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Meditationsweg im Landkreis Ebersberg:Kleine Kathedralen im Grünen

Von September an wird Ebersberg einen Meditationsweg haben, künstlerisch gestaltet von Matthias Larasser-Bergmeister. Warum die Umsetzung von "Beweggründe" fast zehn Jahre dauerte, der Pfad nun aber ein Vorzeigeprojekt ist.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Am Anfang war der Plan. Der Pastoralplan. Man schrieb das Jahr 2013, als die Ebersberger Pfarrei Sankt Sebastian sich überlegte, wie man für größere Sichtbarkeit sorgen könnte - der Gemeinde, aber auch ihres Kerns, also des Glaubens. Die Lösung wurde 2014 in der endgültigen Fassung des Plans festgeschrieben: Ein Meditationsweg am östlichen Rand der Kreisstadt.

Acht Jahre später ist der Wunsch nach Sichtbarkeit eine bis zu 3,20 Meter hohe Wirklichkeit geworden - in Form von zehn eindrucksvollen Stelen aus Cortenstahl, gestaltet von Matthias Larasser-Bergmeister, Kunstschmied und diplomierter Bildhauer aus Ebersberg.

Gewicht der Stelen: Bis zu 400 Kilo

Beim Ortstermin kann man die bis zu 400 Kilo schweren Kunstwerke noch alle gemeinsam direkt vor dem Eingang der Kunstschmiede Bergmeister bewundern, in der sie entstanden sind. In wenigen Wochen aber, sobald die gerade gegossenen Fundamente ausgehärtet sind, wird man jede Skulptur an den Bestimmungsort entlang des etwa drei Kilometer langen Rundwegs verbringen, auf den sie in Form und Inhalt individuell zugeschnitten ist.

Da gibt es Blumen, ein Labyrinth, eine Einhausung für ein Marterl oder ein Gebilde, das an eine kleine Kapelle erinnert. Zwischen zwei und 2,40 Meter hoch sind die Werke, ihre Flächen mit der gelaserten Schrift meist aus einem Stück. Nur die eingangs erwähnte, höchste Stele musste geschweißt werden. Sie wird ihren Platz an gut sichtbarer Stelle direkt an der B304 haben.

Davon, was alles geschah, bevor man am Sonntag, 18. September, zur offiziellen Eröffnung der Meditationsstrecke "Beweggründe" mit ihren Stationen zum "Innehalten" schreiten wird, berichtet Sabine Hofmann, Leiterin der vom Pfarrgemeinderat ins Leben gerufenen Projektgruppe. Nach dem Sichten von diversen Beispielen für Meditationswege, im Internet, aber auch durch physische Begehung bis in die Rhön, habe man sich rund um Ebersberg auf die Suche nach einem passenden Verlauf gemacht.

Start ist an der Antoniuskapelle

Einbeziehen wollte man auf jeden Fall die alte Pilgerstrecke, den Jesuitenweg, so dass man am Ende wieder die Kirche St. Sebastian erreichen würde. Durch diese Vorgabe waren die anderen Eckpunkte für den Rundweg schnell gefunden: Nach dem Start an der Antoniuskapelle über den "Kindergartenwald" zur Haselbacher Kirche, dann entlang der Ebrach, Richtung Langwied und von da über den Jesuitenweg zurück in die Stadtmitte.

Aus der Fülle von im Vorfeld gesammelten Texten wurde dann bei einer Klausurtagung die passende Auswahl getroffen. Da der Meditationsweg "jeden ansprechen soll, egal welcher Religion", so Gabriela Berger, auch sie Projektgruppenmitglied der ersten Stunde, habe man darauf geachtet, nicht nur Bibelstellen und Psalmen zu verwenden.

So startet die Strecke mit einem Ausspruch von Antoine de Saint-Exupéry ("Wir sind Pilger, die auf verschiedenen Wegen einem gemeinsamen Treffpunkt zuwandern") und zitiert passenderweise direkt an der B304 mit "Geh deinen Weg ruhig inmitten von Lärm und Hast ..." einen irischen Segenswunsch.

So weit, so gut. Woran allerdings zu Beginn des Projekts niemand gedacht hatte: Die Fülle der zu beantragenden Genehmigungen. Die Stadt hatte man natürlich schon früh mit ins Boot geholt. Die Kooperation - erst mit dem ehemaligen Bürgermeister Walter Brilmayer und nun mit Ulrich Proske - bezeichnet Dekan Josef Riedl als "Eins A. Immer stießen wir auf offene Ohren."

Zahlreiche Genehmigungsverfahren bremsten das Projekt

Dennoch musste man für jede einzelne Station Nutzungsvereinbarungen mit den Grundstückseigentümern abschließen und die wiederum galt es erst herauszufinden. Ein weiterer Punkt: Der Denkmalschutz an der Antoniuskapelle. Zeit bis zur Genehmigung: Drei Monate. Doppelt so lang dauerte es, um bei der Unteren Naturschutzbehörde die Erlaubnis einzuholen, an der Ebrach eine Stele anbringen zu dürfen - erst musste die Befürchtung der "Bodenverdichtung aufgrund eines möglicherweise hohen Besucheraufkommens" entkräftet werden.

Nach und nach kristallisierte sich heraus, dass man sich eine künstlerisch hochwertige Ausführung aus einer Hand wünschte und eine einzige Materialart für die Installationen. An dieser Stelle kam Matthias Larasser-Bergmeister ins Spiel. Mittlerweile war man im Jahr 2016 angelangt und als Mitglied der Kirchenverwaltung war er regelmäßig von der Projektgruppe über den Fortgang informiert worden. Jetzt stand also die Entscheidung für die endgültige Anmutung der Stationen im Raum.

Erst nach reiflicher Überlegung warf er den Hut in den Ring

"Mir war klar, dass hier etwas Nachhaltiges gebraucht wurde," gibt der schmale Endfünfziger in seiner bedächtigen Art zu Protokoll, als man ihn zum Thema befragt. Schnell wird deutlich, dass er ein Mensch ist, der immer erst ganz genau überlegt und abwägt, bevor er etwas sagt oder tut.

Das war wohl auch der Fall, bevor er den Vorschlag machte, robusten, witterungsbeständigen Cortenstahl einzusetzen - ein Gedanke, an den einige sich erst gewöhnen mussten: Ein Meditationsweg mit Skulpturen aus Metall? Ja, denn wie der Experte erläutert, sind diese nicht nur langlebig, sondern harmonieren mit der Umgebung: "Durch das rostige Erscheinungsbild ist es kein Fremdkörper in der Natur, sondern fügt sich gut ein." Er habe etwas machen wollen, das nicht "laut" sei, sondern schlicht, aber dabei wertig und beständig.

Zur Verdeutlichung der genauen Ausgestaltung präsentierte er allen Beteiligten einen Erstentwurf im Maßstab 1:10 mit stilisierten Wellen als Symbol für das Wasser des "Krebsbacherls". Damit überzeugte er auch die Skeptiker - und warf den eigenen Hut in den Ring.

Im Grunde eine völlig logische Sache: Wer wäre nicht besser mit der Materie vertraut als ein örtlicher Kunstschmied und Künstler, der Pfarrei seit vielen Jahren ehrenamtlich verbunden? Gleichzeitig aber musste der Auftrag ja erst rechtskräftig von dem Gremium beschlossen werden, dem Larasser-Bergmeister selbst angehört. Ein Dilemma? Dekan Riedl winkt ab: "In der Kirchenverwaltung kommt man öfter in Situationen mit persönlicher Betroffenheit. Herr Larasser-Bergmeister hat sich natürlich bei allen Abstimmungen enthalten und während der vorausgehenden Besprechungen den Raum verlassen."

Das ganze Projekt kostet etwa 30 000 Euro - es werden noch Sponsoren gesucht

Berechnet habe der Bildhauer dann lediglich den Aufwand für Material und Anfertigung, seine komplette künstlerische Leistung und die zahlreichen Stunden für organisatorische und praktische Details im Zusammenhang mit der Umsetzung sind nicht in die Kosten eingeflossen.

Die liegen geschätzt bei circa 30 000 Euro für das gesamte Projekt - zu dem neben der für die Schaffung und Aufstellung der Stelen benötigten Summe auch weitere Ausgaben zählen, etwa die für die Begleitbroschüre. Idealerweise soll die Gegenfinanzierung über Spenden in beliebiger Höhe erfolgen: "Auch kleine Beträge sind willkommen", meint Pfarrer Riedl, der erklärt, es hätten sich jedoch schon Sponsoren für komplette Stelen gefunden. Dabei sei es den Spendern überlassen, ob sie anonym bleiben oder in der Broschüre erwähnt werden wollten.

Ein QR-Code auf den Stelen führt zu Zusatzinformationen

Mit diesem Begleitmaterial hat es ohnehin eine besondere Bewandtnis. Es wird in gedruckter und auch in elektronischer Form erhältlich und unmittelbar mit den Weg-Kunstwerken verbunden sein. Wer den dort angebrachten QR-Code scannt, landet direkt auf einer extra angelegten Unterseite der Gemeinde-Homepage. Darauf finden sich dann nicht nur weiterführende Erläuterungen zu den Texten, sondern auch direkt umsetzbare, praktische oder spirituelle Impulse. "Wo sind aktuell Gegensätze in meinem Leben?" könne man sich an der entsprechenden Stelle etwa fragen, erklärt Hofmann. Gezielt habe man durch Vorschläge wie "Bilde Gegensatzpaare" auch Kinder einbeziehen wollen. Anregungen wie "Tanze ein Stück Weg" hingegen könnten von jedem aufgenommen werden.

Das Schöne an dieser zeitgemäßen Präsentationsform: Die Inhalte sind nicht statisch, man wird sie im Lauf der Zeit anreichern oder austauschen können, so dass die Wanderung immer reizvoll bleibt. So soll etwa auf jeden Fall der VHS-Hörpfad-Beitrag über die Jesuitengasse verlinkt werden.

Wen man bereits berücksichtigt hat: Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder Familien mit Kinderwagen. Bei einer kürzeren Variante liegen die dabei erreichbaren Stationen an gekiesten oder gar geteerten Wegen.

Unter anderem kann, wer den Aufstieg zu Fuß nicht schafft, ein ganz besonderes Schmankerl auch motorisiert erreichen, nämlich die Stele an der Haselbacher Kirche St. Margaretha. Direkt am Zaun einer Weide kann man den Blick erst ins Tal schweifen lassen, um dann durch das "Weitsichtrohr" mit den Augen direkt auf dem Wendelstein zu landen. Die Ringe, aus denen die Röhre besteht, stammen aus dem Zuschnitt der seitlichen Ornamente, die im Übrigen unterschiedliche Durchmesser besitzen. Solche Feinheiten gibt es einige bei den insgesamt zehn Werken - die zweite Station ist doppelt, damit sie auch denen, die die Wochermaier-Bank nicht erreichen können, in der Abt-Häfele Straße das "Verweilen" ermöglicht.

"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6) heißt es an der letzten Station, auf dem Vorplatz der Kirche St. Sebastian. Gut neun Jahre hat es gedauert, bis aus den ersten Überlegungen tatsächlich ein sichtbarer Meditationsweg geworden ist. Nun allerdings wird er ab September - mit seiner Verbindung aus Natur, Kunst und spirituellen Impulsen, die an keine Konfession gebunden sind - für Jahrzehnte die Ebersberger Wander-Landschaft bereichern.

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