Ebersberg:Träge Ermittlungen

Ebersberg: Nach dem rechtsradikalen Überfall auf den Imbiss am Bahnhof der Kreisstadt folgen zahlreiche Ebersberger dem Aufruf der Grünen und zeigen Solidarität.

Nach dem rechtsradikalen Überfall auf den Imbiss am Bahnhof der Kreisstadt folgen zahlreiche Ebersberger dem Aufruf der Grünen und zeigen Solidarität.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ende September überfallen acht Neonazis einen Döner-Imbiss in Ebersberg. Sie werden zunächst nicht verhört, erst nach vier Tagen gibt es Hausdurchsuchungen

Von Isabel Meixner, Ebersberg

Sie kommen mit Stock, Messer, zwei Hämmern und jeder Menge Aggression. Ende September dringen acht Neonazis in den Dönerimbiss am Ebersberger Bahnhof ein, zertrümmern Eingangstür und Vitrine und verletzen zwei Menschen: einen 20-jährigen Afghanen mit dem Messer an der Hand, seinen 31-jähriger Landsmann trifft die baseballschlägerähnliche Holzstange, er erleidet Platzwunden und Blutergüsse. Er muss ins Krankenhaus. Die Tat ist zweifelsohne fremdenfeindlich motiviert: Schon vor dem Überfall sind zwei der Täter am Bahnhof aufgefallen, als sie ausländische Mitbürger angepöbelt haben.

Die Polizei kann die Täter noch am selben Abend in einer Wohnung in Ebersberg auffinden, dabei stellt sie auch zwei Hämmer und ein Messer sicher, wie sie bei der Tat verwendet wurden. Verhört oder festgenommen werden die sieben Männer und eine Frau im Alter von 19 bis 24 Jahren jedoch nicht. Die Staatsanwaltschaft München II sieht keinen Haftgrund, weil die Tatverdächtigen einen festen Wohnsitz im Landkreis vorweisen können und die Ermittler dadurch keine Fluchtgefahr gegeben sehen - eine Argumentation, die nicht nur in der Bevölkerung, sondern selbst bei so manchem Juristen Kopfschütteln verursacht. Verhört wird die Gruppe nicht, weil sie an dem Tatabend angeblich zu betrunken war; später, im nüchternen Zustand, verweigert sie die Aussage.

Vier Tage nach dem Überfall durchsucht die Polizei dann vier Wohnungen der Tatverdächtigen. "Offensichtlich rechtsradikale Gegenstände" wie Fahnen findet die Polizei nicht, dafür nimmt sie Datenträger, Handys und Tablets mit. Auch wird das Landeskriminalamt der Staatsschutz-Abteilung der Kripo Erding zur Seite gestellt. Gegen alle acht Angreifer wird wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe ermittelt, gegen vier außerdem wegen gefährlicher Körperverletzung. Nur sie sollen in den Imbiss eingedrungen und zugeschlagen haben, während die anderen vor der Tür Schmiere standen. Den Anfangsverdacht des Landfriedensbruchs lässt die Polizei schnell fallen, weil dafür der Angriff "aus einer Menschenmenge" heraus erfolgen müsse. Anklage gegen die acht Neonazis - sie haben laut Polizei einige Vorstrafen von Körperverletzung bis zu Drogendelikten vorzuweisen - ist noch nicht erhoben worden, über den derzeitigen Ermittlungsstand schweigt die Staatsanwaltschaft.

In Ebersberg reagiert die Bevölkerung sofort: Eineinhalb Tage nach dem Überfall auf den Dönerladen treffen sich 80 Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz zu einer spontanen Mahnwache. Eine Woche später kommt es nochmals zu einer Solidaritätskundgebung: Dieses Mal setzen mehr als 500 Menschen, unter ihnen auch zahlreiche Lokalpolitiker, ein Zeichen für Solidarität und gegen Fremdenfeindlichkeit.

Die acht Neonazis sollen laut Polizei keiner organisierten rechten Szene angehören, eine solche gebe es im Landkreis Ebersberg nämlich nicht. Der Überfall wirft auch die Frage nach der personellen Ausstattung der Ebersberger Polizei auf: Angeblich sollen die Beamten der naheliegenden Inspektion erst 20 Minuten nach dem Überfall am Tatort eingetroffen sein. Die Polizei bestreitet das, laut ihrer internen Protokolle waren es neun Minuten.

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