Süddeutsche Zeitung

Ebersberger Jazzfestival:"Weil ich liebe, was ich tue"

Lesezeit: 3 min

Drummer Guido May spielt bereits seit 25 Jahren mit Funk-Legende Pee Wee Ellis - am Donnerstagabend ist es wieder soweit

Interview von Simon Groß

Stars live: Am Donnerstagabend tritt Pee Wee Ellis beim Jazz-Festival in Ebersberg auf. Mit ihm auf der Bühne: der Münchner Schlagzeuger Guido May, der auch an der Ebersberger Musikschule unterrichtet. In der Pizzeria im Klosterbauhof erzählt der 51-Jährige, wie es ist, mit der Saxofon-Legende aufzutreten.

SZ: Sind Sie aufgeregt, wenn Sie mit dem Mann auf der Bühne stehen, der neben James Brown als Erfinder des Funk gilt?

Guido May: Nein. Ich liebe das so sehr, dass ich da einfach nicht mehr aufgeregt bin.

Haben Sie trotzdem einen Trick gegen Lampenfieber?

Ja, Atemübungen. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass gleich ein Schlagzeugsolo kommt, dann konzentriere ich mich auf die Atmung, atme sozusagen in den Beat hinein. Ich kann das mal vormachen. (May fängt an Luftschlagzeug zu spielen. Während er mit seiner Stimme einen Rhythmus erzeugt, atmet er tief ein und aus.) Das mache ich auch beim Laufen, allerdings in Dreierschritten. Rechts-links-rechts einatmen, links-rechts-links ausatmen.

Sie joggen also in Triolen?

Ja, das kann man so sagen (lacht).

Was bedeutet es Ihnen, mit Pee Wee Ellis auf einer Bühne zu stehen?

Es ist die Erfüllung meines großen Traums. Ich hatte immer das Glück, mit den Erfindern meiner Musikrichtungen spielen zu dürfen. Ich glaube, sie merken einfach, dass ich das liebe - schon als Kind hat mich Jazz und Funk tief berührt. Und beim Spielen will ich, dass man diese Einflüsse sieht, ich will, dass dann Afrika auf meinen Schultern steht. Und wenn die Kinder jetzt aus der Musikschule nebenan kommen würden, könnten sie das Leuchten in meinen Augen sehen.

Sie spielen bereits seit 25 Jahren mit Ellis. Wie genau ist es zu dem Engagement gekommen?

Ich hörte damals diese eine Platte rauf und runter: "Live on Planet Groove" von Maceo Parker - das war sozusagen meine Funkbibel. Darauf ist auch Pee Wee Ellis zu hören. Der Produzent der Platte, Stephan Meyner, wollte dann eine Solo-Platte mit Ellis machen und suchte in Deutschland nach einem Funk-Drummer. Ich habe ein Demotape mit meiner Band Scales Brothers aufgenommen und eingeschickt. Das war noch eine richtige Kassette! Sie haben es sich angehört und gesagt: "Den nehmen wir". 1996 kam das Album heraus, es hieß "A New Shift". Nach der darauffolgenden Tour war ich dann endgültig an Bord.

Gibt es Unterschiede zu anderen Engagements?

Die Grundlage von dem, was ich mache, ist immer die Improvisation, das ist das Wichtigste beim Jazz. Aber auch sonst ist es entscheidend, aufeinander zu hören. Egal, ob ich in einem Piano-Trio, zusammen mit einer Sängerin, oder in einer Big Band spiele, ob ich Latin, Modern Jazz, Funk, kubanische Musik oder Fusion mache - meine Einstellung ist immer die gleiche: Ich versuche, Kunst zu machen.

Auf der Bühne wirkt Ellis immer entspannt und locker. Wie ist er denn dahinter?

Genauso wie auf der Bühne. Er ist tiefenentspannt und redet nicht viel. (May lacht laut.)

Und wie ist Ihr Verhältnis zu ihm und der Band?

Es geht sehr familiär zwischen uns zu. Pee Wee, seine Frau und ich wissen fast alles übereinander, und das ist mit den anderen Bandmitgliedern genauso. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, wächst das alles irgendwie zusammen.

Wie bereiten Sie sich auf den Auftritt am Donnerstag vor?

Eigentlich gar nicht (lacht). Wir spielen ja die ganze Zeit zusammen. Das Pee-Wee-Ellis-Songbook habe ich sowieso im Kopf, der Rest geschieht dann auf der Bühne.

Aber einen Plan für die Show gibt es schon?

Natürlich. Vor jedem Konzert schickt Ellis immer eine Liste mit Songs herum. (May zeigt am Handy die Liste für Donnerstagabend, Stück für Stück stimmt er Melodie und Rhythmus a cappella kurz an.) Manchmal setzen wir uns aber auch einfach vor dem Auftritt zusammen, dann heißt es: "Any ideas guys? Auf was habt ihr heute Abend Lust?" Auf der Bühne gibt Ellis aber auch gerne mal Anweisungen für die Akkorde, dann zeigt er zum Beispiel einfach C-moll mit der Hand an, das werden Sie am Donnerstag sehen.

Wie kommunizieren Sie ansonsten auf der Bühne?

Ich habe meine Augen immer auf Pee Wee, das ist Oldschool, wie früher die Schlagzeuger bei James Brown. Ansonsten ist es mein Job, die Solisten gut klingen zu lassen.

Und wie machen Sie das?

Es gibt verschiedene Ebenen der Kommunikation. Aber weil ich liebe, was ich tue, weiß ich genau, wann ich "busy" spielen muss, wann ich mich zurücknehme und wann ich lauter werde. Mal funktioniert das gut - und mal nicht so, das ist ja das Spannende am Jazz. Im Prinzip ist es genau wie unser Gespräch: Wenn Sie mir gute Fragen stellen, kann ich gute Antworten geben.

Warum sollte man das Konzert am Donnerstag auf keinen Fall verpassen?

Celebrate your Icons! Das sind Ikonen der Musikgeschichte, die da mit einer internationalen Band auf der Bühne stehen. Und Pee Wee ist einfach der Wahnsinn! Einmal, kann ich mich erinnern, kam er am Flughafen im Rollstuhl an. Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Aber dann geht er auf die Bühne, setzt sein Horn an den Mund und hat die Energie eines 20-Jährigen.

Doppelkonzert im Alten Speicher Ebersberg: Pee Wee Ellis, davor Duo Bekmulin-Findling, am Donnerstag, 17. Oktober, um 19 Uhr, Einlass 18.30 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2019
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