Süddeutsche Zeitung

Open-Air-Reihe gestartet:Geheimwaffe Humor

Lesezeit: 3 min

Der Kabarettist Philipp Weber begeistert im Ottersberger Kulturstadl mit einem Programm über technischen Fortschritt, Künstliche Inteligenz und Co.

Von Peter Kees

Leichter Regen in Ebersberg. Ein kurzer Anruf bei Rudi Zapf: In Ottersberg hält das Wetter, da ist er sich sicher. Beim sommerlichen Kulturstadl allda startet in einer guten halben Stunde der Kabarettist Philipp Weber sein Programm "KI: Künstliche Idioten!" Die Wetterkunde ist wichtig, weil Zapf seine Scheunenveranstaltungen in ein Open-Air-Programm verwandelt hat, wegen der Corona-Pandemie. Zunächst war krisenbedingt geschlossen, jetzt hat Zapf - den aktuellen Hygieneschutzmaßnahmen samt Abstandsregeln folgend - die Ottersberger Sommerkonzerte kurzerhand vor seinen Stadl verlegt, ins Freie.

Trotz Regenrisiko ist durchaus Publikum da, der Platz vor der Scheune gut gefüllt. Manche sitzen mit Maske auf den Bänken, andere ohne. Ganz so viele Zuschauer wie vor Covid-19 sind es allerdings nicht, um die 90 etwa. In den vergangenen Jahren seien zu solch einem Abend etwa 200 Zuschauer gekommen, erklärt Zapf. Gleichwohl, man ist entspannt, trinkt, isst und freut sich auf einen amüsanten Abend, in Decken gehüllt. Trotz Hochsommer ist die abendliche Luft kühl. Am Ende werden es gerade mal 17 Grad sein.

Der Protagonist des Abends, Philipp Weber, verspricht coronafreie 90 Minuten. Eigentlich, so vermutet man von seiner Bierbank aus, müssten sich spätestens jetzt die beiden Scheunentore öffnen, ähnlich einem großen Bühnenvorhang. Doch nichts da, die Tore bleiben geschlossen. Weber spielt vor der Bretterwand. Aber auch das hat Charme. Außerdem erfasst einen sogleich ein Geschwindigkeitsrausch. Der Kabarettist referiert in einem derart rasanten Tempo, dass man beim Zuhören kaum hinterher kommt. Doch, natürlich geht es, man muss sich auf diese wilde Fahrt nur einlassen.

Hauptthema des Abends ist der Fortschritt. Man erfährt, dass etwa die Waschmaschine in Bayern erfunden wurde, der Dübel in Baden-Württemberg und in Hessen das Telefon. Weber selbst stammt aus dem Odenwald. Das lässt er immer wieder anklingen, an seiner Sprachfärbung hört man es sowieso. Grundtenor: Fortschritt kann positive Seiten haben, aber auch missbraucht werden. Oder wie Weber es zum Finale sagt - quasi als Motto zu seinem Programm: Der Fortschritt könne Träume erfüllen - man müsse nur aufpassen, wovon man träume.

Und so führt der Kabarettist im Lauf des Abends manche Errungenschaft vor Augen und zeigt auf, wie aus einem "Wollen" ein "Müssen" werden kann. Das beste Beispiel dafür ist wohl das Handy, ohne dessen Gebrauch wir heute kaum mehr zurechtkämen. Selbst auf der Toilette werde es inzwischen benutzt. Und so macht Weber flugs klar, dass die Erfindung von Werkzeugen, die an sich das Leben erleichtern sollen, auch so manche Abhängigkeit erzeugen. All das tut er mit einer großen und guten Portion Humor, auch lässt er es nicht nehmen, immer wieder mit seinem Publikum zu spielen und dabei Einzelne direkt anzusprechen. Das fördert Aufmerksamkeit - schließlich will man nicht "erwischt" werden.

Lacher gibt es reichlich. Das Ottersberger Publikum amüsiert sich köstlich, auch wenn dem einen oder anderen wahrscheinlich die eigenen Marotten unmittelbar vor Augen geführt werden. Wie war das beispielsweise mit dem Laubbläser? Ein Gerät, das sogar bei Sturm Blätter gegen die Windrichtung blasen könne, erklärt Weber. Nur mache es eben diesen grässlichen Lärm, an einem Ort, der doch eigentlich der Ruhe verschrieben sei: im Garten.

Dass Fortschritt nicht zwingend etwas verbessert, zeigt Weber an vielen Beispielen auf. All zu häufig nämlich würden Innovationen schlicht vom Wettbewerb und damit vom Kapitalismus her bestimmt. Nicht etwas zu verbessern stehe dabei im Fokus, sondern das Geschäft. "Geld bestimmt Fortschritt," macht Weber deutlich und erklärt, dass der Stromverbrauch des dafür nötigen Internets inzwischen bei sieben Prozent des Gesamtverbrauchs liege. Bald werde er auf 50 Prozent anwachsen, so des Kabarettisten Prognose.

Alle möglichen Themen unserer Zeit finden Platz in diesem Programm: Die Geschlechterfrage wird genauso angesprochen wie die Impfproblematik (hier äußert Weber deutlich Kritik an Impfgegnern), die Energiewende, die Ignoranz vieler Menschen Neuem gegenüber oder die Selbstoptimierung. Und natürlich redet Weber, dem Programmtitel entsprechend, auch über Gentechnik, Robotik und Künstliche Intelligenz. Wie steht es darum? Man müsse nicht zu viel Angst vor der Künstlichen Intelligenz haben, klärt er auf, denn eines hätte sie nicht: Humor. Maschinen könnten Witze keineswegs so gut erzählen wie Kabarettisten, sagt Weber und führt dies zum Gaudium seines Publikums sogleich gekonnt vor. Und: KI wisse schlicht nicht, was und warum sie etwas tue. Zum immer wieder heraufbeschworenen Ende der Arbeit erklärt Weber nur eines: Bislang habe jede technische Revolution neue Arbeit geschaffen - und so werde es wohl auch jetzt kommen.

Fazit: Trotz mäßiger Temperatur, das Zapf'sche Open Air funktioniert sehr gut. Empfohlen sei hier aber nicht nur ein Besuch, sondern auch ein Eintrag im Newsletter, denn dann wird man vorab informiert, sollte eine Vorstellung wegen schlechten Wetters abgesagt beziehungsweise verschoben werden.

Ottersberger Kulturstadl am Selmerhof, An der Leiten 23, zwischen Pliening und Poing, Einlass und Bewirtung 18.30 Uhr, Beginn etwa um 19.45 Uhr. Freitag, 24. Juli, italienische Lieder von "I Cantautori", Samstag, 25. Juli, New Irish Folk von "Cara". Karten per Mail an info@zapf-musik.de, unter (08121) 795 60 oder an der Abendkasse, Infos unter www.zapf-musik.de/?page=kulturstadl.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4972786
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.07.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.