Ausstellung in Ebersberg:Bakary Sarr berührt mit gemalten Dramen

Ausstellung in Ebersberg: Die Lieblingsfarbe von Bakary Sarr ist Rot, wer hätte das gedacht? Warum das so ist, wird der senegalesische Künstler dem Publikum bei seiner Vernissage am Freitag, 20. September, im Ebersberger Rathaus erklären.

Die Lieblingsfarbe von Bakary Sarr ist Rot, wer hätte das gedacht? Warum das so ist, wird der senegalesische Künstler dem Publikum bei seiner Vernissage am Freitag, 20. September, im Ebersberger Rathaus erklären.

(Foto: Christian Endt)

Der senegalesische Künstler zeigt im Ebersberger Rathaus neue Werke. Seine Kunst bewegt sich zwischen den existenziellen Polen des Lebens.

Von Anja Blum

Seine Gedanken zur Welt auf Deutsch mitzuteilen, fällt Bakary Sarr noch ein wenig schwer, doch die Kunst, diese universale Sprache, beherrscht der Senegalese aus dem Effeff. Und er nutzt sie auf zweierlei Arten. Zunächst einmal für sich selbst, der Dialog mit seinen Bildern sei existenziell für ihn, sagt der Künstler, auch wenn er momentan nur wenig Zeit übrig habe - "ohne das Malen ginge es nicht. Das ist wie Therapie für mich". Außerdem tritt der 35-Jährige durch seine Werke in Kontakt mit der Außenwelt, mit seinem Publikum. "Deep Passion - nur mit dem Herzen sieht man gut", heißt passenderweise seine Ausstellung im Ebersberger Rathaus, die am Freitag, 20. September, um 19.30 Uhr eröffnet wird. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Ein Besuch lohnt sich.

"Bakary Sarrs Bilder sind nicht intellektuell erfassbar", sagt Roland Günther vom "Dachsberg Institut für Bewusstseinsforschung und Zukunftsgestaltung" in Ebersberg, der die Ausstellung zusammen mit der Rathaus-Galeristin Antje Berberich kuratiert. Ein Klassifizierung, die in Günthers Augen aber durchaus positiv zu verstehen ist: Trotz ihrer klaren, direkten Sprache erschlössen sich Sarrs Bilder am besten demjenigen, der etwas Zeit mitbringe, ihre Tiefe zu erspüren. "Und plötzlich ist man berührt."

2014 kam Bakary Sarr als Flüchtling von Senegal nach Ebersberg, wo ihn Berberich bald unter ihre Fittiche nahm und seine Kunst zu fördern begann. Allerdings ist dies nicht das erste Mal, dass Sarr in Europa lebt, sein Lebenslauf weicht ab vom Klischee: Weil seine Mutter früh stirbt, wächst er bei Verwandten auf, zunächst in Dakar, später in Touba bei seinem Onkel, einem Philosophieprofessor. Auch Bakary Sarr soll Lehrer werden, doch seine Leidenschaft gilt schon früh der Kunst. Also geht er nach dem Abitur an die staatliche Kunsthochschule in Dakar, wo er sich nicht nur der Malerei widmet, sondern auch der Bildhauerei sowie dem Marionetten- und Schattenspiel.

Dank eines Stipendiums verschlägt es Sarr 2008 an die Kunstakademie in Brüssel, wo er sich mit Kinoanimation, Zeichentrickfilm und Grafik beschäftigt. Zurück in der Heimat arbeitet er in einem Architekturbüro und leitet kunsttherapeutische Kurse. Seine Ausstellungen führten ihn bereits nach Belgien, Italien, Spanien, Frankreich und Portugal, er spricht Französisch, Englisch, Deutsch und Italienisch. Seit bereits einem Jahr absolviert Sarr, der nun in Ebersberg lebt, eine kaufmännische Ausbildung bei einem großen Geschäft für Künstlerbedarf in Forstinning.

Die Ausstellung vereint abstrakte wie gegenständliche Malerei

Ein vielschichtiges, bewegtes Leben also, das sich auch in den Werken des 35-Jährigen durchaus widerspiegelt, denn seine hervorragende Technik ermächtigt ihn zu einer unerhörten Vielfalt im malerischen Ausdruck. Seine Ausstellung vereint abstrakte wie gegenständliche Malerei in verschiedenen Abstufungen, so dass man fast meinen könnte, hier seien mehrere Künstlerpersönlichkeiten am Werk gewesen. "Ich möchte einfach, dass in meinen Ausstellungen jeder etwas findet, das ihm gefällt", sagt Sarr und lächelt.

Dafür arbeitet er mit allem möglichen, mit Acryl, Öl, Kreide, Pigmenten und Stoffen, die der Leinwand Struktur verleihen. Allen seinen Bildern gemein ist jedoch eine gewisse Dramatik im Ausdruck. Seien es figürliche Darstellungen oder kontrastreiche Farbkompositionen, immer ist zu spüren: Hier geht es um etwas. Diese Bilder lassen nicht kalt.

Denn thematisch bewegt sich Bakary Sarr zwischen den existenziellen Polen des Lebens, zwischen Chaos und Ordnung. Er setzt sich auseinander mit seinen dunklen Seiten, mit Verletzungen an Mensch und Umwelt, mit Leid und Trauer, sucht aber in seiner Kunst auch nach dem, was die Welt im Inneren zusammenhält, gibt Lebensfreude und Zuversicht eine Plattform. So weisen zum Beispiel viele seiner Bilder Nahtstellen auf, mal mit weißer Kreide gezeichnet, mal mit echter Schnur gefädelt. Das erinnert - gerade vor dem Hintergrund der Flucht - freilich sofort an Wunden, kann aber auch bedeuten, dass der Künstler "nähend" Verbindungen schafft, die Heilung bringen sollen.

Der Künstler möchte Seelenzustände abbilden

An Sarrs Abstraktionen sticht sofort ihre immense Leuchtkraft ins Auge. Der Senegalese geht völlig unverkrampft mit Farbe um, schwelgt teils pastos in starkem Blau und immer wieder Rot. "Das sind eben die Farben meiner Heimat", erklärt er. Die Motive erscheinen dabei mehr oder weniger rätselhaft. Zwei der ausnahmslos ungerahmten Leinwände etwa sind groß und rund. Die eine zeigt außen einen dunkelblauen Rand, der zur Mitte hin immer grüner wird. Lineare Erhebungen lassen sogleich an eine topografische Karte denken.

In starkem Kontrast zu Blau und Grün steht eine vertikale, schmale rote Fläche: Ist das eine Wunde, ein Graben, ein Höllenschlund gar? Oder eher ein gelobtes Land, das Liebe und Wärme verheißt? Bei einem anderen Bild arbeitet Sarr ebenfalls plastisch, auf dramatisch rotem Grund ragen drei vertikale Formen in die Höhe, weiße und orange Flächen setzen Akzente, alles verschwimmt. Ist das ein gewaltiges Feuer? Oder eine metaphysische Szene? Wer christlich denkt, könnte sich an die Kreuzigung erinnert fühlen.

Auf der anderen Seite, in seinen figurativen Arbeiten, nimmt Sarr eine explizit afrikanische Perspektive ein. Die Farben sind erdig, die Verläufe weich. Hier geht es dem Künstler darum, Seelenzustände abzubilden, Trauer, Schmerz, Heimatlosigkeit. "Der Weg der Emigration" etwa zeigt mehrere verzweifelt dreinblickende, dicht gedrängte Männer, quer über die Mitte des Bildes führt eine helle Linie. Ein Zaun, eine Grenze? Oder etwas, das den Männern Halt gibt? Oft stelle er auch Frauen oder Kinder dar, um auf deren Situation aufmerksam zu machen, sagt Sarr. Denn er wolle als Maler einstehen für menschliche Werte, manchen Bildern hat er deshalb Begriffe hinzugefügt wie "Repression", "S.O.S." oder "société".

Die Menschen, die Sarrs Kunst bevölkern, sind eigentümlich verformt, der Kopf eckig, die Gliedmaßen dick, das Gesicht maskenartig. Überhaupt mutet die Malerei des 35-Jährigen oftmals sehr kindlich an - ganz bewusst, wie er sagt. Doch kein Wunder, denn das verleiht seiner Kunst eine große Leichtigkeit, trotz ihrer schweren Themen. Der "Kleine Prinz" lässt grüßen.

"Deep Passion - nur mit dem Herzen sieht man gut", Ausstellung von Bakary Sarr im Rathaus Ebersberg, Eröffnung am Freitag, 20. September, um 19.30 Uhr, zu sehen bis 31. Oktober, montags 8 bis 16.30, freitags nur bis 12 Uhr, oder nach Vereinbarung unter (08092) 82 55 17.

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