Süddeutsche Zeitung

Ebersberger Volksfest:Aus dem Leben eines Festwirts

Martin Lohmeyer veranstaltet das Ebersberger Volksfest dieses Jahr zum 10. Mal. Über die Arbeit vor dem Anzapfen, die Annehmlichkeiten - und Ärgernisse.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Eine Verschärfung im Volksfest-Regelwerk, und dann auch noch vor dem runden Jubiläum. Für einen Moment schaut Martin Lohmeyer so grantig drein, dass man ihm umgehend eine Mass Bier samt Hendl servieren will. Der Grund: Wegen eines Beschlusses im Ebersberger Stadtrat darf Lohmeyer den Container mit den anrüchigen Hinterlassenschaften der Volksfestgäste dieses Jahr nicht mehr am Wohngebiet aufstellen. Lohmeyer zeigt in die Richtung, wo der Volksfestplatz an eine Baumallee grenzt. Eingepfercht im Grün ist der Container nun für den Sattelschlepper nur noch durch eine winzige Lücke zu erreichen. Und wenn ein Gast die Lücke zuparkt? Lohmeyer sagt: "Dann haben wir hier einen großen Mist."

Wenn das Ebersberger Volksfest kommenden Freitag beginnt, wird Martin Lohmeyer wieder in seiner samtroten Trachtenweste durch die Festhalle gehen und reihenweise Grüße entgegen nehmen. In diesen Momenten ist er jener Martin Lohmeyer, den viele Leute kennen und sehen: der Mann mit dem Edelweiß am Trachtenhut und dem Wappen vom Ebrachtaler Trachtenverein auf der Lederhose. Weniger bekannt ist der Martin Lohmeyer, der gerade in Arbeitsgewand und Strohhut im Gabelstapler sitzt und Biertischgarnituren in die Festhalle fährt. Er sagt: "Manche denken: der geht nur spazieren und verdient einen Haufen Geld."

Auf dem Volksfestplatz gehen die Vorbereitungen in die Endphase. Lohmeyer und seine Helfer wuseln zwischen Bierbänken herum, es wird gehämmert und geschraubt. Natürlich soll die 71. Auflage möglichst perfekt werden, weil es für Lohmeyer das zehnte Volksfest als Festwirt ist. Und für Walter Brilmayer (CSU) nach 25 Jahren das 26. und letzte Anzapfen als Bürgermeister. Brilmayer tritt ab, und Lohmeyer macht die Dekade voll. Eine runde Sache also - wenn alles gut geht.

Der Festwirt trägt eine Latzhose, er hat sich fünf Kugelschreiber und ein Notizblatt eingesteckt. Unschwer zu erkennen, dass der 59-Jährige von Beruf Handwerker ist. Ein Drittel seiner Arbeitszeit investiert er aber in das Volksfest. "Es beansprucht mich das ganze Jahr", sagt er. Mit dem Ende des Münchner Oktoberfests beginnen die Vorbereitungen für die kleine Wiesn in Ebersberg. Im Herbst schließt er Verträge mit Schaustellern ab, organisiert die Securitys und führt Verhandlungen mit der Brauerei. Pro Jahr unterschreibt er 75 Volksfest-Mitarbeiterverträge, 50 davon für die Bedienungen in der Halle.

Wie die Spitze eines Eisbergs, nur dass die Basis Bier statt Wasser ist

Ein Volksfest hat Züge eines Eisbergs, von dem man nur die Spitze sieht. Mit dem Unterschied, dass es Bier als Basis hat statt Wasser. Dieses Jahr kostet die Mass Helles 8,60 Euro, also 30 Cent mehr als im Vorjahr und 2,10 Euro mehr als 2010 (siehe Kasten) nach Lohmeyers Übernahme. Kurz zuvor hatte die Ebersberger Familie Streidl die Volksfestleitung nach 60 Jahren aufgegeben. Damals stand im Raum, dass die Kreisstadt das Fest verliert. Also sprang ein Dreigestirn ein: der zweite Bürgermeister Josef Riedl, Ernst Zimmermann vom Trachtenverein - und Martin Lohmeyer. Riedl und Zimmermann übernahmen die Vorstandschaft des neu gegründeten Volksfestverein. Und Lohmeyer wurde Festwirt. Oder wie Josef Riedl es ausdrückt: "Er hat diese Idee komplett umgesetzt, weil er so ein Verrückter ist."

Wenn er nur gewusst hätte, worauf er sich da einlässt. Lohmeyer hätte natürlich trotzdem zugesagt. Wäre da nur nicht diese Geschichte mit dem Abwasser-Container. "Da muss ich mich seit Jahren drüber aufregen", sagt er. Der Knackpunkt: Lohmeyer beantragt alle Jahre wieder einen Anschluss der Volksfest-WC-Anlage an den Abwasserkanal der Stadt - mit verlässlichem Misserfolg. Hintergrund ist die Befürchtung des Stadtrats, dass der Platz dann zu Bauland werden könnte. Weil die Stadt auch nur Mieter ist, soll das aus allerlei Gründen verhindert werden. Eine Posse, die nun um ein Kapitel reicher wird: Weil einer Anwohnerin der Geruch stinkt, muss der WC-Container für dieses Jahr in das schwer erreichbare Eck am Sportplatz umziehen. Deswegen Lohmeyers grantiger Blick. Themenwechsel.

2,10 Euro

beträgt der Preisunterschied für eine Mass Bier auf dem Ebersberger Volksfest verglichen mit 2010. Bei Martin Lohmeyers Antritt als Festwirt vor neun Jahren lag der Masspreis bei 6,80 Euro, das halbe Hendl gab's für 6,70 Euro. 2019 liegt der Preis bei 8,60 Euro pro Mass - eine Steigerung von 31 Prozent. Auf dem Oktoberfest stieg der Masspreis im selben Zeitraum von 8,90 auf 11,80 Euro - also um 33 Prozent oder 2,90 Euro.

Er steht an einem Hallenpfeiler und fährt mit dem Finger über einen Holzbalken. Bei genauem Hinsehen sind Farbreste im Holz zu erkennen, Spuren aus dem Jahr 2010, als er die Halle inspizierte. Die Balken waren damals weiß und blau gestrichen, wild durcheinander. "Hat unmöglich ausg'schaut", sagt Lohmeyer. Also rückte er mit der kleinen Flex an, die mit der Papierscheibe. "Damit haben wir alles abgeschliffen, eine Heidenarbeit", sagt er. Die Bühne befand sich früher auf der Südseite, dort wo heute die Bar untergebracht ist. Und auch sonst war vieles anders. Damit künftig auch die Gäste im Biergarten vor der Halle die Musiker zu sehen bekommen, versetzte Lohmeyer die Bühne an die Seitenwand und ließ größere Fenster einbauen. Acht Helfer, drei Monate lang nach Feierabend, 2700 Stunden Arbeit.

Lohmeyer hat aus einem Traditions-Volksfest etwas gemacht, das er in der diesjährigen Volksfestzeitung als "ein bisserl vornehm, ein bisserl leger" bezeichnet. Anders als lange in Grafing oder dieses Jahr auf dem Poinger Volksfest, hat es in Ebersberg über all die Jahre so gut wie keine Schlägereien oder Übergriffe gegeben. Lohmeyers These: "Je schöner man das Fest herrichtet, desto weniger führen sich die Leute auf." Die Gästezahlen haben sich in zehn Jahren verdoppelt, 2018 kamen um die 30 000, viele durchaus durstig. Lohmeyer verdient mit dem Bierausschank nicht nur Geld - er berechnet daran auch die Besucherzahlen.

Am Freitagabend, wenn Bürgermeister Brilmayer sein Werk am Zapfhahn vollbracht hat, wird dieser andere Moment kommen. Martin Lohmeyer wird dann auf einer Bierbank sitzen. Vielleicht wird er kurz an Ewald Schurer und dessen Eingebung zurückdenken. Ganz sicher wird er in diesem Moment nicht grantig sein. Weil er dann mit seinem Trachtenhut, Hendl und Masskrug ausgestattet ist.

Das 71. Ebersberger Volksfest beginnt am Freitag, 9. August, um 19 Uhr mit dem letzten Anzapfen von Bürgermeister Brilmayer. Am Montag, 19. August, endet das Fest mit dem traditionellen Kesselfleischessen. Infos unter www.volksfest-ebe.de

Erschienen in der SZ vom 3. August 2019

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URL:
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Quelle:
SZ vom 03.08.2019/koei
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