EHC Klostersee:Großeinsatz im Eishockey-Stadion

Nach der Attacke auf einen Fanbus rückt die Polizei mit 40 Beamten zum Heimspiel gegen die Selber Wölfe an

Von Korbinian Eisenberger

Wenn die Eismaschine des EHC Klostersee zu später Stunde ihre Runden durchs Stadion dreht, sind die Gesänge von den Rängen selbst bei großen Siegen längst verstummt. Doch an diesem Freitagabend ist alles anders: Eine Stunde nach Spielschluss dröhnen immer noch dumpfe Gesänge von der Nordtribüne. Sie stammen von 20 jungen Männern, die von bewaffneten Polizisten unter der Anzeigetafel eingekesselt sind. Die Beamten blockieren die Ausgänge, um die gegnerischen Fans zu schützen. "Wir wollen raus, wir wollen raus!", schallt es durch das Rund.

EHC Klostersee: Eishockey trifft Polizei: Die Beamten positionieren sich in den Gängen des Stadions, wo auch die Spieler vorbeikommen.

Eishockey trifft Polizei: Die Beamten positionieren sich in den Gängen des Stadions, wo auch die Spieler vorbeikommen.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Vier Stunden zuvor dringt nur leises Gedudel durch den Seiteneingang des Eishockeystadions. Von Trikots, Fahnen und Schals ist eine Stunde vor Anpfiff noch nichts zu sehen. Nur eine Gruppe dunkler Gestalten hat sich mit verschränkten Armen vor dem Stadion aufgebaut. Eine junge Frau mit blonden Zöpfen hält einen Schutzhelm fest. An ihrem Gürtel: ein Pistolenhalfter und ein Schlagstock. Plötzlich ein Rauschen aus ihrem Mikrofon. "Zum Eingang", lautet der Funkspruch. Die Frau und ein kräftig gebauter Mann verschwinden in der Dunkelheit. Im Licht eines Scheinwerfers leuchtet auf ihren schusssicheren Westen der Schriftzug "Polizei".

Das Eishockeystadion gleicht an diesem Freitagabend einem Hochsicherheitsareal. Wegen der Ausschreitungen nach dem EHC-Heimspiel gegen Deggendorf eine Woche zuvor herrscht höchste Alarmstufe. Etwa 40 Beamte haben sich vor Beginn der Partie gegen die Selber Wölfe um das Stadion verteilt. Mit verschüchterten Blicken schleicht eine Gruppe Mädchen in roten Trikots an einer Schlange von Polizei-Einsatzfahrzeugen vorbei. Dort, wo sonst freundliche Frauen die Eintrittskarten abreißen, werden sie und die 500 Stadiongäste von bewaffneten Polizisten empfangen.

Hinter dem Eisengitter am Eingang haben die Beamten zehn junge Männer in eine Ecke gedrängt. Ein dunkelhaariger Bursche mit schwarzer Baseball-Kappe blinzelt in das grelle Kopflicht einer Videokamera, die ihm ein Polizist ins Gesicht hält. "Wir machen einen Identitätsabgleich", erklärt Einsatzleiter Hendrik Polte. Unter den verdächtigen Fans sollen die Chaoten ausfindig gemacht werden, die den Deggendorfer Bus vor einer Woche mit Steinen beworfen haben. Polte war vom Ausmaß der Ausschreitungen überrascht. "So etwas kannte ich bisher nur von großen Fußballspielen", sagt er. An einen vergleichbaren Einsatz bei einem Eishockeyspiel in der Oberliga kann er sich nicht erinnern.

EHC Klostersee: Nach dem Spiel riegeln die bewaffneten Polizisten den EHC-Fanblock ab, um ein Aufeinandertreffen mit Anhängern der Selber Wölfe zu verhindern.

Nach dem Spiel riegeln die bewaffneten Polizisten den EHC-Fanblock ab, um ein Aufeinandertreffen mit Anhängern der Selber Wölfe zu verhindern.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Auf dem Eis ist das Spiel bereits in vollem Gang, als der junge Mann mit der Kappe in den Block zu seinen Kollegen hochsteigt. "Eine Sauerei ist das, wenn man so behandelt wird", sagt er. Dann hebt er die Arme und feuert den Fanblock an. "Brigade, Brigade!" hallt es jetzt von der Nordkurve aus durch das Stadion. Die meisten der Fans, die hier stehen, gehören zur Vereinigung Brigade Grafing, die im Visier der Polizeiermittlungen steht. Zwei Polizeitrupps flankieren den Block. Armin Fichter, der im Souvenirstand daneben Fanartikel anbietet, kennt die Parolen der Brigade mittlerweile nur zu gut. Seitdem sich auf der Nordtribüne immer häufiger wilde Szenen abspielen, verkauft er an seinem Stand kaum mehr etwas. "Die normalen Fans trauen sich gar nicht mehr vor meinen Stand", sagt er.

Bedrohlich wirken die Schlachtenbummler der Brigade beim ersten Hinsehen jedoch kaum. Mit Turnschuhen, Jeans, Nickelbrillen, Kapuzenjacken und Käppies sehen viele von ihnen aus wie normale Buben. Die meisten seien Anfang 20 und gingen zur Arbeit, erzählt einer. "Wir wollen eigentlich keinen Stress, aber wenn zwei von uns auf dem Klo zusammengeschlagen werden, sind eben die Gemüter erhitzt", sagt ein anderer.

EHC Klostersee: Mit Schlachtrufen und Gesängen macht die Brigade Grafing Stimmung im Stadion.

Mit Schlachtrufen und Gesängen macht die Brigade Grafing Stimmung im Stadion.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Wer die etwa 50 Steinewerfer sein könnten, da ist man sich im Block einig, das weiß keiner. Und dann ertönt es wieder aus den 20 bis 30 Kehlen: "Hurensöhne, Hurensöhne!" Die Rufe gelten den Fans der Selber Wölfe, denn gerade hat der Puck im Gehäuse des EHC eingeschlagen. Armin Fichter schüttelt den Kopf: "Wir haben früher nach den Spielen mit den gegnerischen Fans zusammengesessen und gefeiert."

Fichter, der seit 35 Jahren zu den Spielen des EHC geht, ist davon überzeugt, dass vor allem der Einfluss von neu dazugekommenen Münchner Eishockey-Fans, von denen an diesem Abend in Grafing aber keiner auszumachen ist, für die schlechten Manieren der Brigade-Anhänger verantwortlich sind. "Wer sich nicht ordentlich aufführt, gehört rausgeschmissen", sagt er.

Am Getränkestand nebenan läuft das Geschäft mau. Wegen des eingeführten Alkoholverbots darf nur noch alkoholfreies Bier ausgeschenkt werden. Der Verkäufer ist verzweifelt: "Ich mache ein Pleitegeschäft." Aus Furcht vor den Fans möchte er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Für Einsatzleiter Polte ist das Alkoholverbot jedoch ein wirksames Mittel, um Ausschreitungen wie jene vor einer Woche zu verhindern. "Völliger Blödsinn", kommentiert dagegen Fichter . "Die Leute aus der Brigade-Kurve trinken ohnehin nichts. Bestraft werden die Fans, die seit Jahrzehnten ins Stadion gehen und dazu ein zwei Bier trinken wollen."

EHC Klostersee: Und das Ergebnis? Die Selber Wölfe siegen mit 4:2 und feiern die vorzeitige Meisterschaft.

Und das Ergebnis? Die Selber Wölfe siegen mit 4:2 und feiern die vorzeitige Meisterschaft.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Ein Aufeinandertreffen der Fanlager verhindert die Polizei an diesem Abend. Während die Anhänger der Selber Wölfe nach dem 4:2-Sieg vor den Bussen auf die vorzeitige Meisterschaft anstoßen, dröhnen die dumpfen Stimmen der Brigade aus dem Eisstadion: "Eishockeyfans sind keine Verbrecher!"

Erst als die beiden Fanbusse aus Selb um die Ecke gebogen sind, werden die 20 Männer von der Polizei durch den Hinterausgang der Eishalle eskortiert. Wie Schwerverbrecher werden die jungen Männer von 15 Polizisten in die Grafinger Innenstadt eskortiert. Einige werden zu ihren Autos begleitet, andere bis vor ihre Haustüre. Die Nacht verschluckt die letzten Schlachtenbummler-Rufe. Und im Dunkeln flüstert ein Polizist: "Wer hat eigentlich gewonnen?"

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