Ebersberger Amtsgericht:"Brutale Missbrauchsfantasien"

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Ein 57-Jähriger aus dem Kreis Ebersberg verschickt und hortet kinderpornografische Bilder. Nun muss er dafür ins Gefängnis

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Er sei lediglich neugierig gewesen, pädophile Neigungen habe er dagegen überhaupt keine. Das war in aller Kürze die Rechtfertigung eines 57-jährigen Mannes, der sich vor dem Ebersberger Amtsgericht wegen des Besitzes und der Verbreitung von kinder- und jugendpornografischen Materialien verantworten musste. Geglaubt hat ihm das im Gerichtssaal aber niemand. Nach der Beweisaufnahme war für Richterin Vera Hörauf vielmehr klar: Hier sitzt jemand, der sein Problem nicht erkannt hat. Zeit zum Nachdenken jedenfalls bekommt der Mann nun mehr als genug, denn er muss für ein Jahr und sechs Monate ins Gefängnis.

Die Beweislast gegen den Angeklagten, einen arbeitslosen Mann aus dem nördlichen Landkreis, war von Beginn an schwer und eindeutig. Bereits im Jahr 2014 hatte er auf einer Internetplattform ein Bild mit kinderpornografischem Inhalt hochgeladen. Es war der Auslöser einer Reihe weiterer Straftaten, wie aus der Anklageschrift zu entnehmen war. Durch dieses, so sagte es der Mann in der Verhandlung selbst, sei er in Kontakt mit anderen Benutzern der Seite gekommen. Per Internetchat habe er laut Staatsanwaltschaft dann mit verschiedenen Personen kinder- und jugendpornografische Bilder ausgetauscht.

Doch damit nicht genug: Auf seinem heimischen Laptop und einem USB-Stick hat sich der Mann über die Jahre eine große Sammlung mit verbotenem Material angelegt. In der Anklageschrift ist von 216 kinderpornografischen- und 612 jugendpornografischen Bilder die Rede. Auch ein Video, das sexuelle Handlungen an Kindern zeigt, hatte der 57-Jährige dort archiviert. All das sei aus einer gewissen Neugier heraus geschehen, wie dessen Verteidiger zu Protokoll gab. "Er hat kein eigenes Interesse an sexuellen Kontakten mit Kindern und Jugendlichen", sagte der Rechtsanwalt über seinen Mandanten.

Dieser wollte sich zunächst nicht zur Sache äußern, dafür sprachen die Chatverlaufe des Angeklagten mit anderen Nutzern der Internetplattform für sich. "Das ist außergewöhnlich. So etwas habe ich hier noch nie erlebt", sagte Richterin Hörauf, die in ihrer Laufbahn bereits zahlreiche Fälle von Kinderpornografie verhandelt hat. Und tatsächlich schildert der Angeklagte in den von der Vorsitzenden zitierten Passagen sogar konkrete Sexualfantasien mit Säuglingen. Einmal geht es um ein erst vier Monate altes Baby, dann wieder um zwei sechs beziehungsweise sieben Jahre alte Mädchen. "Und Sie wollen mir jetzt sagen, dass Sie nicht pädophil sind?", fragte die Richterin in scharfem Tonfall. Davon aber wollte der Angeklagte nichts wissen. Die Fantasien seien eben aus dem Chatverlauf heraus entstanden, ernst gemeint habe er das nicht. "Ich glaube Ihnen kein Wort", entgegnete Hörauf. "Sie haben ein Problem, das Sie hier negieren."

Auch der Staatsanwalt wollte den Angeklagten nicht so einfach davonkommen lassen und bohrte genauer zu den Motiven nach - was dazu führte, dass die Ausführungen des 57-Jährigen immer mehr ins Absurde abglitten. Er habe festgestellt, dass auf der Internetplattform auch viel kinderpornografisches Material zu finden sei. Dagegen habe er etwas unternehmen wollen und deshalb die Dateien auf seinem Computer gespeichert. "Ich hab' die Bilder zum Beweis aufgehoben", so der Angeklagte, der damit für Kopfschütteln beim Staatsanwalt sorgte: "Das tut fast schon weh beim Zuhören. Was Sie sagen, ist voller Widersprüche."

Nicht gerade konsequent war der Mann auch, was eine Therapie für seine sexuellen Neigungen angeht. Er sei dazu bereit, wenn er im Rahmen der Strafe eine solche machen müsse, sagte er vor Gericht. Selbst um medizinische Unterstützung gekümmert habe er sich allerdings nicht. Er selbst erkenne dafür schließlich auch die Notwendigkeit nicht. "Ich hab' kein Problem", so der 57-Jährige. Diese Meinung aber hatte er recht exklusiv.

Die vorgeschobene Neugierde sei nur ein Begriff, hinter dem sich der Angeklagte verstecke, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. "Ich hätte mir mehr Einsicht gewünscht." Kinder- und Jugendpornografie sei "eine Seuche", die man nur mit empfindlichen Strafen bekämpfen könne. Das sah auch die Richterin so. Obwohl der Mann bisher noch keine Freiheitsstrafe verbüßen musste, verurteilte sie ihn zu eineinhalb Jahren Gefängnis. Hier lägen "brutale Missbrauchsfantasien" vor, sagte Hörauf, die darauf hofft, dass so ein Urteil womöglich andere Taten verhindern kann, "wenn die Leute sehen, was dabei rauskommt".

© SZ vom 19.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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