Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Noch nicht am Ziel

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72 Prozent der Flüchtlinge haben inzwischen Jobs gefunden

Nur keine Fragen stellen - denn damit gibt man sich nicht nur selbst eine Blöße, man vermittelt auch dem Gegenüber, dass es eine Aufgabe schlecht erklärt hat: Diese Überzeugung herrsche bei vielen Menschen aus dem afrikanischen oder arabischen Raum vor, sagt Hermann Schmidbartl, Chef des Ebersberger Jobcenters. "Es gibt keine Kultur des Nachfragens." Damit das nicht zu Problemen führt, setzt das Jobcenter auf Aufklärung - sowohl bei den geflüchteten Menschen, denen sie eine Stelle vermitteln, als auch bei den Arbeitgebern. "Ich glaube schon, dass wir auf einem guten Weg sind, aber auch noch lange nicht am Ziel", sagt Schmidbartl.

Dabei sieht Statistik des Ebersberger Jobcenters, was die Vermittlung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt betrifft, auf den ersten Blick gut aus: 72 Prozent beträgt in Ebersberg die Integrationsquote, das liegt in etwa im bayernweiten Durchschnitt - insgesamt im Deutschlandvergleich eine sehr hohe Quote, das hat auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erst kürzlich wieder betont. Derzeit sind im Ebersberger Jobcenter noch etwa 200 Menschen gemeldet, deren Asylantrag anerkannt wurde und die auf Arbeitssuche sind. Insgesamt hat das Jobcenter infolge der jüngsten Flüchtlingswelle knapp 700 Menschen betreut. Doch auch wenn vergleichsweise viele Geflüchtete bereits auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst haben, sieht der Chef des Jobcenters bei zwei Aspekten noch Verbesserungsbedarf: Zum einen werden immer noch viele Beschäftigungsverhältnisse relativ schnell wieder beendet, zum anderen können den geflüchteten Menschen zum Großteil nur Jobs für ungelernte Arbeiter vermittelt werden.

Hier versucht das Jobcenter anzusetzen, wie Schmidbartl erläutert. Man müsse sowohl an der Verbesserung der Deutschkenntnisse arbeiten als auch an der Qualifizierung der Geflüchteten. Berufsabschlüsse in deren Heimat bedeuteten nicht, dass sie auch problemlos in Deutschland in diesem Beruf arbeiten könnten: "Viele Kfz-Mechaniker sind beispielsweise mit der Elektronik in den modernen Fahrzeugen nicht vertraut." Durch Kurse und Qualifizierungsmaßnahmen versuche man Defizite zu beseitigen. Wichtig sei, sagt der Chef des Jobcenters, dass die geflüchteten Menschen eine Perspektive hätten und nicht tagsüber in ihrer Unterkunft sitzen müssten. Selbst Aushilfsjobs oder ungelernte Tätigkeiten sind laut Schmidbartl immer noch besser als das: "Arbeit ist die beste Integrationsmaßnahme", sagt er.

Um die Beschäftigungsverhältnisse stabiler zu machen, sieht Schmidbartl eine Stärkung der interkulturellen Kompetenz auf beiden Seiten als wichtig an - damit es eben keine Missverständnisse gibt. Die Mitarbeiter des Jobcenters haben hier bereits vor längerer Zeit ein Coaching durchlaufen, "damit wir verstehen, wie die Menschen sozialisiert sind, die zu uns kommen", sagt der Chef des Jobcenters. Ihr Wissen geben sie jetzt an die Arbeitgeber weiter; gerade in den ersten Monaten nach einer Arbeitsaufnahme bieten die Fachleute im Jobcenter intensive Beratung für Geflüchtete wie Arbeitgeber an. Und selbst in den Fällen, in denen ein Arbeitsverhältnis gescheitert ist, biete man weitere Coachings an - damit es beim nächsten Mal besser läuft.

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SZ vom 04.09.2019 / moo
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