Einheimischenbauland:Pluspunkte sammeln

Einheimischenbauland: Das Wohngebiet am "Aiblinger Anger" ist bald bezugsfertig. 25 Wohnungen und Häuser wurden hier im Einheimischenmodell vergeben.

Das Wohngebiet am "Aiblinger Anger" ist bald bezugsfertig. 25 Wohnungen und Häuser wurden hier im Einheimischenmodell vergeben.

(Foto: Christian Endt)

In Grafing wird der Kriterienkatalog für Einheimischenbauland überarbeitet. Obwohl die Sache kompliziert ist, scheint ein großer Kompromiss in Aussicht

Von Thorsten Rienth, Grafing

Die "Wolfschlucht" ist längst Geschichte. Die Kräne und Bagger am "Aiblinger Anger" werden bald Platz machen für die Umzugstransporter. Ein guter Zeitpunkt also, in Sachen Einheimischenbauland zentrale Fragen zu stellen. Es stehen einige Korrekturen am Kriterienkatalog an. Aber es geht auch um Sinnfragen: "Ist das bisherige Modell überhaupt noch zeitgemäß?", will etwa CSU-Vorsitzender Florian Wieser jetzt wissen.

Die Debatte läuft, seit das Rathaus vor einigen Wochen einen nachjustierten Kriterienkatalog vorgelegt hatte. Er steuert per Punktesystem die Zugriffsrechte auf den verbilligten Wohnraum. Das soll sicherstellen, dass tatsächlich diejenigen zum Zuge kommen, für die verbilligtes Bauland auch gedacht ist: kinderreiche Familien mit Verbindung zum Ort, aus einer Vermögens- und Einkommensklasse, die sich ein eigenes Heim im teuren Münchner Speckgürtel auf dem freien Markt nicht leisten könnten.

Davon gibt es viele, wohingegen der zu vergebende Wohnraum begrenzt ist. Vom "Aiblinger Anger", immerhin einige Duzend Hektar groß, blieben nach allem, was auf dem freien Markt verkauft werden durfte, 13 Wohnungen und zwölf Häuser übrig, die im Einheimischenmodell vergeben wurden. Den 25 Einheiten standen laut Stadtverwaltung 170 Bewerber gegenüber. Als alles verteilt war, gab es Glückliche, Enttäuschte und richtig Frustrierte.

Ähnlich war das zwar auch bei früheren Einheimischenbaugebieten. Aber die Fallhöhen sind extremer geworden. Beim "Aiblinger Anger" fördert die Stadt zwar weniger Wohneinheiten - diese wenigen dafür aber stärker. Die Entscheidung war aus der Not geboren: Wenn sich Bodenrichtwerte der 1000-Euro-Marke pro Quadratmeter nähern, bleibt für günstigen Wohnraum eben nur noch eine höhere Förderquote.

In Grafing scheint sie inzwischen ausgereizt. Wer den Zuschlag bekommt, zahlt im "Aiblinger Anger" 390 Euro pro Quadratmeter. Das ist, je nach Rechenmodell, weniger als die Hälfte dessen, was auf dem freien Markt bezahlt werden müsste. Bei solchen Preisunterschieden stelle sich für ihn eine Gerechtigkeitsfrage, sagt der CSU-Chef. "Ist es noch fair, wenn wir ein paar wenige Leute so umfangreich fördern?" Da müsse man sich überlegen, ob das Geld nicht beispielsweise für soziale Zwecke besser angelegt wäre. Oder für die Folgekosten des Grafinger Wachstums wie Kindergärten oder Krippen.

Das seien berechtigte Fragen, pflichtet Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) Wieser bei. Irgendwann seien selbst die verbilligten Flächen noch immer so teuer, dass sie sich eine Erzieher- oder Altenpflegerfamilie einfach nicht mehr leisten könnten. Obermayr verweist allerdings darauf, dass es die von Wieser angesprochene Alternativfinanzierung bereits gebe. "Zum Beispiel bei der Erweiterung des Seniorenhauses am Hans-Eham-Platz."

Im Kern liegen die politischen Lager also gar nicht weit auseinander. Aber erreichen sie mit ihren Modellen überhaupt noch Grafinger Familien mit wenig Geld? Der Kriterienkatalog, den sie gerade überarbeiten, ist der erste Schritt. Schließlich steuert er, wer auf der Bewerberliste wen überholt: Für niedrige Einkommen gibt es Pluspunkte, für pflegebedürftige Angehörige oder Menschen mit Behinderungen im Haushalt ebenfalls. Freilich solle das weiterhin so bleiben, versichern Obermayr und Wieser. Zusätzliche Pluspunkte fürs Ehrenamt seien aber angedacht. Ebenso sollen Bewerber im Anschluss an ihre Ausbildung mindestens drei Jahre Berufsleben nachweisen müssen. Das soll verhindern, dass sich schon 18-Jährige erfolgreich bewerben, deren Familienplanung noch eine Weile entfernt liegt.

Dass solche Nachjustierungen für eine große Novelle nicht ausreichen, ist kein Geheimnis. Zeitversetzt dürfte deshalb auch ein neuer Grundsatzbeschluss zur Wohnbaupolitik zur Debatte stehen. Er regelt ja überhaupt erst, in welchem Umfang Flächen für Einheimische ausgewiesen werden. Thorsten Rienth

Am Mittwoch, 6. Juni, lädt die Grafinger CSU um 19.30 Uhr zum Wirtshausgespräch in den "Kastenwirt" ein. Thema: "Bauland für Einheimische. Aktuelle Erfahrungen. Wie soll es weitergehen?"

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