Grafing:Bund Naturschutz hält Straßenausbau an den Eichen für verzichtbar

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Unter anderem ein 300 Jahre alter Baum soll weichen, um die Straße für Lkw zu verbreitern. Der Bund Naturschutz bringt nun neue Zahlen ins Spiel.

Von Korbinian Eisenberger, Grafing/Bruck

Wie breit darf oder muss eine Straße sein? Diese Frage haben unzählige Paragrafen festgelegt. So ist es schwer, das System zu durchschauen. Wohl auch deswegen gibt es nun diese Debatte: Aufgeworfen hat sie der Bund Naturschutz (BN), der die Ansicht vertritt, dass bei zwei Straßen im Landkreis Ebersberg mit zweierlei Maß gemessen werde. Kernaussage des BN: Wenn die Zufahrtsstraße zum Gewerbegebiet Taglaching in Bruck nur 4,90 Meter groß sein muss, dann müsste diese Maximalbreite auch für die Straße genügen, die an den Eichen unweit des Grafinger Ortsteils Nettelkofen vorbei führt.

Es geht wie so oft in diesen Wochen um zwei alte Eichen, eine steht seit 300 Jahren. Beide sollen für den Ausbau einer Straße auf Geheiß des Staatlichen Bauamts Rosenheim und des Ebersberger Kreistags gefällt werden, was Proteste in der Region und bundesweite Solidarität auslöste. Hier setzt die Mitteilung des Vorsitzenden im Bund Naturschutz Ebersberg an. Nach Ansicht von Olaf Rautenberg ist die Zufahrtsstraße zum Gewerbegebiet Taglaching vergleichbar mit der Kreisstraße EBE 8 zwischen Grafing Bahnhof und Wiesham, die unweit der Eichen vorbei führt - und nun ausgebaut werden soll. Da die Zufahrtsstraße in Taglaching nur 4,90 Meter breit ist, sei auch ein Ausbau der derzeit 5,33 Meter breiten Kreisstraße verzichtbar.

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Das Straßenbauamt Rosenheim kommt jedoch zu einem anderen Schluss: Die Zufahrtsstraße in Taglaching sei mit 4,90 Meter breit genug. Die Kreisstraße in Grafing aber sei mit 5,33 Meter zu schmal.

Begründung: Die Zufahrtsstraße ist zwar Teil einer Staatsstraße, der St. 2351. Diese sei jedoch "die mit Abstand am wenigsten klassifizierte verkehrsbelastete Straße im Landkreis Ebersberg", hieß es vor sechs Jahren in einer Erklärung der damals zuständigen Stelle im Landratsamt an Brucks Bürgermeister Josef Schwäbl. Das Gewerbegebiet von heute war damals noch in der Planung. Die Prognose aus dem Landratsamt: "Durch ein neues Gewerbegebiet wird sich der Verkehr auf der St 2351 sicher erhöhen." Angesichts des damals offenbar sehr geringen Verkehrsaufkommens könne "dieser zusätzliche Verkehr gefahrlos abgewickelt werden". Das Straßenbauamt Rosenheim sah es genauso, legte jedenfalls keinen Protest ein.

Am Gewerbegebiet in Taglaching reicht eine schmälere Straße für die Erschließung. (Foto: Christian Endt)

Anders im aktuellen Fall in Nettelkofen. Dort sieht das Bauamt durch die aktuelle Straßenführung eine Gefahr, vor allem durch die schmale Fahrbahn, die es für Lkw-Fahrer abenteuerlich macht. Zudem soll eine Kurve begradigt werden. Das Bauamt reichte seine Bedenken an den Bauherrn der Kreisstraße - das Ebersberger Landratsamt - weiter. Samt "Hinweis auf drohende "Schadensersatzansprüche bzw. strafrechtliche Verfahren".

Bleibt die Frage nach der Vergleichbarkeit beider Straßen. Anruf bei Brucks Bürgermeister Josef Schwäbl (CSU), der sein Gewerbegebiet mittlerweile eröffnet hat. Man müsse die beiden Straßen differenziert sehen, so Schwäbl. Die EBE 8 sei rege befahren. "Da ist viel mehr los als bei uns in Taglaching", sagt er. Auf der Kreisstraße sind Busse und Lkw unterwegs. Dies sei auf der St 2351 durch Taglaching anders. "Zum Gewerbegebiet fahren so gut wie keine Laster, weil die Firmen keine brauchen", sagt Schwäbl. Dies sei seiner Gemeinde bei der Auswahl wichtig gewesen. Vier bis fünf Grundstücke habe man bisher an Gewerbe verkauft, es stehen auch noch Flächen leer.

Ein Szenario ist demnach, dass mit zunehmendem Verkehr in Taglaching irgendwann doch eine Verbreiterung der Straße notwendig wird. Die Eichen wird dies aber nicht retten. Olaf Rautenbergs Vorstellung wäre, die Kreisstraße EBE 8 im Bereich der Eichen mit einer Engstelle zu versehen, damit die Bäume weder gefällt noch versetzt werden (was das Risiko stark erhöht, dass sie absterben). Rautenbergs Recherchen nach hat das Bauamt solche Engstellen in anderen Teilen Bayerns geschaffen. "Dort steht dann ein Schild mit dem Hinweis, dass man langsamer fahren muss."

Die Prognose des Straßenbauamts Rosenheim zu einer sogenannten "Trichterlösung": Diese hätte "negative Auswirkungen auf die Verkehrsqualität und vor allem auf die Verkehrssicherheit eindeutige Kerndefizite (...), die nicht vertretbar wären".

© SZ vom 16.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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