Ebersberg:Schmutziges Begehren

Weil er Videos, auf denen zwei kleine Mädchen missbraucht und vergewaltigt werden, im Internet weitergibt, wird ein 24-Jähriger vom Ebersberger Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 4900 Euro verurteilt.

Von Karin Kampwerth, Ebersberg

Die Anklage ist erschütternd: Zwei Filme, einer sieben Minuten lang, der andere elf Minuten, für die darin gezeigten Kinder aber wohl von schier unerträglicher Dauer, zeigen deren Missbrauch und Vergewaltigung durch erwachsene Männer. Beim Vorlesen der Details hetzt die Staatsanwältin durch die Zeilen. Wohl auch, weil selbst für einen Profi in Sachen menschlicher Abgründe das Ausmaß solcher Taten unfassbar bleibt.

Den jungen Mann, der sich am Donnerstagmorgen wegen der Verbreitung dieser Abscheulichkeiten vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten muss und dafür zu einer Geldstrafe verurteilt wird, hat das Leiden der beiden etwa sieben und zehn Jahre alten Mädchen offenbar nicht berührt. Er leitete die Videodateien über die Instant-Messenger-Programme Skype und ICQ an Chatpartner weiter. "Weil man ihn dort danach gefragt habe", erklärt der 24-Jährige auf Nachfrage von Richterin Susanne Strubl. Wobei davon auszugehen ist, dass dem Hilfsarbeiter aufgrund seiner intellektuellen Unbedarftheit womöglich das Maß an Empathie fehlt, um einen kriminellen Zusammenhang zwischen den Taten der Kinderschänder und dem eigenen Verhalten herzustellen.

So fällt es ihm schwer, einfache Fragen der Richterin zu beantworten. Etwa bei der Klärung seiner finanziellen Verhältnisse. Ob er eine private Zusatzversicherung habe, wollte Strubl wissen. Schulterzucken. Oder ob er zu Hause Geld abgeben müsse. Es dauert lange, bis der Angeklagte "50 Euro" in den Saal hinein murmelt. Dass bei einem Nettoeinkommen von 1300 Euro "relativ viel übrig" bleibe, wie die Richterin sagt, und was er mit dem ganzen Geld anfange, das kann er nicht beantworten.

Mit seinem flusigen Oberlippenbärtchen, der großen Brille und der fahlen Gesichtsfarbe wirkt der 24-Jährige ohnehin wie jemand, der seine Freizeit lieber am Computer verbringt, als mit der Clique um die Häuser zu ziehen. Beim Surfen im Internet sei er auf die kinderpornografischen Seiten gestoßen, von denen er sich die Filme runtergeladen hat. Auf die Frage, ob er gezielt danach gesucht habe, antwortet er nicht, zeigt aber Reue. "Ich weiß nicht, was mich da geritten hat", räumt er ein. Er habe sich deshalb in psychiatrische Behandlung begeben. "Aber rausgekommen ist nichts."

Verteidiger Thomas Wolf springt seinem Mandanten bei. Die Untersuchung habe keinen Befund ergeben, eine pädophile Neigung konnte nicht diagnostiziert werden.

In seinem Plädoyer versucht Wolf deshalb auch, die dem 24-Jährigen zur Last gelegten Taten "gefühlsmäßig in die spätpubertäre Ecke" einzuordnen. Wohl wissend, dass er sich damit auf eine moralische Gratwanderung begibt, denn auf der anderen Seite habe man es ohne Zweifel "in drei ernsthaften Fällen mit kinderpornografischem Material zu tun", wie er sagt. Bei einer Hausdurchsuchung waren auf dem Computer des Angeklagten neben den Videos auch elf einschlägige Bilddateien gefunden worden.

Richterin Strubl will sich in ihrer Urteilsbegründung auf Entschuldigen nicht einlassen. Egal ob spät pubertierende Neigung oder ungesunde Neugier, die Taten seien kriminell. "Nur, weil es solche Leute wie Sie gibt, werden weltweit Kinder hässlich und heftig missbraucht", sagt sie an den Angeklagten gerichtet. Dennoch bleibt sie in ihrem Strafmaß unter der Forderung der Staatsanwältin, die eine Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung und eine Geldstrafe von 1500 Euro für angemessen hielt. Stattdessen verurteilt die Richterin den Angeklagten zu 140 Tagessätzen à 35 Euro, weil vieles auch für ihn spreche. So sei er bislang strafrechtlich nicht aufgefallen, zeige ehrliche Reue und habe vor Gericht weder versucht, sich herauszureden noch Entschuldigungen für sein Verhalten zu finden. "Stattdessen hat er seinen Fehler anerkannt und gestanden." Ohnehin sei die Wohnungsdurchsuchung durch die Polizei für ihn ein solcher Denkzettel gewesen und die Geldstrafe so klar und deutlich, dass er im Interesse der Kinder die Finger von solchen Dateien lasse. Andernfalls, daran lässt Strubl am Ende der Verhandlung keinen Zweifel, werde es mit Sicherheit keine Geldstrafe und keine Bewährung mehr geben.

Die Chatpartner, an die der Angeklagte die Videos weitergeleitet hatte, sind seinem Anwalt zufolge überführt worden. Diese Ermittlungen hatten die Fahnder dann auf die Spur des 24-Jährigen gebracht.

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