Egmating:Kauzige Kreaturen

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Vor allem die Männerwelt nimmt die Autorin aufs Korn, hier den "Intriganten Schleimling". (Foto: Illustration: Evelyn Filep)

Evelyn Filep präsentiert in Glonn ihr Buch "Verrückte Pilze"

Von Victor Sattler, Egmating

Wer sich traut, seinen persönlichen Obsessionen zu folgen, wird oftmals belohnt. Davon kann der Japaner Satoshi Tajiri ein Lied singen: Besessen vom Hobby des Käfersammelns erschuf er 1995 das Videospiel "Pokémon", das heute Milliarden wert ist. Dabei waren die ersten Taschenmonster nicht mehr als fiktive Insektenspezies, denen der Künstler jeweils menschliche Eigenarten einhauchte.

Hätte das jemand Evelyn Filep vor zwanzig Jahren gesagt, könnte man heute womöglich Kindern dabei zusehen, wie sie sich auf dem Smartphone den "G'schamigen Weißbreitling" schnappen. Aber so weit ist es noch nicht gekommen mit den überschwänglichen Pilz-Fantasien der 60-jährigen Egmatingerin. Bisher tummeln sich ihre kauzigen Kreaturen noch nicht auf Bildschirmen, sondern nur in dem Büchlein "Verrückte Pilze", das die Künstlerin jetzt verlegt hat. Auf fast 60 Seiten stellt sie Fabel-Gattungen in Text und Bildern vor, darunter solch Tropen wie der "Laberling", der "Fungus egoisticus" oder der "Wies'n-Champignon", die mehr über unsere Welt sagen sollen als über die der Pilze. Mal in falschem Lateinisch, mal in waschechtem Bayerisch; manchmal charmant und dann wieder eher peinlich.

Vor allem kehrt die Autorin, die vergangenes Jahr erst ein liebevolles Kinderbuch über vermenschlichte Schwammerl geschrieben hat, hier nun ihren kritischen Blick nach draußen: Nicht durch die Blume, sondern durch den Pilz sagt Filep ein paar klassischen Charakteren, was sie von ihnen denkt. Und warum man vor diesen Typen auf der Hut sein sollte. Die Kinderlein warnte sie noch vor dem "dicken Satanspilz" mit Dreizack - diesmal hingegen haben es Exemplare ins Sortiment geschafft, die weit weniger drollig, wenn auch gleichermaßen knollig sind: Von ausgekocht-bösen Männertypen kann Filep berichten, dem "Wuselnden Brünstling" etwa, der sich als Macho für unwiderstehlich hält, dem "Schweren Nötling", der durch unernste Absichten für Frauen ungenießbar wird, dem "Intriganten Schleimling" und dem nervtötenden "Muskelprotz". Für Singles auf der Suche sieht die Autorin offenbar schwarz.

Aber ihr Zynismus ist nicht auf schlechte Partner beschränkt. Manche Einträge üben Kritik am amerikanischen Präsidenten oder am Bundestagswahlkampf. Andere Schilderungen erlauben sich düstere Urteile: Der "Lästernde Hausschwamm", die einzige "Sie" unter den Pilzen, gibt nur vor, sich im Haushalt nützlich zu machen, um ungehindert ihr verbales Gift verspritzen zu können. Findet ihr Tratsch kein Ventil, so gehe die Dame bald an ihren eigenen Toxinen ein, vermutet die Autorin.

Begleitet wird diese Einschätzung von einer der besseren Illustrationen des fröhlichen Clans, die sich dadurch auszeichnet, dass sie die schrumpelige, schamlose Pilzdame auch ganz ohne Erklärtext pointiert charakterisieren könnte. Letztlich sind diese hübschen Sketche aber wohl besser für eine urige Website oder eine launige Ausstellung wie nun in Glonn geeignet als für ein Softcover - denn die Stärke der Schwammerl-Schelmin liegt nicht im Sammeln ihrer Ideen, sondern im glücklichen Einzelfund.

Ausstellung "Glonner Spezialitäten - bei Eintritt bitte lächeln" in der Klosterschule, Arbeiten von Evelyn Filep, Rüdiger Thorwarth und Wolfgang Lammerding. Vernissage am Freitag, 13. Oktober um 19 Uhr, Klosterweg 7.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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