Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Eine Brücke ans andere Ende der Welt

Auf Initiative von Jugendlichen hin will der Landkreis Ebersberg eine Klimapartnerschaft mit einer kleinen Kommune auf den Philippinen eingehen. Weltweit existieren noch nicht viele vergleichbare Projekte. An der Idee gibt es aber auch Kritik.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Dass die Staaten im globalen Norden der Welt hauptverantwortlich für den fortschreitenden Klimawandel sind, ist kein großes Geheimnis. Dass aber vor allem die Länder im Süden der Erdkugel das Schlamassel ausbaden müssen, darüber hört man in den großen Industrienationen erstaunlich wenig. Das jedenfalls kritisiert Joshua Steib. Der junge Vaterstettener hat als deutscher UN-Jugenddelegierter im vergangenen Jahr an der Weltklimakonferenz in Glasgow teilgenommen und aus dieser Erfahrung heraus eine weltweit recht einzigartige Idee entwickelt, die er nun zusammen mit anderen Jugendlichen im Landkreis Ebersberg umsetzen möchte: eine enge Projektpartnerschaft mit einer vom Klimawandel gebeutelten Kommune im globalen Süden.

Konkret soll es um die rund 38 600 Einwohner große Stadt San Fernando auf den Philippinen gehen, wie Steib nun zusammen mit der Ebersberger Klimaschutzmanagerin Lisa Rütgers im Umweltausschuss des Kreistags erklärte. Seine Teilnahme an der Weltklimakonferenz sei "total spannend, aber auch total frustrierend" gewesen, sagte der junge Vaterstettener. "Die Länder sind zwar untereinander vernetzt, arbeiten aber gar nicht wirklich zusammen." Vor allem zwischen dem globalen Norden und dem Süden gebe es "eine riesige Barriere". Diese will Joshua Steib mit seinem Projekt nun zumindest auf lokaler Ebene abbauen.

Bei einem Treffen mit Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ist die Idee zu eben jener Klimapartnerschaft entstanden. Ziel soll es sein, ein besseres Verständnis und eine Bewusstseinsbildung für die Herausforderungen der Klimakrise in den jeweiligen Partnerkommunen zu schaffen. Was zunächst abstrakt klingt, soll durch ein konkretes Projekt an jedem der beiden Standorte mit Leben gefüllt werden. "Diese Länder sind jahrelang ausgebeutet worden", sagte dazu Klimaschutzmanagerin Rütgers. "Wir müssen ein Gleichgewicht schaffen. Es liegt in unserer Verantwortung, auch dort tätig zu werden." Der Kontakt nach San Fernando ist bereits hergestellt, wie Seib ergänzte. "Die sind total begeistert und würden sofort mitmachen."

Mitmachen kann, wer zwischen 18 und 27 Jahre alt ist und in einem der beiden Landkreise lebt

Zunächst braucht es allerdings eine Gruppe von Jugendlichen aus beiden Kommunen, die sich in das Abenteuer stürzen und ihre Projektpartner im jeweils anderen Land besuchen wollen. Bewerben kann sich jeder im Alter von 18 bis 27 Jahren, der in einem der beiden Landkreise wohnt, ausreichende Englischkenntnisse mitbringt und vor allem ein Interesse daran hat, den Klimawandel und seine Folgen für die Welt besser zu verstehen. Am Ende des zweistufigen Bewerbungsprozesses, der Anfang nächsten Jahres starten soll, steht im Mai ein erstes Kennenlernen der insgesamt 14 Jugendlichen auf dem Programm. Nach digitaler Vorbereitung wird dann im Sommer eine der beiden Delegationen in das jeweils andere Land reisen und das Klimaprojekt vor Ort umsetzen. Laut Rütgers soll es dabei zunächst um kleinere Vorhaben wie das Säubern des Strandes von Plastikmüll oder Vorträge in Schulen gehen.

Das Ziel ist jedoch ein längerfristiges: Nach Abschluss der einjährigen Projektphase planen Joshua Steib und Lisa Rütgers, die Partnerschaft mit San Fernando noch zu vertiefen. Dann nämlich soll die Zusammenarbeit auf weitere zwei volle Jahre ausgedehnt werden, um auch größere Klimaschutzprojekte in beiden Ländern umsetzen zu können. Für die erste Projektstufe in 2023 rechnen die Organisatoren mit Kosten in Höhe von rund 58 000 Euro. Der Großteil davon, um genau zu sein 50 000 Euro, soll aber durch eine Bundesförderung abgedeckt werden, so dass sich der Preis für den Landkreis in überschaubaren Grenzen halten dürfte.

Im Gremium gibt es Kritik an der Flugreise und dem damit einhergehenden CO₂-Ausstoß

Entsprechend positiv stand Robert Niedergesäß dem Vorhaben gegenüber, der in der Sitzung von einem "guten Impuls" sprach. "Wir sind bei den ersten dabei, die so etwas machen. Ich fände es schön, wenn wir hier als Landkreis einen Akzent setzen", so der Landrat. An der Grundidee hatten auch die übrigen Kreisräte wenig auszusetzen, ein Detail war vielen im Gremium aber dann doch ein Dorn im Auge: Vor allem aus den Reihen von Grünen und SPD gab es Kritik dafür, dass die Jugendlichen sich nicht nur digital austauschen, sondern auch in das jeweils andere Land reisen wollen. "Jeder Flug, der zu vermeiden ist, ist ein Gewinn", sagte etwa Bianka Poschenrieder (SPD). Thomas von Sarnowski (Grüne) rechnete vor, dass allein durch die geplanten Reisen rund 200 Tonnen CO₂ entstünden.

Dieses Problem ist auch Joshua Steib und Lisa Rütgers bewusst, die trotz "Bauchschmerzen", wie die Klimaschutzmanagerin sagte, für ein persönliches Treffen plädieren. "Wir wollen eine langfristige Partnerschaft schaffen und ich bin überzeugt davon, dass das nur in Präsenz möglich ist", so Steib. Rütgers ergänzte, dass die Teilnehmer in ihren jeweiligen Kommunen dann auch als Multiplikatoren fungieren und das Thema Klimawandel in die Bevölkerung tragen sollen. "Die Reise schafft einen Mehrwert, der über die sieben Jugendlichen hinausgeht", ist die Klimaschutzmanagerin überzeugt.

Letztendlich sah das auch die Mehrheit im Gremium so, das dem Projekt gegen die Stimmen von Thomas von Sarnowski, Bianka Poschenrieder und Niklas Fent (Grüne) seinen Segen erteilte. Damit können Joshua Steib und Lisa Rütgers nun auf die Suche nach engagierten Jugendlichen gehen, die eine Brücke ans andere Ende der Welt bauen wollen, um gemeinsam dem Klimawandel die Stirn zu bieten.

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