Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Letzte Haltestelle

Wegen andauernd sinkender Fahrgastzahlen wird der Nachtexpress zum Jahresende eingestellt

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Tage des Nachtexpress' sind gezählt. In wenigen Wochen werden alle drei Buslinien stillgelegt, das hat der zuständige Ausschuss des Kreistages nun beschlossen. Eingestellt wird die einst bei Nachtschwärmern beliebte Wochenendbusverbindung aufgrund extrem schlechter Fahrgastzahlen - und zwar genau zum Jahresende: Seine letzte Fahrt hat der Bus in der Nacht von Silvester auf Neujahr.

Angeregt hatten die Einstellung nicht die Kreisräte oder das Landratsamt, sondern die Initiatoren der Buslinie selbst. Bereits im vergangenen Jahr brachten Marianne Künzel, Georg Schweiger und Christa Stewens das Ende des Nachtbusses ins Gespräch, den sie gemeinsam seit 1996 aufgebaut und betreut hatten. Hintergrund ist ein stetiger und gerade in den vergangenen beiden Jahren starker Rückgang der Fahrgastzahlen. Waren nach der Erweiterung des Angebotes auf zwei Fahrtage pro Woche - bis 2010 verkehrte der Bus nur von Samstag auf Sonntag, seit fünf Jahren auch in den Nächten von Freitag auf Samstag - noch 7322 Fahrgäste gezählt worden, im Jahr darauf sogar 7444, brachen die Zahlen im vorvergangenen Jahr deutlich ein. Gerade einmal 4778 Fahrgäste wollten 2013 noch mit dem Nachtbus mitfahren, vergangenes Jahr waren es sogar nur noch 2830 Passagiere. Dies machte sich natürlich auch bei den Finanzen bemerkbar. Erwirtschaftete der Nachtexpress 2010 noch 12 270 Euro, kamen im Vorjahr gerade einmal 5622 Euro herein. Auch die Sponsorengelder sind zurückgegangen, während die Betriebskosten stiegen. Dadurch erhöhte sich die finanzielle Beteiligung des Landkreises von 70 000 Euro vor fünf Jahren auf voraussichtlich 127 000 Euro in diesem Jahr. Der Landkreis hätte den Nachtexpress trotzdem gerne behalten. Als 2013 die ersten schlechten Zahlen bekannt wurden, war es eine Aufgabe des landkreisweiten Mobilitätsforums, einen verbesserten Fahrplan zu erarbeiten. Vor einem Jahr beschloss der zuständige Kreistagsausschuss trotz weiter sinkender Fahrgastzahlen dann, dem Nachtexpress zumindest ein weiteres Jahr zu geben.

Doch nun ist die letzte Frist abgelaufen. Der Nachtexpress sei nicht mehr zu retten, schrieben Künzel, Schweiger und Stewens bereits Ende August an Landrat Robert Niedergesäß (CSU). "Auch im ersten Halbjahr 2015 sanken die Fahrgastzahlen kontinuierlich weiter." Grund könnte das veränderte Nutzerverhalten sein, vermuten die Initiatoren, die vorwiegend jüngere Zielgruppe sei besser vernetzt und organisiere sich ihre eigenen Mitfahrgelegenheiten per Mobiltelefon und Internet.

"Es ist sehr schade, aber es geht nicht mehr", fasste Künzel im Ausschuss noch einmal die Argumente für das Aus des Nachtexpress' zusammen. "Er war sehr sinnvoll zu seiner Zeit", ergänzte Schweiger, "aber der Landkreis kann nicht weiter so viel Geld für etwas ausgeben, das sich überlebt hat." Natürlich sei die Entwicklung bedauerlich, meinte auch Stewens, "es ist keine lustige Leich, aber wenn es nicht mehr geht, geht es eben nicht mehr." Die Nachtbus-Initiatoren hatten sich auch Alternativen angesehen, etwa die Ausgabe von oder Bezuschussung zu Taxi-Gutscheinen für Jugendliche, wie es sie in anderen Landkreisen gibt. Doch dies würde nach ersten Berechnungen deutlich teurer als der Nachtexpress. Eine Aussage, die Philipp Goldner (Grüne) so nicht ganz glauben konnte. Er schlug vor, der Landkreis solle mit den örtlichen Taxiunternehmern noch einmal über eine Kooperation sprechen. "Es muss ja kein 50:50-Zuschuss sein." Die Intention des Nachtexpress' sei schließlich nach wie vor aktuell: "Man wollte Trunkenheitsfahrten verhindern."

Landrat und Ausschuss blieb letztlich nur, den Initiatoren des Nachtexpress ausgiebig zu danken. "Für 20 Jahre ehrenamtliche Leistung" gab es ein kleines Geschenk für jeden: einen Bus aus Schokolade, der vermutlich schneller verschwinden dürfte als sein Vorbild.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2015
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