Ebersberg:Mit einem Bein im Knast

Ein Jugendlicher wird immer wieder straffällig. Jetzt wäre ihm beinahe Schwarzfahren zum Verhängnis geworden

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Manchmal kann es ganz schön dumm laufen: Viermal beim Schwarzfahren erwischt worden, und schon sieht man sich einer verärgerten Richterin, zwei Schöffen und einer drohenden Freiheitsstrafe gegenüber. Weil ein 20-Jähriger im vergangenen Jahr die Deutsche Bahn um insgesamt 24,50 Euro geprellt hat, muss er sich an diesem frischen Septembermorgen vor dem Amtsgericht Ebersberg verantworten. Der junge Mann, in hellen Turnschuhen und die braunen Haare an den Seiten abrasiert, wirkt zerknirscht und gibt zu: "Ich hatte das Geld, ich hab einfach Mist gebaut." Er bereue, was er getan habe, aber er arbeite an sich und sei im Moment auf einem sehr guten Weg. Moment mal - wegen Schwarzfahrens und eines Schadens von knapp 25 Euro in den Knast?

Fast schon möchte man vor Ungläubigkeit über die übertriebene Härte des Gesetzes den Kopf schütteln, da wendet sich das Blatt. Ganz anders nämlich liest sich die Geschichte, wenn man einen Blick in das Vorstrafenregister des Beschuldigten wirft. 2013: Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung. Ebenfalls 2013: vorsätzliche Körperverletzung. Zwei Wochen hat der junge Mann im Jugendarrest abgesessen, dann wird er wieder gewalttätig. Er bekommt eine Bewährungsstrafe, zwei Jahre. 2016 wird er erwischt im Besitz unerlaubter Betäubungsmittel. Und fährt mit der Bahn, ohne sich ein gültiges Ticket dafür zu kaufen. Immer wieder. "Man könnte meinen, Sie haben gar nichts mitgenommen", stellt Richterin Vera Hörauf fest.

Der Lebensweg des Angeklagten verlief bisher nicht unbedingt geradlinig. Bereits seit 2012 ist er beim Jugendamt bekannt. Seinen Hauptschulabschluss hat er nicht geschafft, auch an einer zweiten Schule klappt es nicht. Danach arbeitet er im Kfz-Handwerk, im Hotel, im Landschaftsbau. Vor vier Jahren beginnt er eine Lehre zum Lackierer, bis sein Chef ihn zur Seite nimmt: Erst müsse er die Drogenprobleme in den Griff bekommen, dann könne er wiederkommen.

Eine erste Therapie geht - wie so oft, erklärt der Jugendgerichtshelfer - in die Hose. Die zweite Therapie bringt der Angeklagte zu Ende und nimmt seine Lehre wieder auf. Allerdings werden ihm die bereits absolvierten Lehrjahre nicht angerechnet, er muss von ganz vorne beginnen. Der Jugendgerichtshelfer beschreibt ihn als gesprächsbereit und zurückhaltend. Es habe Zeiten gegeben, da sei es kaum möglich gewesen, mit ihm zu reden; jetzt mache der Angeklagte einen recht vernünftigen Eindruck.

Die Richterin steht vor einem Dilemma: Was tun mit einem jungen Menschen, der schon mit einem Bein im Gefängnis steht, hoch und heilig Besserung gelobt - und trotzdem immer wieder Mist baut? Oder, wie es die Staatsanwältin in den Raum wirft: "Was können wir tun, damit der Angeklagte merkt, dass er straffrei bleiben muss?" Es klingt ein wenig hoffnungslos.

Den jungen Mann rettet der Paragraf 27 des Jugendgerichtsgesetzes, nach dem er bereits verurteilt ist. Dieser besagt in etwa: Statt einer Jugendstrafe bekommt der Betreffende zwei Jahre Bewährung und eine Chance, seine Fehler nicht noch einmal zu widerholen. Zusätzlich muss der Angeklagte 200 Euro an einen gemeinnützigen Verein spenden.

Es sei ihm schwer gefallen, sehr schwer, mit den krummen Dingern aufzuhören, sagt der junge Mann. Er verspricht, sich zu bemühen. Das Bußgeld für die nicht gekauften Bahntickets will er auch möglichst bald begleichen. Glück gehabt: Viermal schwarzgefahren, und es bleibt bei einer Geldstrafe. Oder, wie es die Richterin am Ende formuliert: "Da hast du gerade noch einmal die Kurve gekratzt."

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