Ebersberg:Münchner Stadträte starten Offensive gegen Steueroase im Ebersberger Forst

Briefkastenfirmen im Ebersberger Forst

Haben die Firmen, die hier einen Briefkasten und ein kleines Büro nutzen, nicht ihren wahren Sitz woanders? Das fragt jetzt die ÖDP München.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die ÖDP-Fraktion fordert eine Überprüfung der Briefkastenfirmen, die sich in einem Stadel im Wald angesiedelt haben.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Es ist eigentlich nur ein unauffälliger kleiner Holzstadel an einem Waldweg zwischen hohen Fichten. Doch nun wird sich möglicherweise sogar der Münchner Stadtrat mit dem Seegrasstadel im Ebersberger Forst befassen, der es trotz seines bescheidenen Aussehens in sich hat: Er ist Sitz von mehreren international agierenden Immobilienfonds.

Für diese ist der Standort attraktiv, da hier der niedrigste Steuersatz gilt, der in Deutschland erlaubt ist - eine kleine Steueroase also. Die Münchner ÖDP hat nun eine Anfrage gestellt, ob und wie Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gegen "Steuervermeidungsstrategien" Münchner Firmen vorzugehen gedenkt. Denn der tatsächliche Hauptsitz der Fonds ist nach Überzeugung der ÖDP in München an der Thomas-Dehler-Straße 18 - eigentlich müsste somit die Landeshauptstadt von den Gewerbesteuereinnahmen profitieren.

Nutznießer des Firmensitzes im Forst ist hingegen der Landkreis Ebersberg. Da es sich bei dem Fleckchen um außermärkisches Gebiet handelt, es also keiner Gemeinde zugeordnet ist, darf der Landkreis hier Gewerbesteuern erheben. Und das tut er seit 2004 auch, mit einem Gewerbesteuerhebesatz von derzeit 200 Prozent, das bedeutet, dass pro 100 Euro Gewinn nur sieben Euro Gewerbesteuer bezahlt werden. Zum Vergleich: In der Landeshauptstadt beträgt der Hebesatz 490 Prozent.

Freilich handelt es sich beim Stadel im Forst nicht um den einzigen Standort, der in Deutschland mit einem besonders niedrigen Hebesatz lockt: 44 Standorte gebe es in der Bundesrepublik, wo man ähnlich wenig Steuern zahlen müsse, darauf haben Landrat Robert Niedergesäß (CSU) und Finanzmanagerin Brigitte Keller erst kürzlich bei einem Pressegespräch hingewiesen. Und seitens des Landrats gibt es keinerlei Bestrebungen, die Nutzung des kleinen Büros im Seegrasstadel als Firmensitz zu beenden. Zum einen sei alles völlig legal, vom Finanzamt mehrmals geprüft.

Eine Internetseite über das Mini-Büro wurde bereits vom Netz genommen

Zum anderen sei der Standort im Forst keine Konkurrenz für die Landkreisgemeinden, wo die Gewerbesteuerhebesätze meist deutlich höher liegen, im Gegenteil: Die Einnahmen kämen Infrastrukturprojekten zugute, die die Gemeinden somit nicht über die Kreisumlage finanzieren müssten. Ohnehin ist es derzeit eher eine theoretische Frage, was mit dem Geld aus dem Forst geschieht, es fließt nämlich so gut wie keines.

Die Millionenzahlungen der ersten Jahre sind längst versiegt, nur noch ein paar tausend Euro kommen momentan jährlich herein. Das könnte sich auch wieder ändern, denn das Interesse am Seegrasstadel ist groß: Dutzende Anfragen von Firmen sind erst in jüngster Zeit wieder hereingekommen; auch sie landen jetzt beim Landkreis, der seit kurzem nicht nur Nutznießer, sondern auch Vermieter ist.

Nun aber macht die ÖDP mobil: Kreisrätin Johanna Weigl-Mühlfeld hat einen Antrag an den Kreistag gestellt, die Nutzung zu beenden und gleichzeitig eine Petition an den bayerischen Landtag eingereicht, die Rechtmäßigkeit zu überprüfen und sich im Bundesrat für ein Verbot solcher Steuersparmodelle einzusetzen. Die ÖDP im Münchner Stadtrat interessiert sich vor allem dafür, welchen Schaden die Landeshauptstadt durch den Firmensitz im Forst nimmt.

Eine Internetseite, die den Schluss zulässt, dass es sich bei dem Mini-Büro im Forst mitnichten um den Hauptsitz der Fonds handelt, sei zwar inzwischen vom Netz genommen worden, erläutert Stadtrat Tobias Ruff, seine Stadtratskollegin habe eine Ansicht der Seite aber vorher noch gesichert. Die Stadtverwaltung habe bereits nach dieser Datei gefragt, eine Antwort auf die Anfrage gebe es aber bisher noch nicht.

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