Ebersberg:Schlagfertige Zeugen

Widersprüchliche Aussagen zu Körperverletzung bei Club-Besuch führen schließlich zu einem Freispruch

Von Daniela Weichselgartner, Ebersberg

Wenn sich kleine Kinder streiten, sind Schuldzuweisungen häufig unvermeidbar: "Sie hat mich gekratzt", "Er hat mich geschlagen", da müssen Mütter und Väter häufig detektivisches Geschick beweisen, um den Verursacher des Streits zu finden. Ähnlich durfte sich Richterin Vera Hörauf bei einem Prozess um Körperverletzung gefühlt haben: Die Zeugen schildern zwei konträre Versionen des Tathergangs.

Der Angeklagte, der selbst nicht erschienen ist, sondern sich lediglich durch einen bevollmächtigten Anwalt vertreten lässt, wird beschuldigt, in einer Münchner Diskothek einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben. Doch es gibt noch eine andere Version des Vorfalls. Einziger Punkt, in dem sich alle Beteiligten einig sind: Der Ebersberger wurde vom Sicherheitspersonal ohne auffällige Gegenwehr aus dem Club gebracht. Danach driften die Erzählungen jedoch weit auseinander.

Ein unbeteiligter Zeuge entlastet den Angeklagten und wirft stattdessen einem Security-Mitarbeiter vor, die Arme des Ebersbergers auf dem Rücken fixiert zu haben, während sich sein Kollege Quarzsandhandschuhe, die in diesem Beruf für mehr Sicherheit getragen werden und die Schlagkraft erhöhen, angezogen hätte. Dann hätte der Handschuhträger "mit voller Wucht" ins Gesicht des Mannes geschlagen, will der Beobachter gesehen haben. Als Folge des heftigen Schlages habe sofort eine heftige Blutung eingesetzt und der Geschädigte sei zu Boden gesackt. Dort habe er mindestens zehn Minuten ohne Hilfe gelegen bis eine Sanitäterin sich flüchtig um ihn gekümmert habe und die Polizei eingetroffen sei, berichtet der Zeuge.

Ein ganz anderes Bild ergibt sich aus den Aussagen dreier Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes und der Sanitäterin. Man habe den Mann nach draußen geleitet, wobei er sich ruhig verhalten habe. Da dieser dabei Fotos von einem der Sicherheitsleute gemacht habe, wurde der Ebersberger gebeten, diese zu löschen. Daraufhin habe dieser "wie aus heiterem Himmel" mit der Faust ins Gesicht des Kollegens geschlagen, so einer der Sicherheitsmänner. Danach habe er selbst den Randalierer mit einem professionellen Griff auf den Boden befördert, woraufhin der Mann beleidigend und aggressiv geworden sei, auch gegen die hinzugerufene Sanitäterin. Zudem habe er sich absichtlich auf die Lippe oder Backe gebissen, sodass er aus dem Mund blutete, erzählen die Zeugen. Indem er eine nicht vorhandene Verletzungen und zudem eine Bewusstlosigkeit vortäuschte, habe er den Sicherheitsdienst der Körperverletzung bezichtigen wollen, behaupten die drei Security-Mitarbeiter. Die hinzugerufene Sanitäterin bestätigt diesen Eindruck und spricht zudem von einer erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten.

Es lässt sich nicht feststellen, welche Version der Geschichte der Wahrheit entspricht. Obwohl sich der Verteidiger aufgebracht über eine "primitive Absprache" zwischen den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes und der Sanitäterin ereifert und seinen Mandanten als Opfer darstellt, kann keinem der Beteiligten eine Falschaussage nachgewiesen werden. Denn auch die Fotos, die den Angeklagten mit Verletzungen im Gesichtsbereich zeigen, sind kein belastbares Beweismaterial, da der Zeitpunkt der Aufnahmen und die Ursache der Wunden nicht feststellbar sind. Somit endet der Prozess in einer Patt- Situation, sodass das Urteil schließlich "Freispruch" lautet.

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