Ebersberg:Stark in der Verletzlichkeit

Ebersberg: Die innere Nacktheit in der äußeren sucht Rusydah Ziesel. Die Ebersbergerin stellt nun in der Rathausgalerie aus.

Die innere Nacktheit in der äußeren sucht Rusydah Ziesel. Die Ebersbergerin stellt nun in der Rathausgalerie aus.

(Foto: Christian Endt)

Die Ebersberger Künstlerin Rusydah Ziesel zeigt in der Rathausgalerie Aktzeichnungen. Vernissage ist am Freitag

Von Anja Blum, Ebersberg

Un- oder nur leicht bekleidete Frauenkörper in Kunst und Werbung führen immer mal wieder zu Diskussionen. Was ist noch ästhetisch, was schon pornografisch? Sicherlich völlig unverdächtig, was letzteres angeht, ist das Schaffen von Rusydah Ziesel. Ganz im Gegenteil, schließlich setzt sich die Ebersberger Künstlerin seit langem auf unterschiedlichsten Wegen für die Stärkung des Weiblichen ein. Im Repertoire der 51-Jährigen, die eigentlich aus der pädagogischen Arbeit kommt, gibt es zum Beispiel kreative Selbstbehauptungskurse für das vermeintlich schwache Geschlecht oder die Performance "Laloba", in der von starken weiblichen Figuren erzählt und gesungen wird, außerdem beteiligte sich Rusydah Ziesel zuletzt an "One billion rising", einer weltweiten (Tanz-)Bewegung gegen Gewalt an Frauen. Und trotzdem leitet sie den Aktzeichenkurs des Ebersberger Kunstvereins und zeigt nun genau solche Arbeiten im Ebersberger Rathaus. "N-akt" ist die Ausstellung überschrieben, eröffnet wird sie mit einer Vernissage am Freitag, 19. Juli, um 19.30 Uhr.

Denn für Rusydah Ziesel liegt in all dem überhaupt kein Widerspruch, relativ irritiert reagiert sie auf eine entsprechende Nachfrage. "Für mich hat das überhaupt nichts Sexistisches", sagt sie mit großen, verwunderten Augen. Vielmehr wolle sie sich über die körperliche Nacktheit an die Nacktheit des menschlichen Innenlebens herantasten. "Ich suche nach dem Puren, Echten und erforsche dabei das Spiel des Sich-Zeigens und des Sich-Versteckens." Zentral ist für Ziesel dabei auch die Verletzlichkeit, denn nur wer diese zulasse, sei ein Mensch. Und Verletzlichkeit, das wird im Gespräch schnell klar, ist für die 51-Jährige eine typisch weibliche Eigenschaft, genauso wie die Kreativität, das Intuitive, Sanfte und Nährende - in Gegensatz zum männlichen Verstand, der momentan leider vorherrsche in unserer Welt. "Deswegen will ich das Weibliche immer stärken", sagt Ziesel und lächelt. Den Dualismus der Geschlechter sieht sie dabei bereits in der äußeren Form der Körper gegeben: weiche Konturen dort, harte da. "Das verdeutlicht doch schon die unterschiedlichen Qualitäten."

In der Ausstellung ist beides vertreten, Ziesel zeigt nackte Frauen wie Männer, jung und alt, mal ruhend, mal in Bewegung. Hier steht das Gesicht im Vordergrund, dort die Pose. Manche Zeichnungen fangen ein Detail ein, viele zeigen einen kompletten Körper. Die Ebersberger Künstlerin, die ansonsten auch abstrakt und mit Öl arbeitet, hat sich hier ganz bewusst für eine Werkschau entschieden, sie präsentiert vor allem spontane, schnelle Würfe, die allermeisten ohne Passepartout oder gar Rahmen drumherum. So darf der Betrachter ganz nah ran an die Kunst, kann sehen, wie der Maluntergrund am Rand verknittert, manchmal sogar eingerissen ist. "Ich möchte auch die Verletzlichkeit des Papiers zeigen", sagt Ziesel. Zum Zeichnen bevorzugt sie Kohle, da sich mit ihr sehr schnell klare Kontraste und Schraffierungen aufs Papier bannen ließen.

Viele der Arbeiten sind im Aktzeichenkurs des Kunstvereins entstanden. Was aber nicht bedeutet, dass ihre Schöpferin die Blätter nur ein einziges Mal zu Hand genommen hätte: Oft bereitet Ziesel Papiere vor, verleiht ihnen mit stark verdünnter Farbe eine malerische Struktur, im Kurs sucht sie dann das zu Modell, Pose und Stimmung passende Blatt aus. Manchmal nimmt sie eine Zeichnung auch mehrmals mit, erweitert sie immer wieder - zum Beispiel um eine zweite Figur, bis die Komposition in ihren Augen stimmig ist.

Die Ergebnisse zeugen von großem Können. Mit scheinbarer Selbstverständlichkeit wirft Rusydah Ziesel die Flächen und Linien der Akte aufs Papier, spielt mit der Wirkung von Weglassen und zeichnerisch Ausformulieren, verleiht ihren Figuren stets Stil und Charakter. Freilich, so manche erotische Kurve, so manches Geschlechtsteil ist hier zu sehen, doch bloßgestellt im übertragenen Sinne wird niemand. Ziesel porträtiert die Menschen mit Respekt, gerade ihre Frauen erscheinen meist selbstbewusst und in ihrer nackten Verletzlichkeit dennoch stark. "Mittlerweile weiß ich auch, was es heißt, von der Muse geküsst zu sein", sagt die Künstlerin und lächelt: "Bei manchen Modellen fließt es einfach."

Etwas aus dem Rahmen fallen einige bunte, kubistisch angehauchte Selbstporträts: In kleineren Formaten hat Ziesel hier ihr eigenes Gesicht gezeichnet - und zwar blind. "Die eine Hand tastet die Form ab, die andere malt Linien, ohne zwischendrin abzusetzen", erklärt sie. "Schauen kann nämlich auch gefühlt werden. Das ist eine interessante Erfahrung."

"N-akt", Ausstellung von Rusydah Ziesel im Ebersberger Rathaus, Vernissage am Freitag, 19. Juli, um 19.30 Uhr, zu sehen bis 29. August zu den üblichen Öffnungszeiten oder nach Vereinbarung mit der Künstlerin unter (0170) 944 39 55. Der Aktzeichenkurs beim Kunstverein wird im September fortgesetzt, er findet einmal im Monat sonntags statt.

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