Ebersberger Kreistag:Ebersberger Kreistag: Die Ruhe vor dem Sturm

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Ungewohnt locker war die Sitzordnung, gewohnt locker die Stimmung im neuen Ebersberger Kreistag, der zum ersten Mal nach der Wahl coronabedingt im Sparkassensaal zusammenkam. (Foto: Christian Endt)

Die große Frage im neuen Kreistag nach dieser konstituierenden Sitzung: Lässt sich die Stimmung angesichts der heraufziehenden Wirtschaftskrise halten?

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Ein bisschen Routine kann in ungewöhnlichen Zeiten nicht schaden, und in Sachen Routine sind konstituierende Sitzungen kaum zu übertreffen. Auch die erste Sitzung des neuen Ebersberger Kreistags hatte die üblichen Formalien abzuarbeiten, dass dies außerhalb der üblichen Normalität geschah, war aber nicht zu übersehen. Nicht nur war die Sitzung aus Infektionsschutzgründen in den geräumigen Sparkassensaal verlegt worden, es gab gleich zu Beginn nachdenkliche bis warnende Worte von Landrat Robert Niedergesäß (CSU).

Nach einer kurzen Einleitung, in der er die gute Arbeit im Gremium in den vergangenen Jahren lobte, besonders die sachlichen Debatten und den höflichen Umgang der Kreistagsmitglieder, stimmte der Landrat diese auf schwierige Zeiten ein. Mit Verweis auf einige in der vergangenen Wahlperiode auf den Weg gebrachten Projekte, etwa das Schulbau- und -sanierungsprogramm, den Nahverkehrsplan und das kommunale Wohnbauunternehmen, machte Niedergesäß klar, dass dadurch bis auf weiteres nicht nur wenig Raum für neue Projekte bleibe, sondern dass auch die Zeitpläne für die Vorhaben auf der Agenda durchaus wackeln.

Es gebe "neue Voraussetzungen" durch die Corona-Krise, so Niedergesäß, denn diese werde sich auf die kommunalen Finanzen stark auswirken. Der Landrat kündigte an, der Kreis wolle auf die Städte und Gemeinden Rücksicht nehmen, man wolle "Entscheidungen immer im Einklang mit der kommunalen Familie treffen". Bereits in der letzten Sitzung der vergangenen Wahlperiode war seitens der Verwaltung eine Erhöhung der Kreisumlage de facto ausgeschlossen worden - vor dem Hintergrund, dass in einigen Kommunen schon mehr oder weniger laut eine Aussetzung oder Stundung der Zahlungen an den Landkreis ins Gespräch gebracht wurde.

Auf diese Option ging Niedergesäß zwar nicht ein, kündigte aber an, dass die Agenda des Landkreises, was teure Projekte angeht, wohl nicht in Stein gemeißelt ist: Es werde "nicht alles gleichzeitig umgesetzt" werden können, einige Vorhaben müssten "geschoben werden".

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Zu dem Sparprogramm gehört offenbar auch, dass der Landkreis mehr Kontrolle über seine Ausgaben gewinnen möchte. Jedenfalls ging eine Initiative der Verwaltung zur Neuorganisation des Jugendhilfeausschusses in diese Richtung. Derzeit sind in dem Gremium stimmberechtigt, neben dem Vorsitzenden, Landrat Niedergesäß, sechs Mitglieder des Kreistages, sechs Vertreter von Trägern der freien Jugendhilfe und zwei in der Jugendhilfe erfahrenen Personen. Außerdem gibt es noch beratende Mitglieder mit Rede-, aber ohne Stimmrecht. In der neuen Wahlperiode hätten die zwei jugendhilfeerfahrenen Personen von stimmberechtigten zu beratenden Mitgliedern herabgestuft werden sollen, stattdessen wären zwei weitere Kreistagsmitglieder in den Ausschuss gekommen. Die Begründung der Verwaltung war, dass man der Gruppe der Politik damit eine Mehrheit verschaffen würde. Dazu, warum dies nötig sei, gab es indes keine Erklärung.

Walter Brimayer 2.0

Was fraktionsübergreifend für Irritationen sorgte, nicht zuletzt, weil die Sitzungsvorlagen dazu die Kreisräte erst am Wochenende erreichten und die Sache "offensichtlich nicht im Einvernehmen mit den Trägern der Jugendhilfe" geführt worden sei, kritisierte Doris Rauscher (SPD). Sie beantragte, diesen Punkt auf die Sitzung im Juli zu vertagen. Unterstützung kam von allen übrigen Fraktionen, auch die CSU wollte ihrem Landrat nicht folgen: "Wir sind der Meinung, dass wir erst Unstimmigkeiten ausräumen sollten, damit wir nicht mit einem Fehlstart in die Wahlperiode gehen", sagte Thomas Huber.

Dafür plädierte auch Wilfried Seidelmann (FW) und lobte die Arbeit des Ausschusses in den vergangenen sechs Jahren. Franz Greithanner (Grüne) sagte, er könne den Sinn der Änderung nicht verstehen, "bei den großen Aufgaben, die auf uns zukommen, würde ich ungern auf Fachleute verzichten." Ähnlich klang das bei Karl Schweisfurth (ÖDP): "Es erschließt sich mir nicht, warum wir es reduzieren sollen." Die Vertagung wurde ohne Gegenstimme beschlossen.

Sehr viel weniger kontrovers fiel die Wahl der Landratsstellvertreter aus. Ebersbergs früherer Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU) wurde in geheimer Wahl bei zwei ungültigen Stimmen zum ersten Stellvertreter des Landrates bestimmt, ein Amt, das er bereits seit 1996 ausübt. Und das sehr gut, wie die langjährige Grünen-Fraktionssprecherin Waltraud Gruber lobte: "Er hat uns gut vertreten, verfügt über großen kommunalpolitischen Erfahrungsschatz, genießt großes Vertrauen und ist ein Meister des Kompromisses." Um nicht zu viel Sympathie für den politischen Gegner zu zeigen, fügte sie noch an, "die Zustimmung gilt ausdrücklich der Person".

Ohne Gegenstimmen wurden die weiteren Stellvertreter bestimmt. Für die CSU bleibt dies Magdalena Föstl, für die SPD Elisabeth Platzer. Bei den Grünen löst Angelika Obermayr Waltraud Gruber ab, bei den Freien Wählern übernimmt Georg Reitsberger für Toni Ried.

Noch keine Entscheidung gab es über die Geschäftsordnung und die Satzung des Gremiums. Diese hätten wegen der Mehrarbeit im Landratsamt aufgrund der Corona-Krise noch nicht erarbeitet werden können, so Norbert Neugebauer, der Büroleiter des Landrates. Daher gelten Geschäftsordnung und Satzung des alten Kreistages weiter. Im Juli soll das Gremium dann über das neue Regelwerk beraten und abstimmen - und sich vielleicht über ein bisschen Routine freuen.

© SZ vom 06.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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