Ebersberger Forst:Auf der Spur der Schädlinge

Borkenkäfer-Spuren in Ebersberg

Der Schädling hinterlässt im Stamm deutliche Spuren.

(Foto: Christian Endt)
  • Borkenkäfer sind winzige Tierchen. Gerade einmal fünf bis sechs Millimeter lang wird die in Bayern häufigste Art, der Buchdrucker.
  • Vor allem der trockene, heiße Sommer hat zur Vermehrung des Ungeziefers beigetragen.
  • Im Ebersberger Forst versucht man nun mit dem Problem fertig zu werden.

Von Christian Endt, Bruck

Borkenkäfer sind winzige Tierchen. Gerade einmal fünf bis sechs Millimeter lang wird die in Bayern häufigste Art, der Buchdrucker. Kirsten Joas sieht den Borkenkäfer aus hundert Metern Entfernung.

Natürlich ist es nicht der Käfer selbst, den Joas schon vom Auto aus sieht, wenn sie auf den ganz kleinen Nebenstraßen durch den Landkreis fährt. Die Revierförsterin des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ebersberg lässt den Blick über die Baumwipfel schweifen und sucht nach den Schäden, die das Insekt dort hinterlässt. Dort, wo die Kronen licht geworden sind und die Nadeln braun, muss Joas bald mal mit ihrer Spraydose anrücken. In diesem Jahr ist das ziemlich häufig der Fall.

Ist ein Baum vom Borkenkäfer befallen, hilft nur eins: Fällen und raus aus dem Wald. Nur so kann ein Übergreifen der Schädlinge auf weitere Bäume verhindert werden. "Von einem Baum aus können bis zu fünfzig weitere befallen werden", sagt Christoph Schwer von der Waldbesitzervereinigung Ebersberg/München-Ost (WBV). "Das potenziert sich also ziemlich schnell." In einem kleinen Waldstück in der Nähe der WBV-Geschäftsstelle in Pullenhofen zeigen Joas und Schwer die Schäden. Am Waldrand sind über 50 notgefällte Stämme gestapelt. Mit einem kleinen Beil schabt Joas die Rinde ab, darunter kommen die Höhlensysteme des Buchdruckers zum Vorschein, der deshalb so heißt, weil die Gänge von einem Hauptkorridor abzweigen wie Buchzeilen vom Falz in der Mitte. In den Gängen liegen die weißen Larven, krabbeln die braunen Käfer.

Widerstandsfähigkeit der Fichte geschwächt

2015 ist für den Borkenkäfer ein gutes Jahr: Bei Hitze und Trockenheit wie in diesem Sommer fühlt er sich wohl. Wächst eine Generation sonst bis zu sechs Wochen, seien es bei günstigem Wetter nur vier. Dann sind die Larven bereit, ihre Höhlen in der Rinde zu verlassen und den nächsten Baum anzufliegen. Die Fichten dagegen würden die heißen Sommer gar nicht mögen, ihre Widerstandsfähigkeit sei geschwächt. "Und dieses Jahr kommt auch noch eine Fichtenblüte dazu. Das passiert nur etwa alle sieben Jahre und schwächt die Bäume zusätzlich", sagt Schwer. Eine richtig schlimme Borkenkäfer-Epidemie, wie sie zum Beispiel 2003 die bayerischen Wälder verwüstete, sieht Schwer dieses Jahr zwar nicht, dafür sei es im Frühjahr zu kühl und feucht gewesen. "Aber wir haben schon Stress."

Ebersberger Forst: Der Baum wird zum Fällen mit Farbe gekennzeichnet.

Der Baum wird zum Fällen mit Farbe gekennzeichnet.

(Foto: Christian Endt)

Joas und Schwer sind gerade viel im Wald unterwegs, um befallene Bäume rechtzeitig zu finden. Das rote Farbspray ist die Waffe, mit der sie den Borkenkäfer bekämpfen. Mehr als markieren können sie die Bäume aber nicht, für das Fällen sind die Waldbesitzer selbst verantwortlich. Und per Gesetz eigentlich auch verpflichtet. "Vielen fehlt die Zeit, ständig ihren Wald zu begehen." Oft seien die Eigentümer berufstätig, manche leben weit weg, haben den Forst vielleicht geerbt. Häufig bleibt die Arbeit also an Joas und Schwer hängen. Denn der Borkenkäfer kümmert sich wenig um Flurgrenzen. Wenn ein Waldbesitzer nichts unternimmt, haben schnell auch die Nachbarn den Schaden. Wenn Joas also ein Gebiet im Verdacht hat - weil sie es vom Auto aus gesehen hat, weil jemand bei ihr angerufen hat oder weil es da schon im Vorjahr Befall gab - macht sie sich auf den Weg und schaut sich die Bäume aus der Nähe an.

Baum versucht das Ungeziefer mit Harz zu ertränken

Mit festen Schuhen und festen Schritten steigt sie über Brombeeren, pflückt sich eine, schiebt sie in den Mund, ohne langsamer zu werden. Hat sie die verdächtigen Bäume erreicht, muss sie Spuren lesen. Borkenkäfer erobern einen Baum als Liebespaar. Männchen und Weibchen bohren sich ein gemeinsames Loch in die Rinde. Der Baum wehrt sich, in dem er diese sogenannte Rammelkammer mit Harz befüllt und so versucht, das Ungeziefer zu ertränken. Zugleich senden die Käfer Duftstoffe aus. So wissen ihre Artgenossen, wo gerade ein Angriff stattfindet und eilen zur Hilfe. Unter den vielen Attacken bricht der klebrige Widerstand der Fichte irgendwann zusammen. Nach wochenlanger Hitze und Trockenheit geht es umso schneller.

Ist die Rammelkammer erfolgreich eingenommen, knabbern sich die Käfer weiter durch die Rinde. Für den Nachwuchs legen sie ein Netz aus Gängen an, so dass jede Larve ihre eigene kleine Abzweigung bekommt.

Als erstes ist ein befallener Baum also daran zu erkennen, dass an vielen Stellen Harz aus der Rinde quillt. Danach halten Joas und Schwer Ausschau, ihre Blicke folgen dem Stamm nach oben. Für den endgültigen Beweis gehen die Forstexperten ganz nah ran an den Baum. Dort, wo die Schuppen der Rinde ganz leicht abstehen, sammelt sich ein feines, dunkelbraunes Pulver. Es ist das Bohrmehl, das der Borkenkäfer beim Bauen seiner Kammern und Gänge erzeugt. Es rieselt am Stamm herunter, sammelt sich auf der Rinde, auf dem Moos, auf den Brombeerblättern am Boden. "Am besten sieht man es auf Spinnweben", sagt Joas. Hat sie auf diese Art einen befallenen Baum identifiziert, sprüht sie ein großes, rotes K auf die Rinde.

Fällung der befallenen Bäume kann angeordnet werden

Mittels Laptop und GPS muss sie nun den Eigentümer des Waldstücks ermitteln und informieren. Die Zeit drängt: Die Bäume müssen aus dem Wald, bevor die Larven schlüpfen und die nächsten Stämme befallen. Wenn der Besitzer selbst keine Zeit hat, kann er auch die WBV mit der Fällung beauftragen. Wenn er gar nichts unternimmt, kann Joas die Fällung der Bäume anordnen, was aber mit viel Bürokratie verbunden sei. "Das versuche ich um jeden Preis zu vermeiden", sagt die Försterin. Zum Glück sei es nur selten nötig.

Es ist ja auch im Interesse der Waldbesitzer, den Borkenkäfer zu bekämpfen. Wo er die Rinde aufbohrt, folgt häufig ein Pilz, der das Holz befällt und blau verfärbt. Dadurch sinkt der Wert des Holzes um etwa ein Viertel, rechnet Schwer vor. Joas sieht das Hauptproblem woanders: "Als Forstwirt plant man über 20 bis 30 Jahre. Über Nacht kommt dann der Borkenkäfer und wirft alles über den Haufen."

Durch den Klimawandel wird das Problem wohl noch größer. Man müsse daher weg von Fichten-Monokulturen, sind sich Joas und Schwer einig, hin zu Mischwäldern. "Das geht nicht von heute auf morgen. Aber der Waldumbau findet statt."

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