und zu modernisieren. Damit wandelt sich auch das Gesicht der Landwirtschaft, Megaställe und Maschinisierung entfremden den Mensch zusehends von der natürlichen Nahrungsmittelherstellung - die Schuld dafür werde dann den Landwirten in die Schuhe geschoben, erklärt Kreisobmann Lenz. Sie würden von Verbrauchern und Naturschützern oft für diese Problematik verantwortlich gemacht. Zustimmendes Nicken im Saal.

Lenz und Gröbmayr sitzen an diesem Abend mit den Landwirten am Tisch, um ihnen Lösungen aufzuzeigen. Lenz plädiert dafür, den Druck auf die Politik zu erhöhen und wirbt deswegen für ein stärkeres Engagement im bayerischen Bauernverband. Zudem, so Lenz, müsse sich der Dialog zwischen Verbrauchern und Landwirten verbessern, damit diese bereits seien, für hochwertige Lebensmittel auch mehr Geld zu zahlen.

Auch Gröbmayr will die Landwirte an diesem Abend für seine Sache gewinnen. Der Beamer projiziert eine Grafik an die Leinwand, darauf zu sehen sind Traktoren, Windräder, eine Kirche, Biogasanlagen, ein Mähdrescher und Ställe. Alles ist miteinander vernetzt, über der Grafik prangt eine lächelnde Sonne. Die Botschaft: Für die Bauern könnte die Energiewende eine große Chance sein - der grüne Strom bietet ihnen eine zusätzliche und zuverlässige Einnahmequelle.

Der Klimaschutzmanager braucht die Bauern für seine Mission, das sogenannte Virtuelle Kraftwerk. Über eine Schaltzentrale bündelt und steuert es die verschiedenen Erzeuger von regenerativem Strom im Landkreis. Von Photovoltaik-Anlagen über Blockheizkraftwerke und Windkraft, bis hin zu Biogasanlagen: Die gebündelte Energie soll künftig regional vermarktet werden, "Eberstrom" soll das Endprodukt heißen, das die landkreisweite Energieagentur Rege in den kommenden Monaten ans Netz bringen will. Momentan haben bereits sechs Landwirte ihre Biogasanlagen an das Virtuelle Kraftwerk angeschlossen, sie sind damit das wichtigste Standbein des Regio-Kraftwerkes - weil sie unabhängig von Wind und Sonne zuverlässig Strom liefern, und gut regelbar sind. "Eigentlich wollen wir alles anschließen was geht", erklärt Gröbmayr den Landwirten.

Davon ist man bislang aber noch weit entfernt: 30 Biogasanlagen gibt es im Landkreis, und geht es nach Gröbmayr, sollen noch weitere dazukommen. Denn das Potenzial ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Knapp ein viertel des landkreisweiten Energiebedarfs könnte über Biomasse abgedeckt werden, rund 17 Prozent sind es bislang. Neben der Biogasproduktion versucht der Klimaschutzmanager die Landwirte vor Allem von Photovoltaik-Anlagen und Solarthermie - also der Gewinnung von Wärmenergie über die Sonnenstrahlung zu überzeugen.

Das grüne Potenzial ungenutzt zu lassen sei keine Option, betont Gröbmayr. Setze man die Energiewende im selben Tempo fort wie derzeit, dann seien die fossilen Energieträger wie Erdöl, Erdgas und Kohle erst im Jahr 2150 vollständig durch regenerative Energieträger ersetzt - und das weltweite Klima um bis zu sieben Grad heißer. Mit allen negativen Folgen - auch für die Landwirtschaft. "Ganz ganz dringend müssen wir uns deshalb mehr reinhängen" betont Gröbmayr. Davon profitierten beide: Das Klima - und die Landwirte.

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