Legenden und Sagen:Die magische Zeit zwischen den Jahren

Legenden und Sagen: Zwischen Heiligabend und Dreikönig gehen der Sage nach wunderliche Gestalten um, die wie Frau Percht und ihr dunkler Begleiter Gutes und Schlechtes bringen.

Zwischen Heiligabend und Dreikönig gehen der Sage nach wunderliche Gestalten um, die wie Frau Percht und ihr dunkler Begleiter Gutes und Schlechtes bringen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Warum man auch tagsüber von Raunächten spricht, ihre Verbote in Wirklichkeit Kraftquellen sind und man sie mal mit, mal ohne "h" schreibt.

Von Michaela Pelz

Ist wie an so vielem die Bürokratie schuld? Haben die "Rauhnächte", wie man die Zeit vom 24./25. Dezember bis 5./6. Januar auch bezeichnet, einfach im Zuge der Rechtschreibreform ihr "h" verloren und wurden deswegen zu "Raunächten"? Und woher kommt der Begriff überhaupt? Am besten fragt man da Ilona Picha-Höberth, die seit etwa 30 Jahren Raunachtsveranstaltungen und seit einem Jahrzehnt Führungen zum Thema veranstaltet, etwa in Wasserburg und Ebersberg. Sie lacht: "Da streiten sich auch die Etymologen." Manche leiteten es von den rauen (früher "rauhen") Fellen der Perchten ab oder führten den Begriff auf die "raue Zeit" der Natur zurück, bei der der Raureif symbolisch für die Kälte stünde. Auch die "Rauchwaren" könnten eine Rolle spielen, also die im Winter unabdingbaren Pelze. Am Ende meint sie: "Es geht beides. Wer lange und intensiv mit den Nächten arbeitet, schreibt sie schon immer ohne "h". Das ist auch die Version, für die ich mich entschieden habe."

Der Ebersberger Stadtführer Robert Bauer nennt einen weiteren Aspekt: "Der "Rauch" könnte auch auf das Ausräuchern des Hauses hindeuten, das früher in jedem Raum dreimal durchgeführt wurde." Dieses Ritual kennt der 62-jährige von seinen Großeltern väterlicherseits, die einen kleinen Bauernhof hatten, pflegt es selbst aber nicht.

Rauhnacht Raunacht

Woher die Legende von den Raunächten stammt, weiß Ilona Picha-Höberth.

(Foto: privat)

Die gleichaltrige Picha-Höberth räuchert hingegen schon. Dazu benutzt sie Kräuter aus dem "Frauendreißiger", also jener Zeit im August/September ab Maria Himmelfahrt, von der es heißt, dass das, was da gesammelt werde, besonders wirksam sei. Man bindet neunerlei Heilpflanzen wie Salbei, Rosmarin, Lavendel und mehr rund um eine Königskerze und bewahrt sie nach dem Weihen in getrockneter Form in den Häusern auf. In Wasserburg, wo Picha-Höberth seit 1996 lebt, kommt übrigens noch eine Rose in den Strauß.

In der Zeit zwischen den Jahren bleibt die Waschmaschine aus

Die gebürtige Miesbacherin hält sich auch an eine andere, im Zusammenhang mit den Raunächten sehr bekannte Tradition: Ihre Waschmaschine bleibt aus. Der Aberglaube besagt, dass sich Odin (bayerisch "Wode") und seine wilde Jagd in den aufgehängten Wäschestücken verfangen könnten, was wiederum ein Zeichen wäre, dass man selbst im neuen Jahr ein Leichentuch braucht. Tatsächlich war das gar nicht so weit hergeholt, wie Picha-Höberth erläutert. Dadurch, dass man früher nur draußen wusch und die Menschen meist nur ein Arbeits- und ein Festgewand besaßen, führte feuchte Bekleidung im Winter schnell zur Lungenentzündung und wurde damit zur tödlichen Bedrohung.

Ganz so drastische Konsequenzen hatte die Missachtung anderer Bräuche wie "Keine Tiere schlachten, keine Fingernägel oder Haare schneiden, kein Rad darf sich drehen - auch kein Spinnrad" wohl nicht. Aber einen Grund schon. Wie die Mythen- und Märchenforscherin auch in ihrem Buch "Zeit-Los" darlegt, spielt dabei die naturreligiöse Betrachtung heidnischer Glaubenskulte, im Lauf der Jahrhunderte mit christlichen Glaubensvorstellungen vermischt, eine große Rolle. Weil in einer Zeit mit wenig Sonne und "geschwächtem Säftefluss in Pflanzen und Bäumen" die Natur ruht, soll auch der Mensch innehalten, in die Stille gehen, sich bereit machen für das, was kommt. Zumal vor vielen hundert Jahren, als all diese Überlieferungen ihren Anfang nahmen, ohnehin eine erzwungene Untätigkeit herrschte: Die Felder waren im Winter zugefroren und in den Häusern wurde es früh dunkel, denn elektrisches Licht gab es ja nicht.

Raunacht ist nicht nur wenn es dunkel ist, sondern auch tagsüber

Uhren ebenso wenig - sicher ein weiterer Grund dafür, dass die "Raunächte" nicht um Mitternacht begannen, sondern sich auch über den Tag erstrecken. Die psychologische Astrologin Picha-Höberth dazu: "Infolge der Umstellung vom Mond- auf den Sonnenkalender, sowie der nachfolgenden julianischen und gregorianischen Kalenderreform gab es einen Überhang. Die Zwölf ist im Grunde nur als Ordnungszahl zu sehen." Allerdings wird sowohl beim Traum- als auch beim Wetterorakel, wie Bauer erzählt, von vielen eine chronologische Verknüpfung mit den Monaten des Folgejahres hergestellt. Warum den Leuten mit allerlei Gruselgeschichten förmlich eingebläut wurden, was sie tun und lassen sollten, erklärt die Wasserburger Expertin: "Man wollte daran erinnern, dass der Mensch Teil der natürlichen Ordnung ist und sie dazu anhalten, deren Lauf nicht zu beeinträchtigen." Das sei auch der Grund, warum Frau Percht ("Die Prächtige" oder "Große Mutter") bei ihrem Gang über die Welt jene strafe, die sich nicht daranhielten, während sie den anderen gütig Trost spende.

Solche, aber auch selbst erfundene Geschichten, bei denen sie historische Fakten und fiktive Gestalten verknüpft, um die Ereignisse bildhafter zu machen, wird man sicher bei Picha-Höberths Führung am 3. Januar zu hören bekommen. Und auch Robert Bauer wird beim Gang durch die dunkle Jesuitengasse am 28. Dezember so manche, durchaus unheimliche, Sage zum Besten geben.

Übrigens: Die Stichwortsuche im Internet liefert etwa 8700 Treffer für "Rauchnächte", bei "Raunächte" sind es circa 90 600 und die Anzahl der Fundstellen für "Rauhnächte" wird mit 438 000 angegeben. Also kann man wohl sagen, dass die Schreibweise das Allerunwichtigste ist. Worauf es wirklich ankommt in den Tagen der Raunacht ist: Ruhe finden, Einkehr halten, Kräfte sammeln, damit man mit Elan und Zuversicht ins neue Jahr gehen kann. Und weil der Weihnachtsstress nun vorbei ist, stehen die Chancen auf eine echte "stade Zeit" gar nicht so schlecht!

Raunachts-Literatur und CD: www.picha-hoeberth.com. Führungen (für Erwachsene gedacht) bei jeder Witterung, Treffpunkt vor Kirche St. Sebastian, 28. Dezember, 17 bis 18.30 Uhr, Robert Bauer (9 Euro); 3. Januar, 16.30 bis 18.30 Uhr, Ilona Picha-Höberth in Kooperation mit der VHS Ebersberg (11,50 Euro).

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