Flüchtlingspolitik:Mal nicht auf einer Linie

CSU Kreis

Kreisrat Martin Lechner eckt in seiner Partei immer wieder an. Bei Kanzlerin Merkel hat er sich für das Auftreten von Seehofer entschuldigt.

(Foto: privat)

Die CSU im Landkreis ist sich in vielem einig - beim Thema Flüchtlinge gehen die Ansichten aber weit auseinander

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Als Martin Lechner neulich nachts vom CSU-Parteitag heimkam, setzte er sich unverzüglich an den Schreibtisch, um einen Brief zu verfassen. Der CSU-Kreisrat bat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um Verzeihung für das Verhalten des bayerischen Ministerpräsidenten, der kurz zuvor die Kanzlerin bei ihrem Gastauftritt in München aufgrund ihrer Haltung in der Flüchtlingspolitik doch arg brüskiert hatte. "Da kann man sich in Grund und Boden schämen", sagt Lechner noch einige Tage darauf. Doch nicht nur über die Verletzung von grundlegenden Anstandsregeln hat er sich geärgert. "Ich finde, die Kanzlerin ist bei dem Thema einfach schon weiter als die unseren", sagt er.

Kaum ein Thema spaltet die CSU derzeit so wie die Flüchtlingspolitik. Das gilt auch für den Landkreis. Vor allem die Abgeordneten in Bund und Land stehen fest hinter der Seehofer'schen Linie - und offenbar auch hinter dem, wie er sie vertritt. Bundestagsabgeordneter Andreas Lenz etwa hat sich zum Parteitag auf Facebook geäußert. "Wenn Bilder sprechen könnten", schreibt er süffisant zu einem Foto, auf dem die Kanzlerin sichtlich genervt neben Seehofer steht und sich von ihm abkanzeln lassen muss. Landtagsabgeordneter Thomas Huber fordert ebenso nachdrücklich wie Seehofer Obergrenzen und ein Ende des Familiennachzugs, postet auf seiner Facebook-Seite auch Artikel, in denen wirtschaftliche Gründe als Hauptfluchtursachen genannt werden. "Diesen Artikel kann ich nur empfehlen! Er trifft unsere Einschätzung im Kern!", schreibt er dazu und erntet damit bei seinen Facebook-Freunden neben Lob auch einigen Widerspruch. "Meine Einschätzung trifft der Artikel nicht. Ich finde es nur noch traurig", schreibt eben Hubers Kreistagskollege Martin Lechner, der auch sonst bekannt ist als einer, der keine Angst hat anzuecken und Positionen außerhalb des Parteien-Mainstream zu äußern.

Dass nun auch von Seiten der CSU immer wieder die Angst vor Flüchtlingen geschürt werde, rege ihn auf, sagt Lechner offen, auch die Forderungen, sie einfach nicht mehr ins Land zu lassen: "Was sollen wir machen? Sollen wir zusehen, wie alle verhungern oder erfrieren?" Er als Unternehmer sehe die Flüchtlinge ohnehin als Chance, sagt Lechner. Angst habe er hingegen vor "der ganzen braunen Mischpoke", die jetzt immer stärker Oberhand gewinne. Dass viele Parteikollegen die Lage anders beurteilen als er, erfährt er immer wieder: "Diskutiert wird schon viel. Die Positionen sind sehr unterschiedlich", sagt er und lacht. Dafür erhält er im Kreistag bisweilen für seine Positionen sogar Applaus von SPD und Grünen.

Auch Martin Wagner, Chef der CSU/FDP-Fraktion im Kreistag und Zweiter Bürgermeister in Vaterstetten, ist es kürzlich ähnlich gegangen - er hatte sich im Namen der Fraktion klar und deutlich von den hetzerischen Aussagen der inzwischen zurückgetretenen Zornedinger Ortsvorsitzenden Sylvia Boher über Flüchtlinge distanziert. Es war das erste klare öffentliche Signal aus CSU-Kreisen zu diesem Thema. Er habe ja nicht nur für sich gesprochen, sagt Wagner, alle Fraktionsmitglieder hätten schließlich die Resolution unterstützt, auch wenn er den Anstoß dafür gegeben habe. Seine eigene Position in der Flüchtlingsfrage beschreibt er als "irgendwo in der Mitte" im politischen Spektrum in der Landkreis-CSU. "Ich bin der Pragmatiker", sagt er. Ihm gehe es bei allem Mitgefühl für die Flüchtlinge auch um die praktische Seite: Wo sollen sie künftig leben in einer Region mit einem ohnehin überhitzten Wohnungsmarkt? Wo sollen ihre Kinder betreut werden, wenn es in den Kitas schon jetzt zu wenig Plätze gibt? "Ich weiß echt nicht, wie das alles gehen soll", sagt Wagner. Ähnliche Überlegungen prägten sicher auch die Haltung vieler anderer CSU-Vertreter in der Flüchtlingsfrage, vermutet er. Und hier täten sich eben diejenigen etwas leichter, die weder ein Gemeinderatsmandat noch einen Bürgermeisterposten hätten und somit nicht direkt in der Verantwortung seien, an der Lösung dieser vielen Fragen mitzuarbeiten.

Allerdings kann es auch gelingen, auf die Probleme hinzuweisen, ohne Ängste zu schüren oder den Flüchtlingen unlautere Motive zu unterstellen: Das beweist Landrat Robert Niedergesäß immer wieder. Verunglimpfungen von Asylbewerbern lässt er sich nicht bieten. Dass er sie auch bei anderen CSU-Mitgliedern nicht akzeptieren will, hat er ebenfalls deutlich gemacht: Den Rücktritt von Sylvia Boher als Zornedinger Ortsvorsitzende forderte er noch vor dem Kreisvorsitzenden Thomas Huber.

Dass es beim Thema Flüchtlinge deutliche Unterschiede in der Haltung der CSU-Vertreter gebe, sehe er aber nicht als Problem, betont Wagner: "In einer Volkspartei gibt es da eben eine große Bandbreite." Das sei bei anderen Parteien gerade bei diesem Thema auch nicht anders. Das sagt auch Thomas Huber: "Das ist doch überhaupt nicht problematisch. Es gibt verschiedene Ansichten, das ist ganz normal." Die Meinungsvielfalt innerhalb der CSU sei groß, darin sei sie aber eben ein Spiegelbild der Bevölkerung. Dass Schwerpunkte bisweilen unterschiedlich gesetzt würden, ändere aber nichts daran, dass man sich nach wie vor darüber einig sei, denen zu helfen, die in Not seien.

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