Egmating:Faszination Tiefe

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"So eine Doppelkamera erregt schon Aufsehen": Horst Ehrenberg beim Skifahren in Zermatt. (Foto: privat)

Horst Ehrenberg aus Egmating hat sich ganz der Stereoskopie, also der 3-D-Fotografie, verschrieben. Am Mittwoch zeigen er und seine Vereinskollegen ihre neuesten Werke in München

Von Anja Blum, Egmating

Räumliches Sehen ist dem Menschen nur bis zu einer Entfernung von etwa 20 Metern möglich. "Alles, was darüber hinausgeht, nehmen wir nur als eine Art gestaffelte Kulisse wahr", erklärt Horst Ehrenberg aus Egmating. Er beschäftigt sich viel mit optischen Phänomenen, denn er hat sich einem besonderen Hobby verschrieben: der Stereoskopie, also dem dreidimensionalen Fotografieren oder Filmen. Es beruht auf einem einfachen Effekt: Liefert man dem menschlichen Gehirn zwei Abbildungen eines Motivs, die aus zwei leicht verschobenen Perspektiven aufgenommen wurden, macht es daraus automatisch ein 3-D-Bild. "Im einfachsten Fall muss der Fotograf zwischendrin nur das Gewicht von einem auf das andere Bein verlagern", sagt Ehrenberg.

Doch ganz so einfach ist es freilich nicht. "Es gibt einige Regeln, die man beachten muss, sonst wird der optische Eindruck ziemlich schräg", so Ehrenberg. Vor allem müssten die Entfernungen - zum Motiv und zwischen den beiden Blickwinkeln, die den Augenabstand des Menschen simulieren - miteinander korrelieren. "Sonst sieht das Bild nicht mehr natürlich aus." Bei Landschaftsaufnahmen etwa komme es unwillkürlich zu einem Liliputismus-Effekt, weil es den Augenabstand eines Riesen bräuchte, um einen echten 3-D-Seheindruck zu erzeugen. Auf den Betrachter wirke das Bild dann wie eine Spielzeuglandschaft. "Es ist einfach viel Erfahrung nötig, um ein Gespür für die richtigen Maße zu bekommen." Außerdem müssen die beiden Aufnahmen - bis auf den minimal veränderten Blickwinkel - völlig identisch sein. "Da darf kein Wind wehen, keine Wolke gewandert sein." Deshalb gibt es spezielle Stereokameras mit zwei Objektiven, die zwei Bilder gleichzeitig aufnehmen können.

Ehrenberg, heute 67 Jahre alt, widmet sich der Stereoskopie bereits seit seiner Zeit an der FH für Feinwerktechnik in München. Ein Dozent habe ihn "mit diesem Virus infiziert", indem er seine Studenten beauftragte, Kameras und Projektoren für 3-D-Bilder zu bauen. "Ich war einfach nur hin und weg, dass das funktioniert", erinnert sich der Egmatinger, der später bei einem Luft- und Raumfahrtkonzern in Ottobrunn arbeitete. Dort habe er sich mit der Entwicklung von Infrarotkameras beschäftigt. Als dann der frühe Ruhestand begann, stürzte sich Ehrenberg ganz in die 3-D-Welt, führte die Regionalgruppe München der Deutschen Gesellschaft für Stereoskopie (DGS) als deren Leiter von der analogen in die digitale Ära. "Damit hat der ganze Prozess wieder von vorne angefangen", sagt er, in seinen Vitrinen stünden jedenfalls zahllose Zeugnisse einer langen technischen Entwicklung: Von einem klobigen Stereoskop aus Holz über "Guckis" aus Plastik bis hin zu selbst gebastelten Halterungen für Doppelkameras.

Heute, sagt Ehrenberg, sei die Stereoskopie technisch perfektioniert. Er selbst sei oft mit einer handlichen Doppelkamera unterwegs, um 3-D-Bilder einzufangen. Seine Leidenschaft gehört jedoch den Makroaufnahmen. Anschließend hilft eine Software, die Aufnahmepaare exakt auszurichten, für eine ansprechende Präsentation stehen Silberleinwand, Beamer und Polarisationsfilter zur Verfügung. Sie sorgen dafür, dass jedes Auge lediglich das ihm zugeordnete der beiden deckungsgleich projizierten Bilder sieht. Die bekannteste Form dieser Filter ist die 3-D-Brille. Doch auch ohne sie kann man stereoskopische Bilder betrachten, indem man bewusst schielt oder mit einem starren Parallelblick sozusagen hindurchsieht. "Aber das erfordert etwas Übung", weiß Ehrenberg.

Stereoskopie sei mit viel Geduld und Aufwand verbunden, "aber wenn man begeistert ist, nimmt man das nicht so wahr", sagt der Egmatinger. Doch worin liegt diese große Faszination gegenüber üblichen, zweidimensionalen Aufnahmen? "Ganz klar: in der Tiefenwirkung", sagt Ehrenberg. Der Mensch habe sich sehr an "flache Bilder" gewöhnt, "doch wenn in einer Schau dann auf einmal die dritte Dimension hinzukommt, geht immer ein Raunen und Staunen durch's Publikum".

Trotzdem ist die Stereoskopie wenig verbreitet: Etwa 500 Mitglieder zählt die DGS deutschlandweit, zu den monatlichen Treffen in München kommen laut Ehrenberg 20 bis 30 Aktive, bei den "Fotofreunden Glonn" sei er leider ein Einzelkämpfer. Aber: "Steigende Zuschauerzahlen bei öffentlichen Vorführungen sprechen für die Qualität unserer Bilder." Und die Nachwuchssorgen des Vereins - Durchschnittsalter 65 Jahre - hofft Ehrenberg dank neuer Technik bald lindern zu können: "Smartphones mit hochauflösenden Displays und entsprechende Betrachtungsgeräte sind jedenfalls der letzte Schrei."

Präsentationsabend am Mittwoch, 13. April, 19 Uhr, in der Chemieschule, Ludmillastraße 30. Die Themen: "Okavango", "Flora downunder - Frühling in Australien", "Berlin - Kaleidoskop", "Über Geiern - Faszination Drachenfliegen", "Untertage", Tropische Schmetterlinge", "Im neuen Rathaus in München" sowie "Weiß und kalt - einige Landschaften"

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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