Ebersberg:Wenn es für Bauern im Dorf zu eng wird

Bauer im Traktor

Wenn im Dorf kein Platz mehr ist, müssen viele Bauern neue Wege gehen (Symbolfoto).

(Foto: dpa)

Aus der Landwirtschaft ist vielerorts eine Industrie geworden, Ställe und Äcker werden immer größer. Viele Landwirte haben deshalb keinen Platz mehr in den Ortschaften - und müssen ihre Höfe verlegen.

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Früher, ja da war alles ganz anders. Da kannte der Bauer noch die Namen seiner Kühe und im Winter dampfte im Dorf der Misthaufen. Heute heißt der Bauer Agrarwirt und aus der Landwirtschaft ist eine Industrie geworden. Die Industrie schluckt die kleinen Höfe, und die Höfe, die übrig bleiben verschwinden langsam aber stetig aus dem Ortsbild. Dieses Bild schießt vielen durch den Kopf, wenn sie an die moderne Landwirtschaft denken. Stichwort: Strukturwandel.

Ist dieses Bild überzeichnet? Ein Anruf bei Franz Lenz, selbst Landwirt und Vorsitzender des Ebersberger Bauernverbandes. Lenz warnt dabei vor allzu düsteren Prognosen. Aber: "Sorgen mache ich mir schon was die Zukunft der Landwirtschaft betrifft." Und die Tendenz, dass Landwirte aus den Ortschaften aussiedeln gebe es tatsächlich. Was daran liege, dass viele Höfe expandierten wie Lenz erklärt. Für noch mehr Vieh, größere Ställe und Biogasanlagen. Auch im Landkreis führt diese Entwicklung dazu, dass einige Landwirte aussiedeln und die Ortschaften verlassen.

Wie zum Beispiel in Anzing. Landwirt Josef Springer ist bereits der vierte Anzinger Bauer, der aussiedelt. Die Familie Springer wird im Norden, einige hundert Meter vom Ortsrand entfernt einen neuen Hof eröffnen. Zwei Aussiedlerhöfe haben sich bereits vor vielen Jahren im Osten des Ortes an der Mühldorfer Straße niedergelassen. Vor rund vier Jahren folgte dann ein weiterer, Georg Mayr zog mitsamt seinem Hof in den Norden des Gemeindegebietes, auf die andere Seite der Autobahn. Wenn Josef Springer seinen Hof verlegt, dann bleiben im Ort selbst nur noch zwei landwirtschaftliche Betriebe übrig.

Anzing Aussiedlerhof

Wegen Platzmangel dominieren große Aussiedlerhöfe das Bild am Ortsrand von Anzing.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wenn ein Bauerndorf zur Wohnsiedlung wird, gibt es oft Nachbarstreits

Will ein Anzinger Landwirt neu bauen, dann landen die Anträge auf dem Schreibtisch von Helmut Wimmer, dem Leiter des örtlichen Bauamtes. Eigentlich passe die Entwicklung nicht ins Konzept der Gemeinde, die wenigstens einen Teil ihres urtümlichen Charakters beibehalten will, erklärt Wimmer mit Blick auf die Tendenz zur Aussiedlung von Höfen. Doch den Bauern bleibe oftmals nichts anderes übrig, als immer größere Ställe in die Landschaft zu setzen, sagt Wimmer. Er ist regelmäßig mit Landwirten im Gespräch: Ein Bauer aus dem Anzinger Ortsteil Lindach habe ihm kürzlich erklärt, er plane so, dass er die Fläche seines Hofes langfristig verdoppeln könne.

Wenn die Marktpreise für landwirtschaftliche Produkte sinken, müssen die Bauern, wollen sie ihren Umsatz halten, auch mehr produzieren - und benötigen dafür größere Flächen. Genaue Daten, wie viele Bauern im Landkreis in den vergangenen Jahren aussiedeln mussten, gibt es im zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) nicht. Amtsleiter Nebl schätzt die Zahl der Aussiedlungen in den vergangenen zehn Jahren auf höchstens zehn Fälle. Das ist eine überschaubare Zahl. Doch sie gibt keinen Aufschluss darüber, wie viele Bauern tatsächlich aus den Ortschaften verschwinden.

Schließlich gibt es auch die Landwirte, die nicht aussiedeln, sondern ihren Hof aufgeben. "Wir haben im Ort inzwischen gar keinen Milchbauern mehr", erklärt Franz Czech aus der Hohenlindener Gemeindeverwaltung, "die hören alle auf". Vor zehn Jahren habe der vorletzte Milchbauer in Hohenlinden seinen Stall abgerissen. Der einzig verbliebene Landwirt mit Milchvieh folgte dann in diesem Jahr - er will auf seinem Grundstück Wohnungen bauen.

Egmating, Bauernhof in Ortschaft.

In Egmating gibt es auch innerhalb des Dorfs noch genügend Platz für landwirtschaftliche Betriebe.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Entwicklung läuft aber längst nicht überall gleich ab. In Egmating beispielsweise habe in den vergangenen 15 Jahren nur ein einziger Bauer ausgesiedelt, heißt es aus dem dortigen Bauamt. Was wohl daran liegt, dass der Sog des Münchner Speckgürtels Egmating längst nicht so stark erfasst hat wie es beispielsweise in Anzing der Fall ist. In ländlicheren Gemeinden wie Egmating ist daher der Spielraum für Wachstum innerhalb des Ortes noch größer als in einer Gemeinde wie Anzing, in der über Nachverdichtung die innerörtlichen Lücken mit Wohnraum geschlossen werden.

In der Nachkriegszeit wurde der Platz zwischen den Höfen weniger

Wenn man Fotos von bayerischen Dörfern aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren betrachtet, dann fällt auf, dass da zwischen den Höfen noch viel Platz war. Enge und mangelnder Wohnraum waren damals noch kein Problem. Ab der Nachkriegszeit veränderte sich das aber rasant: Die Höfe wurden immer größer und wanderten aus den Ortschaften ins Umland ab.

Teilweise habe die Verdrängung von Landwirten aus den Orten auch mit Rechtsstreitigkeiten zu tun, erklärt Franz Lenz. Oftmals beschwerten sich neu zugezogene Anwohner über Geruchs- oder Lärmbelastung - und setzten sich damit oft gegen die Landwirte durch, so Lenz. Es gebe Fälle, in denen sich die neuen Nachbarn wegen krähenden Gockeln beschwert hätten und vor Gericht recht bekamen. Diese Problematik kennt man auch im Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten. Amtsleiter Nebl spricht von einer "veränderten Akzeptanz der Anrainer gegenüber landwirtschaftlichen Betrieben".

Auch der Tierschutz spiele bei der Erweiterung der Höfe eine Rolle, erklärt Bio-Bauer Lenz: "Einen neuen Stall baut man mit Laufstallhaltung, nicht mit Anbindehaltung, der braucht dann natürlich auch mehr Platz." Dadurch komme es auch vermehrt zu Teilaussiedlungen, bei denen Landwirte nur den neuen Stall außerhalb der Ortschaften errichten, so der Zornedinger Bio-Bauer.

Lenz blickt, was die Entwicklungen in der Landwirtschaft betrifft, mit Sorgen in die Zukunft. Mit der Expansion kämen auf die Bauern bisweilen hohe Kosten zu, "die haben oft ein ungutes Gefühl bei den Investitionen". Und während die Preise für landwirtschaftliche Produkte auf niedrigem Niveau stagnierten, stiegen die Grundstückspreise für landwirtschaftliche Flächen, so Lenz. Falls ein Bauer für die Erweiterung des Hofes Grund zukaufen müsse, dann stehe er vor einem Problem. Verschärft werde dieses noch dadurch, dass mit landwirtschaftlichen Flächen inzwischen richtiggehend spekuliert wird. Für den Preisanstieg seien nämlich auch Investoren verantwortlich, die gar nicht aus dem landwirtschaftlichen Bereich kämen, erklärt Lenz, sondern nur Flächen aufkauften, um sie dann teuer zu verpachten.

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