Ebersberg:Voll rechts

Fünf Monate auf Bewährung lautet die Strafe für einen 50-Jährigen, der betrunken Nazi-Parolen rief

Von Karin Kampwerth, Ebersberg

Ist ein Mann rechtsradikal, wenn er im Alkoholrausch Nazi-Parolen von sich gibt? Diese Frage musste nun vor dem Ebersberger Amtsgericht geklärt werden. Angeklagt war ein 50-Jähriger aus dem Landkreisnorden, der im vorigen Herbst auf dem Markt Schwabener Bahnhof lautstark und eindeutig nationalsozialistische Sprüche und Gesten von sich gab und dabei Passanten anpöbelte. Diese verständigten schließlich die Polizei, die den Mann erst in Gewahrsam nahm und dann zur Alkoholkontrolle brachten. Das Ergebnis: mehr als drei Promille.

"Ja, ich habe ein Alkoholproblem", räumte der Mann vor Richterin Vera Hörauf ein. Und: "Ich bedaure den Vorfall." Aber er habe sich an besagtem Tag gegen 17.30 Uhr mal wieder mit einer Gruppe getroffen, die sich regelmäßig am Markt Schwabener Bahnhof aufhalte, Alkohol trinke und dann rechte Parolen von sich gebe. "Das sind Leute aus dem rechtsradikalen Milieu", sagte der Pflichtverteidiger des Angeklagten. Nichtsdestotrotz habe ihm die Gruppe ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt, sagte der 50-Jährige, der geschieden ist, aber nach eigenen Angaben seit zwölf Jahren in einer stabilen Partnerschaft lebt - "mit einer Frau, die so gut wie nichts trinkt", wie er erzählte. "Wenn zwei saufen, das geht ja gar nicht." Ohnehin zeigte sich der Angeklagte weitestgehend einsichtig und im Klaren darüber, "dass ich mir mein Leben mit dem Alkohol verbaut habe".

Dabei habe es mit dem Trinken mehr oder weniger harmlos angefangen, erzählte er mit gesenktem Kopf. Er sei in einem Fußballverein gewesen, "da haben wir nach Niederlagen immer gesoffen". Er habe auch schon einmal eine Therapie gemacht und sei danach auch für ein Jahr abstinent gewesen. Doch die Sucht war stärker. Mit der Vorstellung, kontrolliert trinken zu können, folgte der nächste Absturz. Jetzt aber, das versicherte der arbeitslose Lagerarbeiter Richterin Hörauf und dem Staatsanwalt, sei das Fass übergelaufen. Für den 3. März habe er die Bestätigung, eine stationäre Therapie beginnen zu können. Als Beweis hatte er ein Schreiben der Suchtklinik dabei.

Richtig beeindrucken ließ sich die Richterin davon allerdings nicht. Denn auch, wenn sie dem Angeklagten die augenblickliche Reue abnahm, unterstrich ein Blick in sein Strafregister, dass er unter Alkoholeinfluss jegliches Unrechtsbewusstsein vermissen lässt. 17 Einträge sind darin aufgeführt, meist wegen Trunkenheit am Steuer, aber auch wegen Diebstahls und Nötigung. Auch einschlägige Vorstrafen sind dort verzeichnet. Wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist er 2005 schon einmal verurteilt worden, nachdem er am Ostbahnhof den Hitler-Gruß gezeigt hatte. Insgesamt saß der 50-Jährige fast fünf Jahre im Knast. Und war gerade erst drei Wochen wieder auf freiem Fuß, als er in Markt Schwaben erneut festgenommen wurde.

Dennoch plädierte der Staatsanwalt auf eine letzte Chance und eine Bewährungsstrafe mit der Auflage, dass er sich der stationären Therapie und im Anschluss einer Nachsorge unterziehe. Die Richterin gab zwar zu erkennen, dass sie sich nicht leicht damit tat, dem Staatsanwalt zu folgen. Schließlich könne es sein, dass dem Angeklagten mit einer Therapie gar nicht zu helfen sei. Dennoch schloss sie sich der Auffassung an, dass nicht eine rechte Gesinnung zu der Straftat geführt habe, sondern der Vollrausch und verurteilte den Mann zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe. Er nahm das Urteil an.

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