Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Trauer um Marlene Schmitt-Jemüller

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Von Peter Schmitt, Ebersberg

Als im Frühjahr 1977 die sieben Landkreisausgaben der Süddeutschen Zeitung starteten, betrat nicht nur der Verlag in München teilweise Neuland. Auch in den anfangs recht kleinen Teams draußen in den Kreisstädten musste sich mancher auf fremdem und bisweilen unsicheren Terrain erst zurechtfinden. So war das auch in Ebersberg der Fall. Da war es gut zu wissen, dass es dort eine Fotografin gab, die offenbar nicht nur die letzte Ecke und die entlegensten Orte hinter Glonn kannte wie sonst keiner in der Redaktion. Marlene Schmitt-Jemüller schien es auch irgendwie geschafft zu haben, beinahe jedem Landkreisbewohner schon einmal begegnet zu sein, nicht nur den VIPs, sondern auch den vielen weniger prominenten Ebersbergerinnen und Ebersbergern. "Sie hat mit Hingabe fotografiert", sagt ihr Sohn, Claude Schmitt. "Sie liebte die Lokalpolitik und hat es genossen, bekannt zu sein." Die kleine energische Frau mit dem grauen Kurzhaarschnitt lichtete sie alle ab und alle Ecken des Landkreises mit. Im hektischen Redaktionsbetrieb der Gründerjahre kam es schon mal vor, dass ein Jungredakteur einen Fotografen mit ruppigen Bemerkungen abkanzelte. Nach dem Muster: Warum machen Sie eigentlich, wenn Sie die Kamera ansetzen, immer beide Augen zu? MSJ hätte so eine Klatsche sehr gekränkt. Und niemand hätte es gewagt, die zierliche Dame unverschämt anzureden. Man mochte sie einfach, und sie mochte ihre Zeitung, die Süddeutsche und die Ebersberger Neuesten Nachrichten. Das zeigte sie auch draußen im Einsatz, wenn der eine oder andere Bürgermeister oder sonstwie wichtige Politiker sich von einer kritischen Geschichte im Blatt ungerecht behandelt fühlte und seinen Unmut an der Redaktionsfotografin auslassen wollte. Dann kämpfte sie für ihr Blatt.

Kämpfen hatte die 1924 in Garmisch geborene spätere Fotografin früh gelernt. Nach Jahren als Krankenschwester in einem Kriegslazarett schlug sie sich 1948 - der Liebe wegen - nach Ägypten durch. Die Verbindung hielt nicht sehr lang. Doch Marlene Jemüller zog weiter nach Algerien und lernte schon bald den deutschen Kirchenmaler und Grafiker Friedrich Schmitt kennen, den der Krieg nach Nordafrika verschlagen hatte. Die beiden heirateten 1954 in Algier. Nach Ausbruch des Algerienkriegs zog das Paar mit den drei in Algerien geborenen Kindern 1960 nach Vaterstetten. Zuvor hatte die Garmischerin die wohl schwerste gesundheitliche Prüfung zu überstehen. Bei einer Schiffspassage steckte sie sich mit Polio an. Die Lähmungen bildeten sich bis auf eine leichte Behinderung am Arm wieder zurück. Die kleine Einschränkung führte dazu, dass sie als Fotografin auf die kiloschweren Teleobjektive verzichtete. MSJ ging lieber mit der Kamera ganz nah an ihre Motive heran. Von 1972 bis 1992 zuerst für den Regionalanzeiger und dann für die ENN. Am 10. April starb Marlene Schmitt-Jemüller im Altenheim Grafenaschau. Sie wurde 90 Jahre alt.

Die Trauerfeier findet an diesem Donnerstag, 16. April, 14 Uhr, in der Aussegnungshalle des Neuen Friedhofs in Ebersberg statt.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2015
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