Ehrenamtliches Engagement:Einmal über die Straße helfen für fünf Euro

Im Zornedinger Gemeinderat wird über den Sinn einer Bezahlung für Ehrenamtliche diskutiert. Der Kreis will seine Freiwilligen hingegen weiter entlohnen. Überprüft wird aber, ob die Höhe der Entschädigungen gerecht ist

Von Carolin Fries

Was ist es wert, wenn jemand dafür sorgt, dass Grundschüler eine stark befahrene Straße auf ihrem Schulweg sicher passieren? Ein Dankeschön, ein Einladung zum Essen, ein paar Euro - oder ist dieser Dienst gar unbezahlbar? Darüber lässt sich trefflich streiten. Zuletzt hat der Zornedinger Gemeinderat entschieden, den Stundensatz für die Schülerlotsen von 5,11 Euro auf sechs Euro zu erhöhen, als "Anerkennung", wie Bürgermeister Piet Mayr (CSU) sagte.

Die Grünen stimmten dagegen: Unter einem Ehrenamt stelle man sich "a bisserl was anderes vor", entgegnete Barbara Weiß. Doch wie genau definiert sich das Ehrenamt im Landkreis zwischen unentgeltlicher Tätigkeit zum Gemeinwohl und Rentenaufbesserung? Ist es gerecht, dass Schülerlotsen in vielen Gemeinden nicht einen Euro für ihren Dienst erhalten, in Vaterstetten hingegen fünf Euro pro halbstündlichen Einsatz? Dass die Kommunen und der Landkreis für manche Ehrenamtlichen bezahlen und für andere nicht? "Gerecht ist das nicht", sagt Norbert Neugebauer, Leiter des Landratbüros. Darum überarbeitet eine Arbeitsgruppe derzeit die Entschädigungssatzung des Kreises. Über eine Empfehlung zur Anpassung der Sätze sollen Kreisausschuss und Kreistag womöglich noch im Dezember abstimmen.

Worum es geht? Um Transparenz. "Und a bisserl Gerechtigkeit", wie Neugebauer sagt. Aktuell regelt die Entschädigungssatzung die Aufwandsentschädigungen für die ehrenamtlichen Kreisräte und für ehrenamtliche Kreisbürger, die nicht Kreisräte sind, aber für den Landkreis ehrenamtlich tätig sind. Dazu gehören unter anderen der Kreisarchivpfleger, der Kreisheimatpfleger, die Behindertenbeauftragte, der Kreisjagdberater, der Kreisbrandrat. Sie alle erhalten für ihr Ehrenamt eine monatliche Pauschale.

Wie hoch die Pauschalen sind, darüber sprechen die wenigsten. Das Thema Geld ist auch im Ehrenamt tabu. Doch wenn die Vergütungen angepasst werden sollen, dann müssen sie hinterfragt werden. Es ist davon auszugehen, dass in Kreisausschuss und Kreistag diskutiert wird, ob es angemessen ist, dass der Landkreis seinen 13 Naturschutzwächtern eine stündliche Aufwandsentschädigung von 8,20 Euro zahlt, während etwa die Arbeit des Mobilitätsforums ohne Vergütung in Anspruch genommen wird. Dabei lässt sich der Blick auf den Umgang mit dem Ehrenamt in Gemeinden, Vereinen und der Kirche nicht ausklammern. Während die katholische Kirche in Ebersberg "für keinen Ehrenamtlichen bezahlt", wie Pfarrsekretärin Sylvia Wammetsberger sagt, zahlen Vereine ihren Übungsleitern drei Euro pro Stunde. Der Student also, der einmal in der Woche eine Gruppe im Pfarrheim leitet, bekommt nichts, während der aus der Turnhalle im Jahr 120 Euro erhält.

Hilde Tiemann, Vorsitzende vom TSV Zorneding, findet das "okay". Für sie ist es auch gerechtfertigt, dass derselbe Student das Doppelte in der Stunde bekommt, wenn er Straßenübergänge sichert. "Das ist eine noch größere Verantwortung", sagt sie. Dass sich das Ehrenamt durch die verschiedenen Entschädigungssätze Konkurrenz macht, befürchtet sie nicht.

"Je mehr wir das Ehrenamt vergüten, desto gefährlicher ist es, dass es bald keines mehr ist", sagt hingegen Markt Schwabens Bürgermeister Georg Hohmann (SPD). Gerade jüngere Menschen seien es gewöhnt, Geld für ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten zu bekommen, "an gewissen Enden bröckelts da". Dabei sollte es doch eine Selbstverständlichkeit sein, sich gegenseitig zu helfen , findet Hohmann. Den Ruf, das Ehrenamt unbedingt stärken zu müssen, den hat er auch in Markt Schwaben vernommen. "Doch sollten wir das Ehrenamt am Ende nicht nur auf monitäre Füße stellen."

Denn dann verdient der "ehrenamtliche" Schülerlotse plötzlich mehr als die Kassiererin oder Friseurin. Mit stündlich zehn Euro liegt der "Verdienst" eines Schülerlotsen in Vaterstetten jetzt schon deutlich über dem Mindestlohn. "Wenn sich jemand engagiert, dann sollte man das auch vergüten", sagt Manfred Weber, Leiter des Vaterstettener Amtes für Tiefbau und Verkehrsrecht. Pro Schuljahr zahlt die Gemeinde ihren Lotsen an den vier Grundschulen etwa 31 000 Euro aus. "Hoch zufrieden" sei man mit deren Arbeit.

Mehr als zufrieden ist auch Aßlings Bürgermeister Hans Fent mit seinen Schülerlotsen. Erst kürzlich hätten ihn Eltern gefragt, ob sie nicht einen zusätzlichen Übergang sichern dürften. "Ich ziehe den Hut vor Menschen, die auch ohne Bezahlung gerne etwas machen", sagt Fent. In Aßling zahlt die Gemeinde nichts für seine Ehrenamtlichen, für keinen. "Ein Ehrenamt ist für mich unentgeltlich", sagt Fent. Er würde sich einen bewussteren Umgang mit dieser Bezeichnung wünschen, die in vielen Fällen kaum mehr zutreffe, nicht zuletzt bei ehrenamtlichen Bürgermeistern. Entscheidend ist für Fent die Motivation.

Warum engagiert sich jemand? "Idealismus", sagt Kreisbrandrat Andreas Heiß. Sämtliche Feuerwehrler im Landkreis arbeiten für nullkommanull Euro pro Stunde, lediglich die Kommandanten erhalten gemessen an der Fahrzeugart der Wehr eine Aufwandsentschädigung. Wie viele Vereine und Institutionen hat auch die Feuerwehr immer wieder mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. Ob dieses Problem mit Geld zu beheben wäre? "Da kämen auch nicht mehr", sagt Heiß.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: