Ebersberg:"Nahles, die Gschlamperte - Sigi, der Gwamperte"

Ebersberg: Hans Well und seine Kinder Jonas, Tabea und Sarah beherrschen viele Instrumente, ihre größte Stärke aber ist die "Bappn", das lose Mundwerk.

Hans Well und seine Kinder Jonas, Tabea und Sarah beherrschen viele Instrumente, ihre größte Stärke aber ist die "Bappn", das lose Mundwerk.

(Foto: Christian Endt)

Gaudi, Gstanzl und immer in Mundart - die "Wellbappn" verzücken das Publikum im vollbesetzten Alten Speicher mit bissiger Satire. Selbst beim Benefizkonzert für den SZ-Adventskalender teilen die vier schonungslos aus.

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Der Jahresvorausblick für Bayern aus Sicht von Hans Well und seiner Wellbappn sieht in etwa so aus: Da Angela Merkel weiterhin eine Obergrenze für Flüchtlinge ablehnt, wird Bayern aus Deutschland austreten und eine Mauer rund um den Freistaat bauen. Die Gebirgsschützen werden dem Oberkommando der NATO unterstellt, Markus Söder wird Ministerpräsident von Mittelfranken und der FC Bayern kickt künftig nicht mehr gegen Dortmund, sondern gegen Wasserburg . . . Ist gottlob nur ein Albtraum, aus dem Seehofer schreiend erwacht.

Dass Hans Well, 63, das Schicksal der bayerischen Weltpolitik auch nach Auflösung der Biermösl Blosn am Herzen liegt, davon können sich am Donnerstag etwa 300 Besucher im Alten Speicher Ebersberg beim Benefizkonzert zugunsten des SZ-Adventskalenders überzeugen. Als Chef des Reimeschmied-Clans, bestehend aus Papa Well und den Kindern Sarah, Tabea und Jonas, nimmt er weiterhin kein Blatt vor den Mund. Der Nachwuchs, 20 bis 25 Jahre jung, hat offenbar neben einer ausgeprägten Begabung für Musik und Wortklauberei die legendäre "Bappn" geerbt.

Das Programm trägt den Titel "Schneller", wohl auch, weil brennende Themen aus Politik, Gesellschaft, Kirche, Umwelt, Schule und Jugend von dem Quartett im Handumdrehen satirisch verwurstet werden. Tut ja auch nicht so weh, wenn man ein Pflaster zügig von der Wunde reißt.

Auf Wunden hinzuweisen, welche manchen Menschen das Schicksal zufügt, ist vor Beginn des Konzerts die Aufgabe von Karin Kampwerth, Redaktionsleiterin der SZ Ebersberg. Seit der Gründung des Hilfswerks 1948, als man für eine heiße Suppe oder einen Pullover sammelte, hätten sich die Anforderungen verändert und vervielfacht, erklärt sie. Not habe viele Facetten, sie treffe Alte, Kranke, Kinder. Mehr als sechs Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr gesammelt. Der Erlös dieses Abends kommt vollumfänglich dem Adventskalender zugute - wie alle anderen Spenden auch. Für die Verwaltung kommt der Süddeutsche Verlag auf.

Ein Seitenhieb auf Ebersbeg darf nicht fehlen

Der gedankliche Weg von der Not des Einzelnen zum bissig-absurden Humor der Wellbappn ist angesichts der gesellschaftspolitischen Abgründe denkbar kurz. Banker und ihre Boni, Beckenbauer, die ganze Bonzokratie steht am Pranger. Doch lässt jedes Gstanzl, jeder Spottvers auch Luft für befreiendes Gelächter, das immer wieder aufbrandet. Vor allem beim Lied von der Bürgerversammlung mit Bürgermoaster, Sportvereinsvorsitzendem und Doppelnamen-Nervensäge: spannender als der Tatort. Kennt auch jeder.

Selbstverständlich nimmt Hans Well zunächst Ebersberg - "wo samma heit?" - in den Blick. Aus Hausener Sicht, da, wo die Wells dahoam sind, ist Ebersberg ein "Turbozuwachs-Landkreis". "Wos ned dem Freundl g'hört, g'hört dem Otter". Über dem Landratsamt schwebe ein Niedergesäß, in Obereichhofen renne ein Don Quichotte gegen Windräder an und in Zorneding habe eine Schwarze einen Schwarzen vertrieben. Woher er das alles weiß? "Ich hab da meine informellen Mitarbeiter", sagt Hans Well, der es sich nicht nehmen lässt, zusammen mit dem enthusiasmierten Publikum den "1. Ebersberger Gefangenenchor" anzustimmen.

Anders als bei der Biermösl Blosn kommen bei der Bappn auch die Jungen zum Zuge, die mehr können, als nur zu zwitschern wie die Alten. Sie spielen Geige, Bratsche, Kontrabass, Trompete, Tuba, Akkordeon, Mandoline und andere Instrumente. Sohn Jonas studiert Politik, Sarah Interkulturelle Kommunikation und Tabea Violine an der Musikhochschule. Was sie drauf hat, zeigt sie bei einem Stück ungarischer Prägung. Auch die Sprachartistik des Trios lässt staunen.

Es muss nicht immer in Mundart sein - well done, sozusagen

Mit ihrem Papa bilden die Drei ein liebevoll eingespieltes Team. Zur sympathischen Inszenierung der Well-Family gehört auch die Frotzelei. Der Papa, von Jonas als "Nachwuchstalent des Rentner- und Invalidenvereins Hausen" bezeichnet, spielt seine Rolle hinreißend in der gar nicht weit hergeholten Erlkönig-Version, in der ein Vater sein Kind mit halsbrecherischem Tempo in den Kindergarten kutschiert, um ja pünktlich zu sein. Denn Kindergärtnerinnen, die meist "siaßeln", würden eher "säuerln", wenn man zu spät dran sei, weiß er.

Wenn die Bappn ihr klangsinnliches Spiel mit der Mundart, mit Englisch und Latein, auf die Spitze treibt, hat sie ihre besten Momente: well done sozusagen. Ob es um passende Beinamen für Politiker geht, um "Nahles, die Gschlamperte, Sigi, den Gwamperten"; um den "Straßenbahnschienenritzenreiniger", den Tabea und Sarah ebenso wenig zum Mann haben wollen wie den Feldwebel: "Wenn i Spiegeleier mach', dann schreit er 'Rühren!'" Um das Lied von der Pfingstflut 2013 "schau, wias regna duat, wias giaßt, s' Wasserl vom Dacherl wird zum Bacherl"; oder um das Gesamtkunstwerk der Well'schen Liturgie aus Latein, Mundart und Nonsense: "Banca Bavaria in Banana Republica Panama, Exit Brexit." Eine Zugabe nur gewähren die Wells nach überwältigendem Beifall. Die Kinder müssten ins Bett, sagt der Papa. Denn vor ihnen liege noch die größte Herausforderung des Abends: die Fahrt mit der S 4.

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