Prozess in Ebersberg:Zehn Monate Bewährung für einen Schlag mit der Hand

Prozess in Ebersberg: Der Grafinger Stadtbahnhof.

Der Grafinger Stadtbahnhof.

(Foto: Studio Peter Hinz-Rosin)

Am Grafinger Stadtbahnhof kommt es zwischen drei jungen Männern zu Handgreiflichkeiten - ein Fall für das Ebersberger Amtsgericht.

Aus dem Gericht von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Das Ergebnis dieses Schlags war "eine kleine Beule am Hinterkopf", wie das Opfer der Attacke erklärte. Nach "drei Tagen mit leichtem Kopfweh" habe er von dem Schlag nichts mehr gespürt, sagte der Mann auf dem Zeugenstuhl. Und dennoch war dieser Schlag dem Ebersberger Amtsrichter eine vergleichsweise saftige Strafe wert. Markus Nikol verurteilte den Angeklagten in einem Schöffenprozess zu zehn Monaten Gefängnis auf Bewährung. Knackpunkt bei diesem strengen Urteil: Der 21 Jahre alte Mechaniker aus dem Kreis Ebersberg verbüßt bereits eine Bewährungsstrafe.

Vor dem Ebersberger Amtsgericht ging es um einen Vorfall während der Oktoberfestzeit vor knapp einem Jahr am Grafinger Stadtbahnhof. Angeklagt waren zwei junge Männer, beide aus dem Landkreis Ebersberg, beide standen bereits wegen Drogenbesitzes vor Gericht. Am späten Abend des 29. September 2018 waren sie gemeinsam auf dem Heimweg von der Wiesn. Als sie in Grafing aus der S-Bahn ausstiegen, legte sich der ältere von beiden, ein mittlerweile 22 Jahre alter Auszubildender, mit einem Mann an, der ebenfalls aus der S-Bahn stieg. Ein 34-Jähriger, der auch im Landkreis Ebersberg wohnt.

Dabei, so wurde vor Gericht deutlich, schubste der Angreifer das Opfer zunächst über den Bahnsteig. Anschließend trat er mit dem Fuß mehrmals gegen den Oberschenkel des Mannes, ehe er ihm eine halb volle Bierflasche aus der Hand schlug. Als das Glas auf dem Boden zersplitterte, mischte sich der zweite Angeklagte ein, und schlug dem Mann mit der Hand auf den Hinterkopf. In dieser Szene unterscheiden sich die Versionen. Der Angeklagte räumte den Schlag zwar ein, er habe aber mit der flachen Hand zugeschlagen. Der Zeuge berichtete, dass er mit der Faust erwischt worden sei. Anschließend ließen beide Angeklagten von ihm ab.

Ein Angeklagter wurde erst vor vier Monaten wegen Drogenanbaus verurteilt

Bei der Ursachenforschung wurde deutlich, dass möglicherweise Alkohol zu all dem führte. Wie der 22-Jährige berichtete, hatte er im Lauf des Tages vier bis fünf Mass Bier auf dem Oktoberfest getrunken. Beim Anblick des 34-Jährigen war er dann davon überzeugt, dass dieser ihm seit einigen Jahren Geld schulde. "30 Euro", wie der Angeklagte im Gerichtssaal erklärte, deswegen habe er den Mann zur Rede gestellt.

Woher die Schulden stammen, dazu gab er auf Nachfrage des Richters keine Auskunft. Der Geschädigte erklärte, dass er von diesen Schulden keine Kenntnis gehabt habe. "Ich wusste nicht, worum es jetzt genau geht", erklärte er. Der zweite Angeklagte erklärte, dass ihn ein Splitter der zerbrochenen Bierflasche am Bein verletzt habe, "ich dachte, ich muss mich verteidigen" - daraufhin schlug er zu.

Der Schlag auf den Hinterkopf bringt ihm nun seine zweite Bewährungsstrafe innerhalb von vier Monaten ein, zudem verpflichtete ihn das Schöffengericht zu einer Zahlung von insgesamt 3000 Euro an karitative Einrichtungen. Hintergrund ist die Vorbelastung des Angeklagten: Im April wurde er wegen Drogenanbaus bereits zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Polizei ordnete ihm 330 Gramm Marihuana und 65 Ecstasy-Tabletten zu. Richter Nikol wendete Jugendstrafrecht an und ersparte ihm einen Arrest.

Zugute kam dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose. Der Mechaniker-Geselle hat einen festen Wohnsitz, eine unbefristete Arbeitsstelle, steht vor der Meisterprüfung und ist der Polizei seit der Aktion am Grafinger Bahnhof nicht mehr aufgefallen. Ohne Bewährung, aber nicht ungeschoren, kam sein Kompagnon davon: Der Richter verurteilte den 22-Jährigen zu 130 Tagessätzen von 20 Euro. Entsprechend seinem geringen Azubi-Einkommen ist das eine eher kleine Gesamtsumme, allerdings ist er nun vorbestraft.

Beiden kam entgegen, dass der 34-jährige Mann auf dem Zeugensitz offenbar Glück im Unglück hatte. Acht Tage nach den Schlägen auf den Oberschenkel hätten sich zwar gelbe Flecken auf der Haut gebildet, diese seien aber recht zügig wieder verschwunden - ebenso die Kopfschmerzen. "Ich hielt es deswegen nicht für nötig, zum Arzt zu gehen", sagte er, Folgeschäden habe er keine. Vor Gericht erklärten sich beide Angeklagten geständig und entschuldigten sich beim Geschädigten. Dieser wiederum erklärte, er nehme beide Entschuldigungen an.

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