SZ-Adventskalender:Es mangelt sogar am Nötigsten

Damit David eine behindertengerechte Schule besuchen kann, bräuchte er einen Rollstuhl. Doch die Krankenkasse in seinem Heimatland verweigert bislang die Anschaffung - wie auch andere Hilfen, die der Familie des 15-Jährigen den Alltag erleichtern würden.

Von Annalena Ehrlicher

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"David hat mit allem früh angefangen", erzählt Emil P. (Name redaktionell geändert), "er hat früh gesprochen, früh angefangen zu laufen." Wenn er über seinen Sohn spricht, tut er das mit einer Mischung aus Stolz und Traurigkeit - David ist seit einer Herz-Op im Heimatland der Familie schwerstbehindert. Wie genau der medizinische Unfall zustande kam, der das Leben der Familie B. von Grund auf veränderte, konnte im Nachhinein keiner so genau sagen. "Die Ärzte haben alles mögliche behauptet", sagt Davids Mutter kopfschüttelnd.

Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Temperaturanzeige des Operationstisches defekt war, und der damals 14-monatige Säugling durch die extreme Hitzeeinwirkung dauerhaft geschädigt wurde. "Die Verbrennungen an der Kopfhaut und am Rücken sieht man bis heute", sagt sein Vater und hebt Davids Kopf vorsichtig an. Unter den seidigschwarzen Haaren des Jungen kommt eine schlecht verwachsene, etwa sieben Zentimeter lange Narbe zum Vorschein, die sich den Rücken entlang zieht.

Der Glaube gibt der Familie Ruhe

Ob sie mit ihrer Situation hadern? "Wir leben damit", antwortet die Mutter, eine studierte Theologin. Die Familie hat einen tief verwurzelten Glauben, der ihnen eine gewisse Ruhe gibt. Damals war es jedoch hart. Die Spielsachen, die in Davids Zimmer verteilt lagen, als sie ihren kleinen herzkranken Sohn ins Krankenhaus brachten, wurden über ein Jahr nicht angerührt - keiner konnte sich dazu durchringen, das Zimmer zu betreten, der Schock war zu groß.

Gerhard Schönauer von der Offenen Behindertenarbeit des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt (Awo), der der Familie zur Seite steht, erklärt: "Wenn es durch einen Unfall zu einer Behinderung beim eigenen Kind kommt, dann muss man sich von dem Lebensentwurf verabschieden, den man für es hatte."

David ist ein extrem schmaler Junge mit langen, sehr feinen Gliedmaßen - er ist auf einen Sitzsack gebettet und mit Kissen gestützt. Alleine aufrecht halten kann sich der inzwischen 15-Jährige nicht. Was er dringend bräuchte, ist eine orthopädische Sitzschale und ein seiner Größe angemessener Rollstuhl. Doch jede Ausgabe muss mit der Krankenversicherung im Heimatland der Familie abgesprochen werden. Das kann ein langwieriger Prozess sein.

Eine Sitzschale würde David Halt geben

David jedoch leidet täglich unter den Konsequenzen der fehlenden Sitzschale: Da er meistens in Schräglage liegt oder zusammengesunken sitzt, hat sich ein starker Reizhusten entwickelt, der den zarten Körper in regelmäßigen Abständen schüttelt. Einen passenden Rollstuhl braucht David auch, wenn er bald die Schule besuchen soll - was der Grund dafür ist, dass sein Vater einen Job in Deutschland angenommen hat: In ihrem Heimatland gibt es keine Schulen für Kinder mit derart schweren Behinderungen, erzählt er. "Mein Sohn liebt es, unter Leuten zu sein", so der Familienvater, "wie jetzt: Wenn Menschen um ihn herum sitzen und plaudern, ist er am glücklichsten."

Auch Musik macht David glücklich, weshalb die Familie häufig für ihn singt. Von Lied zu Lied sind seine Reaktionen unterschiedlich: Als sein Vater ein Kinderlied anstimmt, fangen Davids Augen an zu leuchten, er beginnt zu zappeln - fast als wollte er tanzen, doch würden ihn seine dünnen Beine nie tragen.

David ist Epileptiker. "Einmal hat er sich das Knie gebrochen, weil seine Zuckungen so stark waren", erinnert sich seine Mutter und streichelt die Fußsohlen ihres ältesten Sohnes. Schlimmer jedoch als die regelmäßigen Attacken ist, dass sich das Loch im Herz ihres Sohnes wieder geöffnet hat.

Münchner Kinder kämpfen für Barrierefreiheit, 2010

Damit der 15-jährige David auf eine behindertengerechte Schule gehen kann, bräuchte er einen Rollstuhl.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die körperliche Belastung für die Mutter ist groß

Sie kümmert sich rund um die Uhr um ihn, waschen, wickeln, füttern, bespaßen. Auch die körperliche Belastung für sie ist erheblich: Aufrecht wäre David ungefähr so groß wie sie und obwohl er kaum mehr als 40 Kilo wiegen kann, ist es schwer, ihn aus dem Bett zu hieven. David mag die Stille nicht, nachts wird er unruhig, krampft und wälzt sich umher. Durchgeschlafen haben seine Eltern seit Jahren nicht mehr. "Dafür lesen wir alle wahnsinnig viel", wirft sein Vater schmunzelnd ein. "Auch meine beiden kleineren Söhne lesen alles, was sie in die Hände bekommen - das ist Davids Geschenk an uns."

Ansonsten ist David gern draußen - doch ohne einen passenden Rollstuhl wird auch das durch seine Wirbelsäulenverkrümmung zur Tortur. Momentan hat er einen einfachen Klapprollstuhl, in dem er nicht richtig atmen kann. Auch Physiotherapie kann die Familie finanziell erst stemmen, wenn die Krankenkasse den Antrag bewilligt. Das Geld ist knapp, obwohl Davids Vater arbeitet. Die Familie bleibt viel unter sich: "Theater, Konzerte, Feste - das ist alles schwierig. Wir wollen die Stimmung bei so etwas nicht verderben", erzählt der Familienvater.

Davids zwei kleine Brüder sitzen auf dem Sofa neben ihm und werfen hin und wieder eine Bemerkung ein. "Die beiden lieben ihn sehr und schmusen gerne mit ihm", erzählt die Mutter. David reagiert auf die Stimmen seiner Brüder, er verzieht das Gesicht zu einem Lächeln und streckt die Hände aus. Obwohl die Ärzte sagen, dass er nicht sehen kann, wendet er das Gesicht in die Richtung der Stimme, die ihn gerade interessiert. Keiner, der mehr als zehn Minuten in einem Raum mit David verbringt, würde glauben, dass er nichts mitbekommt. "Ich spreche ganz normal mit ihm", sagt seine Mutter bestimmt, auch wenn die Ärzte sagen, er verstünde nichts, "das glaube ich einfach nicht."

Vielleicht können die Spenden aus dem SZ-Adventskalender David den so dringend benötigten Rollstuhl ermöglichen - und seinen Eltern die ein oder andere Nacht voll Schlaf.

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