Ebersberg:Pläne fürs Leben

Reisen, studieren oder einen Job suchen? Sechs junge Leute erzählen, was sie nach dem Ende ihrer Schulzeit vorhaben

Von Alexandra Leuthner

Wir treffen Benjamin vor seiner Schule, dem Ort, an dem er viel Zeit in den vergangenen neun Jahren verbracht hat. Er gehörte zur ersten fünften Klasse am neu gebauten Kirchseeoner Gymnasium. Der Jahrgang hat schon im vergangenen Jahr Abitur gemacht, Benjamin aber legte eine Ehrenrunde ein. "Ich hab mir mein persönliches G 9 geschaffen", witzelt er. Unglücklich scheint er darüber nicht, ebenso wenig wie sein Freund Niklas. Der ist jetzt schon 19 und sagt: "Wenn ich nicht durchgefallen wäre, dann wüsste ich jetzt sicher noch nicht, was ich machen will. Aber wenn ich hier stehen würde und keine Pläne hätte, dann wäre das richtig Stress für mich." Nicht mal die Prüfungen haben Niklas Rapp besonders aus der Ruhe gebracht, bis auf Mathe vielleicht. Da bangte er einen Tag vor der Notenbekanntgabe ein wenig um die Punktehürde. Im schlimmsten Fall aber hätte er ja die Pfingstferien zum Lernen - dank einer bayerische Schülerinitiative, die eine frühe Bekanntgabe der Ergebnisse durchgesetzt hatte. "Sonst hätte man ja präventiv lernen müssen."

Den Tag der Notenbekanntgabe fürchten sie alle, ganz egal, ob sie, wie Michaela Trompke, die sich am Freitagnachmittag in die Schlange nervöser Mitschüler im Markt Schwabener Gymnasium einreihen wird, auf eine gute Eins vor dem Komma gehofft hatten, oder einfach nur durchkommen wollten, wie Stefan Kratzlmeier. Der 18-Jährige hat seine Zeit im Grafinger Gymnasium nicht nur zur Berechnung von Termen und der Analyse von Gedichten genutzt, sondern auch dazu, im Schulsanitätsdienst mitzuarbeiten. Zum Schluss hat er ihn sogar geleitet. Mehrere Stunden pro Woche neben all dem Lernpensum, das ihn zu Beginn der elften Klasse erst einmal überrascht hatte, wie er erzählt. "Aber man konnte das schon schaffen, es war nicht total schlimm." Wenn man auch vielleicht nicht noch zusätzlich in zwei Sportvereinen und im Trachtenverein aktiv sein konnte, fügt er noch hinzu. Zumindest scheint ihn das Gymnasium nicht allzu sehr geschreckt zu haben. Nach einigen Zusatzausbildungen im Sanitätsbereich will er fürs Gymnasiallehramt studieren.

Jasmin Gärtner, ebenfalls am Gymnasium Grafing, weiß noch nicht so genau, wo sie hinwill. Sie gehört zu den vielen G8-Absolventen, die erst einmal Zeit brauchen, um in sich zu gehen, wie sie erklärt, auch wenn sie das vage Ziel eines Pharmaziestudiums im Hinterkopf hat. Zuvor will sie nach Tansania, dort einen Freiwilligendienst bei der evangelischen Mission "Eine Welt" ableisten. Sie sei froh darüber, nach acht Jahren mit der Schule fertig zu sein, "so hab' ich ein Jahr, um eine ganz andere Welt und andere Menschen kennen zu lernen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen." Kritisch sieht sie das Gymnasium dennoch. Die Schüler hätten viel zu wenig Zeit über ihre Zukunft nachzudenken. "Ein Praktikum in der Elften reicht nicht, um zu wissen, was man will."

Und dann sind da auch noch diese Terminschwierigkeiten, über die sich Michaela Trompke ärgert. Die Anmeldetermine für die Leistungsprüfungen in Kunst oder Sport lägen genau in der Höchstphase der Abiturvorbereitungen und der Medizinertest genau in der Abiturphase. "Da hat doch keiner Nerven dafür." Kein Wunder, dass die meisten Abiturienten nicht im selben Herbst an die Uni gingen. Sie selbst will das auch nicht, stattdessen für eine Animatorenagentur im Sommer nach Griechenland und später als Freiwillige in eine Kindertagesstätte in Südafrika.

Benjamin Mareis hat bereits im Vorjahr mit einem Freund eine Firma gegründet. Sie wollen eine Fitness-App herausbringen, eine Art Personalcoach, der ein individuelles Training im Fitnesscenter anleitet. Kontakte in die Softwareentwicklung hat er ebenso wie zu einer Ausbilderin bei der Lufthansa - die nächste Station, die er seinem Lebenslauf hinzufügen will. Zwei Jahre lang will er vom Herbst an als Flugbegleiter arbeiten. "Ist doch toll", sagt er, "ich kann etwas von der Welt sehen und verdiene auch noch Geld dabei."

Jakob Lechner merkt man so richtig an, dass er froh ist, jetzt, da alles vorbei ist. Dabei ist er einer, der von Anfang an durchgestartet ist. Mit fünf in die Schule, mit knapp 17 Abitur am Gymnasium Grafing - erst im April wird er 18 - und gerade deshalb will er schon im Herbst ein Studium beginnen. Work and Travel-Angebote im Ausland kann er, jung wie er ist, noch nicht annehmen. Also nutzt er die Zeit lieber. Außerdem sind da noch sein Tennis und der EHC, für den er auch in der Oberstufe noch spielt. "Wenn man sich auf die Klausurenphase gut vorbereitet, geht das alles" - vielleicht sogar das 1,5-Abitur, auf das er hofft.

Sieht Niklas ebenso. "Man muss den Aufwand gegen das abwägen, was es einem bringt." Für seine Pläne brauche es ein Einser-Abitur jedenfalls nicht. Bis zum Jahresende will er noch an der Esso-Tankstelle in Ebersberg jobben und Geld verdienen, mit dem er dann für drei Monate nach Jamaika will und dann, nach einer Mechatronikerausbildung, Fahrzeugbau studieren; in Hamburg, wo seine Freundin lebt und seine Mutter herkommt. "Ich will in die Nähe des Meers. Und Surfen lernen." Vielleicht könne er ja mit kleinen Wellen anfangen, sagt er dann noch.

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