Ehrenrettung eines geschmähten Instruments:Volles Rohr

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Stefan Temmingh und die Blockflöte - das war Liebe auf den ersten Blick. Und sie hält immer noch. (Foto: Harald Hofmann)

Stefan Temmingh, Meister der Blockflöte, präsentiert im Trio "The Gentleman's Christmas"

Von Udo Watter, Haar

Weihnachten und Blockflöte. Das ist ein durchaus schwieriges Begriffspaar. Wie viele Kinder mussten und müssen ihren Eltern und Großeltern zur Adventszeit "O du Fröhliche" oder "Alle Jahre wieder" auf dem schlanken Holzblasinstrument vorspielen? Mag sein, dass sich die lauschenden Familienmitglieder angemessen gerührt zeigen, aber - ganz ehrlich - der weihnachtliche Zauber geht in solchen Momenten oftmals schnell flöten.

Ganz anders wird mit Sicherheit das Hörerlebnis an diesem Samstag im Kleinen Theater Haar sein, wenn Stefan Temmingh, mitunter als "Faun mit der Blockflöte" bezeichnet, dort auftritt. Zusammen mit Domen Marinčič, Gambe und Violoncello, sowie Wiebke Weidanz, Cembalo, präsentiert der Echo-Klassik-Preisträger von 2016 das Programm "The Gentleman's Christmas". "Das Konzert wird sich sicher lohnen, ich freue mich schon sehr darauf", erklärt Matthias Riedel, Theaterchef und als studierter Trompeter ein Kenner. "Das Thema ist ja negativ belastet. Aber die Blockflöte ist ein hochvirtuoses Instrument und Temmingh hat eine musikalische grandiose und sehr charmante Art, es zu präsentieren", sagt Riedel. Auf dem Programm stehen Werke des Barock, von Bach über Telemann und Händel bis zu Arcangelo Corellibis und Michel Clavet.

Nun, wer den 1979 in Kapstadt geborenen Temmingh, der seit den späten Neunzigern in München lebt, einmal gehört hat, wird seine Vorurteile von der lieblich-kindlichen Blockflöte in der Tat revidieren müssen. Der aus einer niederländisch-südafrikanischen Musikerfamilie stammende Virtuose vermag auf seinem Instrument einen kraftvollen Klang und eine beeindruckende Expressivität zu entfalten. Das kann auch daran liegen, dass er als Jugendlicher in seiner Heimat lange auf einer Plastikblockflöte spielte, die ihn zu besonderen Anstrengungen und Techniken nötigte. Das Problem, zu leise zu sein, hat er jedenfalls nicht, eher im Gegenteil. Früher hat er die Flöte gar als "männliches Instrument" bezeichnet, auch weil er sich bemüßigt fühlte, das oft unterschätzte Instrument mit markantem Vokabular zu etablieren. Nun, ob männlich-kraftvoll oder weiblich-filigran - Temmingh beherrscht die ganze Klaviatur des Flötenspiels und auch die Literatur bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen. Er selbst schätzt vor allem die "absolute Einfachheit": Erstaunlich, was sich mit einem "Rohr mit Löchern" so alles anfangen lässt.

Temmingh ist nicht zuletzt wegen seiner Bühnenpräsenz ein Live-Ereignis, er gastiert international mit seinem Barockensemble und als Solist mit Orchestern, die er auch oft selbst leitet. Für seine CD-Projekte erhielt er mehrere wichtige Auszeichnungen, neben dem Echo-Klassik den International Classical Music Award, die "Editor's Choice" des Gramophone Magazins sowie den "Diapason d'or". Seine Begleiter Domen Marinčič und Wiebke Weidanz sind ebenfalls Musiker mit beeindruckenden Referenzen.

Das Konzert mit diesen drei arrivierten Musikern respektive die Resonanz darauf hat für Riedel auch wegbereitende Bedeutung: Er will generell hochwertige Klassik am Kleinen Theater Haar stärker etablieren. "Ich finde es wichtig, dass wir auch solche Leute holen. Die Klassik soll Teil unseres Profils werden."

"The Gentleman's Christmas" mit Stefan Temmingh im Kleinen Theater Haar, Samstag, 15. Dezember, um 19 Uhr.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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