Ein Schafzüchter in Emmering:Die Nationalsozialisten wollten diese Schafe ausrotten

Ein Schafzüchter in Emmering: Bei der Familie Wagenpfeil erfahren die Brillenschafe die verdiente Wertschätzung.

Bei der Familie Wagenpfeil erfahren die Brillenschafe die verdiente Wertschätzung.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)
  • Der Emmeringer Schafzüchter Max Wagenfpeil züchtet eine ganz besonder Rasse: Brillenschafe.
  • Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden die Tiere beinahe ausgerottet, weil sie nicht ganz weiß sind.
  • Heute erfreuen sie sich wieder größerer Beliebtheit, denn ihr Fleisch ist ausgeprochen zart.

Von Yvonne Münzberg, Emmering

In dem kleinen Waldstück nebenan zwitschern die Vögel, die Luft riecht nach Regen und Frühling. Oben hängen graue Wolken am Himmel, unten tollt ein Dutzend kleiner Lämmer über die grüne Wiese. Hinter ihnen grasen gemütlich die Mutterschafe. Max Wagenpfeil pfeift, lässt den Plastikeimer mit Futter klappern. Dann kommen sie gemütlich angetrabt, die Schafe mit der dunklen Pigmentierung.

Eine ganz besondere Rasse hat sich der Emmeringer Schafzüchter angeschafft: Das Brillenschaf, ein Bergschaf, das seinen Ursprung in den Karnischen Alpen in Slowenien hat. Um die Augen herum und an den Ohrspitzen weist es eine schwarze Pigmentierung auf, außerdem ist das Brillenschaf sehr fruchtbar, mit einer Trächtigkeitszeit von fünf Monaten kann es zwei Mal pro Jahr Lämmer gebären.

"Unsere Schafe werden aber nur im Herbst gedeckt", erzählt Wagenpfeil, der Filzhut und Wolljacke trägt, während er auf seine kleine Herde blickt. "Wir arbeiten dabei nicht mit künstlicher Besamung oder Computertechnik", so der Schafzüchter. Damit es ursprünglich, natürlich bleibt. Davon profitieren auch die Schafe. Momentan sind die Lämmer etwa vier Wochen alt und in ihrer aktiven Phase. Das sieht man: Ständig springen sie herum, laufen auf der großen Wiese hin und her.

Seit 1989 arbeitet der gebürtige Münchner im Staatsdienst, machte dann ein zweijähriges Referendariat in der Landwirtschaft. Als in Grub, in der Landesanstalt für Landwirtschaft eine Stelle frei wurde, kam Wagenpfeil 1991 zur Schafzucht. "Damals habe ich das erste Mal Brillenschafe gesehen", erinnert er sich, "und mir war sofort klar - wenn ich mir Schafe hole, dann die."

Bis heute hat er seine Entscheidung nie bereut. Nach seiner Hochzeit und der Geburt der ersten Tochter, Julia, legte das Ehepaar sich fünf Brillenschafe zu, zwei gab es bereits als Hochzeitsgeschenk "mit roter Schleife", lacht Tina Wagenpfeil, die Ehefrau des Züchters.

Seitdem wurde der Bestand auf zehn Muttertiere erweitert. Die Anzahl passt genau für den einen Hektar Land und die Größe des Stalls, den die Tiere zur Verfügung haben. Die ganze Familie hilft zusammen, denn alleine, das kann Wagenpfeil nach 20 Jahren sicher sagen, schafft man die Zucht nicht.

Man müsse eben auch immer die Arbeit sehen. Neben den offensichtlichen Aspekten wie Aufzucht, Haltung, Fütterung und Ausstellungen werden die Lammungen genau aufgeschrieben, die Lämmer selbst gewogen, die Zuchtwerte berechnet. Herdbuchzucht nennt sich das. Bei Schafen sind funktionale Merkmale wie Gebiss, Fußwerk, Wolle und Fleisch, aber auch Tiergesundheit wichtig.

Beim Brillenschaf kommt dann eben noch die Pigmentierung dazu. Die Tiere, die auch am Körper Verfärbungen haben, werden aussortiert. Dabei sollen die Schafe zwar nicht nur auf das Äußere reduziert werden - aber schwarze Wolle ist nicht färbbar und somit nicht für die weitere Züchtung geeignet.

Aussortieren, das bedeutet in diesem Fall Schlachten. Das Fleisch des Brillenschafs ist von hoher Qualität, besonders zart und schmackhaft. Doch wie fühlt sich das an, über mehrere Monate ein Lamm aufzuziehen und dann zum Schlachter zu bringen? "Wenn wir nur zwei Schafe hätten, wäre es anders. Aber bei zehn Mutter- und damit oft 15, 20 Jungtieren ist das nicht mehr so schlimm", erklärt Wagenpfeil. Wenn man züchten wolle, müsse man eben auch schlachten können. "Außerdem", fügt Julia stolz hinzu, "haben die Tiere bei uns ein perfektes Leben!"

Zwar erfreut sich die Schafzucht großer Nachfrage und hohem Interesse. Doch es wird kaum Forschung betrieben - besonders in Hinblick auf das Verhalten der Tiere. So sind Brillenschafe beispielsweise zutraulicher und im Vergleich zu anderen Rassen auch bessere Mütter. Zu hinterfragen, warum genau das so ist, wäre eine "hoch spannende Aufgabe", sagt Wagenpfeil.

Ein weiterer Aspekt, den er bedauert, ist der fehlende Markt für die Wolle. Das Brillenschaf hat lange, schlichte Wolle, die vor Witterungen schützt. Auf der menschlichen Haut sei das natürlich kratziger als feine Merinowolle. Verwendet werde das grobe Vlies schon - als Wasserregulator in Blumentöpfen oder für die Dämmung. "Doch die Wertschätzung fehlt", bedauert Wagenpfeil, ein gerechter Marktpreis würde so nicht entstehen.

Unter den Schafzüchtern herrscht großer Ehrgeiz

Die Besonderheit, die dem Brillenschaf auch seinen Namen gegeben hat und Züchter heute verzückt, wurde den Tieren in der Zeit des Nationalsozialismus zum Verhängnis: Deren Ideologie weitete sich sogar auf Tiere aus, Zuchtziel war ein großes, rein weißes Schaf, das Brillenschaf wurde fast ausgerottet.

Erst 1989 wurde die Rasse aus Restbeständen in Bayern wieder anerkannt. Die bayerische Gemeinschaft der Brillenschafzüchter ist nach wie vor recht klein, 24 Züchter sind mit insgesamt etwa 600 Tieren in das Herdbuch eingetragen. Wagenpfeil, der Fachberater für Schafzucht in Oberbayern Süd und somit für zwölf Landkreise verantwortlich ist, kennt daher "jedes Schaf und jeden Bock."

Die eigene Zucht ist die ideale Ergänzung zu seiner Arbeit. Auf die Schafmärkten fährt er als Züchter und Juror, erst am vergangenen Samstag war er mit seiner Tochter auf einem Markt in Miesbach. Die zwanzigjährige Julia, die bereits als kleines Mädchen großes Interesse an den Tieren zeigte und schon an verschiedenen Jungzüchterwettbewerben teilgenommen hat, kümmert sich um die Tiere, während ihr Vater bewertet. Das erfordert nicht nur Fachwissen, sondern auch Fingerspitzengefühl. "Man darf eigentlich nur Gutes sagen", sagt der Züchter und lacht.

Unter den Schafbesitzern herrscht großer Ehrgeiz, der Wettbewerbsgedanke ist immer zu spüren. Besonders in Garmisch oder Berchtesgaden, den Hochburgen der Brillenschafe, ist eine Auszeichnung viel wert. Die Wettbewerbe sind dort außerdem nicht nur züchterische, sondern auch touristische Attraktion.

Wenn ihre Eltern diesen Sommer für ein paar Tage wegfahren, wird sich Julia um die Schafe kümmern. "Alleine können wir die Tiere nicht lassen", sagt Wagenpfeil lachend, denn: "irgendwas ist immer." Besonders, wenn man im Urlaub ist. Man kennt's ja.

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