Ebersberg:Wie Joseph Ratzinger das Schwimmen lernen sollte

Ebersberg: Pfarrer Heinrich Kurz.

Pfarrer Heinrich Kurz.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Heinrich Kurz ist mit Benedikt XVI. per Du. Am Sonntag feiert der Oberndorfer Pfarrer mit Verspätung sein 65. Priesterjubiläum. Im Gespräch mit der SZ erzählt er von seinen frühen Begegnungen mit dem späteren Papst.

Von Johannes Hirschlach, Ebersberg

Die Sonne lacht, Heinrich Kurz auch. Gut gelaunt schreitet der 89-Jährige über den Fußweg zur Kirche St. Georg im Ebersberger Ortsteil Oberndorf. Kies knirscht unter seinen Füßen, als er sich der großen, mit Strahlenmuster verzierten Eingangstür nähert.

Mit einem leisen Quietschen schwingt sie auf und der Mann mit Hut und weißem Leinenhemd verschwindet in der kühlen Dunkelheit. Viel hat er hinter sich, "Höhen und Tiefen" seien ihm im Leben begegnet. Die Schritte fallen nicht mehr ganz so leicht, das Sehvermögen hat stark nachgelassen. "Das muss man in Kauf nehmen", sagt Kurz unbekümmert.

Am Sonntag um 8.30 Uhr feiert Heinrich Kurz in St. Georg sein Priesterjubiläum. Vor 65 Jahren ist er in den Dienst Gottes getreten. Etwas zu spät, wie er anmerkt. Am 29. Juni 1951 habe er seine Weihe empfangen - entsprechend sei die feierliche Messe nun nicht ganz termingerecht. Seit 1998 ist der Senior für die Pfarrei St. Georg zuständig. Ursprünglich Münchner Großstädter, ist die hügelige Flur Oberndorfs ein lang ersehnter Wunsch. "Das war schon in der Kindheit mein Traum, auf dem Land zu leben", sagt er.

Aufgewachsen in München, der Vater als "Bierführer" schlecht bezahlt, erlebte Kurz noch als kleiner Bub den Aufstieg der Nazis, die Machtergreifung, die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Mit 15 Jahren wurde er Luftwaffenhelfer, "da war ich quasi Kindersoldat und musste die Flieger vom Himmel schießen, wenn man die armen Kerle denn erwischt hat", erinnert er sich, Bedauern schwingt in der Stimme mit.

Angst, im Krieg zu fallen

Sein 16. Geburtstag, der 23. April 1943, brachte dem jungen Zwangsrekruten ein prägendes Erlebnis. An diesem Karfreitag sei er sich sicher gewesen, sterben zu müssen. "Ich war ein wenig abergläubisch", gibt er zu. Doch Kurz fiel an seinem Geburtstag nicht. "Seitdem pflege ich, keine Vorahnungen mehr zu treffen", sagt er und lacht. Stattdessen sei er nach Kriegsende in den Kindergarten gegangen. "Das war nötig, weil die Kirche St. Bonifaz zerstört war", erklärt Kurz. Der Kinderhort habe als Ausweichort für die Messe gedient.

An diesem Tag habe er sich entschieden, Priester zu werden. "Es gab einfach zu wenige, da musste dann wohl ich einspringen", erzählt er. Kein halbes Jahr später begann der Heranwachsende in Freising mit dem Priesterseminar. "44 Leute waren wir, davon kann Bischof Marx heute nur davon träumen", sagt er scherzhaft.

Glücklich stützt sich Heinrich Kurz in seinem Oberndorfer Kirchlein auf eine Holzbank. Der Blick wandert über die prächtige Innenausstattung. Goldverzierter Stuck, Marmorvertäfelungen und ein gemalter Zyklus der Leiden des Heiligen St. Georg schmücken die Wände. Kurz' Lieblingsstück ruht über der Apsis. Der heilige Vater und Jesus beugen sich über eine Weltkugel.

Mit Ratzinger auf dem Fahrrad nach Freising

Die Skulptur habe dem Pfarrer so sehr gefallen, dass er extra Spiegel anbringen ließ, um für eine bessere Ausleuchtung zu sorgen, sagt er. Die Messe an diesem Kleinod zu feiern, findet Kurz "einfach schön", man spüre förmlich eine spirituelle Anwesenheit. Schön, so beschreibt er auch seine Studienzeit. Dort lernte der angehende Priester viele neue Gesichter kennen.

Mit den Kommilitonen habe er lange Mittagsspaziergänge unternehmen können. Einem davon, "dem Joseph, habe ich sogar das Schwimmen beibringen wollen", sagt er. Letztlich sei zum Glück daraus nichts geworden, da Kurz selbst ein "begeisterter Schlechtschwimmer" gewesen sei. Jener Joseph Ratzinger, der sich 2005 Papst Benedikt XVI. nennen sollte, legte mit Kurz am selben Tag die Priesterweihe ab und erhielt in seinen jungen Jahren noch häufig Besuch von seinem Mitstudenten. "Ich bin gern zu ihm mit dem Fahrrad nach Freising gefahren", schwelgt Kurz in Erinnerungen.

1966 übernahm er die Gottesdienste in der Münchner Pfarrei St. Lukas, zunächst provisorisch in einer Großgarage, ehe ein Kirchenneubau fertiggestellt war. Bis zu seinem Umzug nach Oberndorf betreute er die dortige Gemeinde. In der kleinen Ortschaft zwischen Ebersberg und Steinhöring fühlt sich Kurz heute zuhause.

Spaziergang durch den Vatikan

"Die Leute haben mich so herzlich aufgenommen", sagt er. Idyllisch ruht das kleine Pfarrhaus etwas abseits der Siedlung inmitten sattgrüner Wiesen. Dass er dort berufsbedingt nicht mit einer Familie leben könne, habe ihm "schon manchmal sehr weh getan", gibt Kurz zu, "aber man musste sich nun mal entscheiden".

Zu seinem Studienfreund Joseph Ratzinger hat der Priester noch immer Bezug. Mehrmals besuchte er das Oberhaupt der Katholischen Kirche in Rom, auch nach dessen Rücktritt. Bei einem seiner Spaziergänge durch den Vatikan habe er dabei sogar ein kurzes Pläuschchen mit Papst Franziskus halten können. "Das wurde mir aber erst im Nachhinein klar", erzählt Kurz kichernd. Durch seine Sehschwäche habe er den in eine weiße Robe gehüllten Mann vor ihm nicht genau erkannt. "Und dann konnte ich schließlich nicht fragen: Sind Sie's? Sind Sie's nicht?", erklärt er das Dilemma.

Leise spricht Kurz ein Gebet, ehe er den lichtdurchfluteten Saal St. Georgs verlässt. Vor der Tür zwitschern die Vögel, in der Ferne pfeift ein Zug. Mit 72 Jahren wollte der Pfarrer in den Ruhestand gehen. Ganz hat er es nicht geschafft, loszulassen. Zwei Messen pro Woche hält Kurz noch in Oberndorf. "Da bleib i", habe er sich gedacht, als er die weiß getünchte Kirche das erste Mal gesehen habe. Ein Wunsch, der sich auch für sein Jubiläum erfüllen wird.

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